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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Zum 2^. Januar

Und ist gar kein schwarzer Punkt vorhanden, so hilft die Phantasie aus, An¬
deutungen, Umschreibungen können jemand den Kredit untergraben, ohne daß
ihm eine Waffe der Abwehr bliebe. Dazu ist es ja gerade diese Presse, die
nach dem Muster der französischen die "innigsten" Beziehungen mit allerlei
"Gesellschaften" unterhält, die das Zeitungswesen in die Region der zweifel¬
haftesten Jndustrieunteruehmungeuhinabgedrückt hat. Trefflicher Cornelius,
der die eine Hand dem tapfern Boulanger, die andre dem Radikalen Clemen-
cean reicht und wahrscheinlich noch mehr Hände hat, um sich Einfluß zu
sichern!

Wie lange werden sich die Deutschen diese Herrschaft noch gefallen lassen?
Daß es nicht jedermanns Sache sein kann, sich aktiv am Kampfe zu beteiligen,
haben wir schon zugegeben. Allein man unterschätze den passiven Widerstand
nicht. Das schon oft ausgesprochue muß so lange wiederholt werden, bis es
in Blut und Saft dringt. Erreichen unsre Gegner mit diesem Mittel, daß
nnr zu viele wirklich meinen, es sei ihre Menschen- und Bürgerpflicht, gegen
ihr eignes Recht und Wohl zu arbeiten, weil auch so große Patrioten, wie
die Herren Richter und Virchow, dieser Ansicht sind, so wird es auch wohl
der Ausdauer gelingen, zum Bewußtsein zu bringen, daß es Selbstverrat ist,
dem Feinde die Mittel zum Kriege zu liefern. Wer durchaus jüdisch werden
will, dem muß man ja seinen Willen lassen. Aber frage sich nur jeder und
beantworte sich aufrichtig die Frage, ob er das will! Blickt hin auf Polen
und Ungarn!




Zum 2 z. Januar

n Sack und Asche trauern müßte an diesem Tage das fran¬
zösische Volk, statt nach dem unsinnigen Beschlusse des Pariser
Gemeinderath, gegen den der Seinepräfekt allerdings Verwahrung
eingelegt hat, ein Denkmal zur Erinnerung an den Sturz des
Thrones zu errichten. Der französische Königsthron ist ja auch
nicht erst am 21. Januar 1793 gefallen, sondern thatsächlich schon am 10. August
oder der Form nach am 22. September 1792. Am 21. Januar vor hundert
Jahren fiel nnter dem Beile des Henkers das Haupt des "Bürgers Louis
Capet," weiland König Ludwigs des Sechzehnten, der damit die Schuld seiner
Vorfahren führte, nicht seine eigne, denn was er gefehlt hatte, war Schwäche,
nicht böser Wille gewesen. Seit diesem Königsmord ist Frankreich niemals
wieder zu einer festen Staatsordnung gelangt. Wenn das Bibelwort wahr


Zum 2^. Januar

Und ist gar kein schwarzer Punkt vorhanden, so hilft die Phantasie aus, An¬
deutungen, Umschreibungen können jemand den Kredit untergraben, ohne daß
ihm eine Waffe der Abwehr bliebe. Dazu ist es ja gerade diese Presse, die
nach dem Muster der französischen die „innigsten" Beziehungen mit allerlei
„Gesellschaften" unterhält, die das Zeitungswesen in die Region der zweifel¬
haftesten Jndustrieunteruehmungeuhinabgedrückt hat. Trefflicher Cornelius,
der die eine Hand dem tapfern Boulanger, die andre dem Radikalen Clemen-
cean reicht und wahrscheinlich noch mehr Hände hat, um sich Einfluß zu
sichern!

Wie lange werden sich die Deutschen diese Herrschaft noch gefallen lassen?
Daß es nicht jedermanns Sache sein kann, sich aktiv am Kampfe zu beteiligen,
haben wir schon zugegeben. Allein man unterschätze den passiven Widerstand
nicht. Das schon oft ausgesprochue muß so lange wiederholt werden, bis es
in Blut und Saft dringt. Erreichen unsre Gegner mit diesem Mittel, daß
nnr zu viele wirklich meinen, es sei ihre Menschen- und Bürgerpflicht, gegen
ihr eignes Recht und Wohl zu arbeiten, weil auch so große Patrioten, wie
die Herren Richter und Virchow, dieser Ansicht sind, so wird es auch wohl
der Ausdauer gelingen, zum Bewußtsein zu bringen, daß es Selbstverrat ist,
dem Feinde die Mittel zum Kriege zu liefern. Wer durchaus jüdisch werden
will, dem muß man ja seinen Willen lassen. Aber frage sich nur jeder und
beantworte sich aufrichtig die Frage, ob er das will! Blickt hin auf Polen
und Ungarn!




Zum 2 z. Januar

n Sack und Asche trauern müßte an diesem Tage das fran¬
zösische Volk, statt nach dem unsinnigen Beschlusse des Pariser
Gemeinderath, gegen den der Seinepräfekt allerdings Verwahrung
eingelegt hat, ein Denkmal zur Erinnerung an den Sturz des
Thrones zu errichten. Der französische Königsthron ist ja auch
nicht erst am 21. Januar 1793 gefallen, sondern thatsächlich schon am 10. August
oder der Form nach am 22. September 1792. Am 21. Januar vor hundert
Jahren fiel nnter dem Beile des Henkers das Haupt des „Bürgers Louis
Capet," weiland König Ludwigs des Sechzehnten, der damit die Schuld seiner
Vorfahren führte, nicht seine eigne, denn was er gefehlt hatte, war Schwäche,
nicht böser Wille gewesen. Seit diesem Königsmord ist Frankreich niemals
wieder zu einer festen Staatsordnung gelangt. Wenn das Bibelwort wahr


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[0178] Zum 2^. Januar Und ist gar kein schwarzer Punkt vorhanden, so hilft die Phantasie aus, An¬ deutungen, Umschreibungen können jemand den Kredit untergraben, ohne daß ihm eine Waffe der Abwehr bliebe. Dazu ist es ja gerade diese Presse, die nach dem Muster der französischen die „innigsten" Beziehungen mit allerlei „Gesellschaften" unterhält, die das Zeitungswesen in die Region der zweifel¬ haftesten Jndustrieunteruehmungeuhinabgedrückt hat. Trefflicher Cornelius, der die eine Hand dem tapfern Boulanger, die andre dem Radikalen Clemen- cean reicht und wahrscheinlich noch mehr Hände hat, um sich Einfluß zu sichern! Wie lange werden sich die Deutschen diese Herrschaft noch gefallen lassen? Daß es nicht jedermanns Sache sein kann, sich aktiv am Kampfe zu beteiligen, haben wir schon zugegeben. Allein man unterschätze den passiven Widerstand nicht. Das schon oft ausgesprochue muß so lange wiederholt werden, bis es in Blut und Saft dringt. Erreichen unsre Gegner mit diesem Mittel, daß nnr zu viele wirklich meinen, es sei ihre Menschen- und Bürgerpflicht, gegen ihr eignes Recht und Wohl zu arbeiten, weil auch so große Patrioten, wie die Herren Richter und Virchow, dieser Ansicht sind, so wird es auch wohl der Ausdauer gelingen, zum Bewußtsein zu bringen, daß es Selbstverrat ist, dem Feinde die Mittel zum Kriege zu liefern. Wer durchaus jüdisch werden will, dem muß man ja seinen Willen lassen. Aber frage sich nur jeder und beantworte sich aufrichtig die Frage, ob er das will! Blickt hin auf Polen und Ungarn! Zum 2 z. Januar n Sack und Asche trauern müßte an diesem Tage das fran¬ zösische Volk, statt nach dem unsinnigen Beschlusse des Pariser Gemeinderath, gegen den der Seinepräfekt allerdings Verwahrung eingelegt hat, ein Denkmal zur Erinnerung an den Sturz des Thrones zu errichten. Der französische Königsthron ist ja auch nicht erst am 21. Januar 1793 gefallen, sondern thatsächlich schon am 10. August oder der Form nach am 22. September 1792. Am 21. Januar vor hundert Jahren fiel nnter dem Beile des Henkers das Haupt des „Bürgers Louis Capet," weiland König Ludwigs des Sechzehnten, der damit die Schuld seiner Vorfahren führte, nicht seine eigne, denn was er gefehlt hatte, war Schwäche, nicht böser Wille gewesen. Seit diesem Königsmord ist Frankreich niemals wieder zu einer festen Staatsordnung gelangt. Wenn das Bibelwort wahr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/178>, abgerufen am 28.04.2024.