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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die Börsenagenten

zum Bewußtsein gekommen wäre, so würde der Staat bald einen schweren
Stand zwischen den widerstreitenden Interessen haben und von beiden Teilen
Vorwürfe hören. Der Staat könnte ja dann die Zugeständnisse, die er
gemacht hat, zurücknehmen; aber dann hätte er den Aufstand der gesamten
Bergmannschaft zu fürchten. Er könnte ja die Kohleupreise vorschreiben, aber
dann müßte er sich in Bezug auf seine ganze Industrie gegen die Außenwelt
abschließen und das Verfahren einschlagen, das Rußland versucht hat, und das
ihm uicht zum Heile ausgeschlagen ist.

Auch auf die Staatsfinanzen würde es einen übeln Einfluß haben, wenn
der Staat seine industriellen Unternehmungen vermehren wollte. Er leidet
schon jetzt unter schwankenden Einnahmen. In Preußen bringt der Etat des
laufenden Jahres ein Defizit von 58 Millionen, und Miquel erklärt, daß
das nicht so weiter gehen könne, daß man dafür sorgen müsse, den Ein¬
nahmen eine größere Stetigkeit zu geben. Welche Zustünde würden entstehen,
wenn der Staat fortführe, industrielle Unternehmungen an sich zu ziehen!
Der Staat darf nicht in die Gefahr eines Bankervtts gebracht werden. Und
der sozialistische Staat wäre der sichre Bankerott. Wenn es also für den Ge¬
danken der Verstaatlichung des Kohlenbergbaus weiter keine Gründe gäbe als
die Arbeiterfrage, so müßten wir sagen: Der Aufstand im Saarrevier hat den
Gegenbeweis geliefert: eine Verstaatlichung der Kohlenbergwerke würde nichts
nützen. Es giebt aber noch mehr Gründe, auf die wir später einmal zu
sprechen kommen werden.




Die Börsenagenten
v Julius Lttbszynski on

s liegt außerhalb der Macht der Gesetzgebung
, Leute, die uun
einmal ihr Geld los sein wollen, daran zu hindern -- mit
diesen leichtfertigen Worten wies Minister Delbrück in der Reichs¬
tagssitzung vom 4. April 1873 die Aufforderung zur Börsen¬
reform zurück. Der große Krach, der im Mai desselben Jahres
Deutschlands wirtschaftliche Grundfesten erschütterte, gab die Antwort darauf.
Heute hat sich die Ansicht des Gcsetzgebungspolitikers geändert. Die Krisis, die
im Jahre 1891 das Wirtschaftsleben der Nation getroffen hat, hat von neuem
zu ernstem nachdenke" aufgefordert, und es ist heute kein Verständiger mehr
im Zweifel darüber, daß die Ursachen zu deu Ausschreitungen der Spekulation,


Die Börsenagenten

zum Bewußtsein gekommen wäre, so würde der Staat bald einen schweren
Stand zwischen den widerstreitenden Interessen haben und von beiden Teilen
Vorwürfe hören. Der Staat könnte ja dann die Zugeständnisse, die er
gemacht hat, zurücknehmen; aber dann hätte er den Aufstand der gesamten
Bergmannschaft zu fürchten. Er könnte ja die Kohleupreise vorschreiben, aber
dann müßte er sich in Bezug auf seine ganze Industrie gegen die Außenwelt
abschließen und das Verfahren einschlagen, das Rußland versucht hat, und das
ihm uicht zum Heile ausgeschlagen ist.

Auch auf die Staatsfinanzen würde es einen übeln Einfluß haben, wenn
der Staat seine industriellen Unternehmungen vermehren wollte. Er leidet
schon jetzt unter schwankenden Einnahmen. In Preußen bringt der Etat des
laufenden Jahres ein Defizit von 58 Millionen, und Miquel erklärt, daß
das nicht so weiter gehen könne, daß man dafür sorgen müsse, den Ein¬
nahmen eine größere Stetigkeit zu geben. Welche Zustünde würden entstehen,
wenn der Staat fortführe, industrielle Unternehmungen an sich zu ziehen!
Der Staat darf nicht in die Gefahr eines Bankervtts gebracht werden. Und
der sozialistische Staat wäre der sichre Bankerott. Wenn es also für den Ge¬
danken der Verstaatlichung des Kohlenbergbaus weiter keine Gründe gäbe als
die Arbeiterfrage, so müßten wir sagen: Der Aufstand im Saarrevier hat den
Gegenbeweis geliefert: eine Verstaatlichung der Kohlenbergwerke würde nichts
nützen. Es giebt aber noch mehr Gründe, auf die wir später einmal zu
sprechen kommen werden.




Die Börsenagenten
v Julius Lttbszynski on

s liegt außerhalb der Macht der Gesetzgebung
, Leute, die uun
einmal ihr Geld los sein wollen, daran zu hindern — mit
diesen leichtfertigen Worten wies Minister Delbrück in der Reichs¬
tagssitzung vom 4. April 1873 die Aufforderung zur Börsen¬
reform zurück. Der große Krach, der im Mai desselben Jahres
Deutschlands wirtschaftliche Grundfesten erschütterte, gab die Antwort darauf.
Heute hat sich die Ansicht des Gcsetzgebungspolitikers geändert. Die Krisis, die
im Jahre 1891 das Wirtschaftsleben der Nation getroffen hat, hat von neuem
zu ernstem nachdenke» aufgefordert, und es ist heute kein Verständiger mehr
im Zweifel darüber, daß die Ursachen zu deu Ausschreitungen der Spekulation,


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[0218] Die Börsenagenten zum Bewußtsein gekommen wäre, so würde der Staat bald einen schweren Stand zwischen den widerstreitenden Interessen haben und von beiden Teilen Vorwürfe hören. Der Staat könnte ja dann die Zugeständnisse, die er gemacht hat, zurücknehmen; aber dann hätte er den Aufstand der gesamten Bergmannschaft zu fürchten. Er könnte ja die Kohleupreise vorschreiben, aber dann müßte er sich in Bezug auf seine ganze Industrie gegen die Außenwelt abschließen und das Verfahren einschlagen, das Rußland versucht hat, und das ihm uicht zum Heile ausgeschlagen ist. Auch auf die Staatsfinanzen würde es einen übeln Einfluß haben, wenn der Staat seine industriellen Unternehmungen vermehren wollte. Er leidet schon jetzt unter schwankenden Einnahmen. In Preußen bringt der Etat des laufenden Jahres ein Defizit von 58 Millionen, und Miquel erklärt, daß das nicht so weiter gehen könne, daß man dafür sorgen müsse, den Ein¬ nahmen eine größere Stetigkeit zu geben. Welche Zustünde würden entstehen, wenn der Staat fortführe, industrielle Unternehmungen an sich zu ziehen! Der Staat darf nicht in die Gefahr eines Bankervtts gebracht werden. Und der sozialistische Staat wäre der sichre Bankerott. Wenn es also für den Ge¬ danken der Verstaatlichung des Kohlenbergbaus weiter keine Gründe gäbe als die Arbeiterfrage, so müßten wir sagen: Der Aufstand im Saarrevier hat den Gegenbeweis geliefert: eine Verstaatlichung der Kohlenbergwerke würde nichts nützen. Es giebt aber noch mehr Gründe, auf die wir später einmal zu sprechen kommen werden. Die Börsenagenten v Julius Lttbszynski on s liegt außerhalb der Macht der Gesetzgebung , Leute, die uun einmal ihr Geld los sein wollen, daran zu hindern — mit diesen leichtfertigen Worten wies Minister Delbrück in der Reichs¬ tagssitzung vom 4. April 1873 die Aufforderung zur Börsen¬ reform zurück. Der große Krach, der im Mai desselben Jahres Deutschlands wirtschaftliche Grundfesten erschütterte, gab die Antwort darauf. Heute hat sich die Ansicht des Gcsetzgebungspolitikers geändert. Die Krisis, die im Jahre 1891 das Wirtschaftsleben der Nation getroffen hat, hat von neuem zu ernstem nachdenke» aufgefordert, und es ist heute kein Verständiger mehr im Zweifel darüber, daß die Ursachen zu deu Ausschreitungen der Spekulation,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/218>, abgerufen am 28.04.2024.