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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die Geschichte von einem, der nichts dürfte

Ich kann dir den Eindruck, den die Schanzen, der Brückenkopf und Svnder-
bnrg machen, nicht beschreiben. Sonderburg sieht ans, als bedürfe es nur eines
guten Windes, um die noch stehenden Mauern nmzublnsen, so durchlöchert ist alles.
Die Schanzen das reine Chaos. In Gravenstein meldete ich mich bei Prinz
Friedrich Karl, der viel zu thun hatte, und nnr zu mir sagte: Guten Tag, lieber
Ser., gehen Sie zum Oberst von Blumenthal. Von diesem und dem Major
von Roos bin ich natürlich ungeheuer ausgequetscht worden, namentlich ist der Prinz
außer sich -- auch der König --, daß so viel schwedische Offiziere und Unter¬
offiziere in dänische Dienste beurlaubt sind. Nachher war ich zur Meldung beim
Prinzen Karl, der sehr gnädig war, mir auf der Karte den ganzen Sturm be¬
schrieb und mir erzählte, daß es gar nicht in dem Tagesbefehl gelegen habe, alle
Schanzen und den Brückenkopf zu nehmen; unsre brave Infanterie wäre aber
nicht zu halten gewesen. Er wollte mir auch krummgeschlagne Gewehre zeigen, sie
waren aber schon eingepackt. Schließlich gab er mir die Hand, und ich hatte mir
noch den alten Wrangel in Flensburg zu überwinden. Er fragte mich, wie mir
dieser Unfall begegnet wäre. Ich erzählte ihm in kurzen Worten alles und mußte
ihm einen schriftlichen Bericht einreichen, worüber ich bis jetzt keinen Bescheid er¬
halten habe. Ich danke Gott, daß ich wieder bei meinem Regiment bin und meine
Pferde Wohl angetroffen habe.

In Kopenhagen hatte ich die Bekanntschaft eines amerikanischen Arztes gemacht,
der mir im Hotel bei Tische gegenübersaß. Er nahm sich unser sehr um, nnr
fuhren mit ihm zusammen uach Charlotteulund und Eremitage.

Die Stimmung in Kopenhagen nach dem Fall von Düppel ist ungeheuer ge¬
drückt, doch denkt man nicht an Frieden. Heute hörte ich, Friderieia sei von den
Dänen geräumt, nun noch Ulsen, und dann ist dieser langweilige unkavalleristische
Feldzug hoffentlich zu Ende. Unsre Infanterie ist über alles Lob erhaben, der
König war zu Thränen gerührt, und unsre gezognen Geschütze sind anerkannt die
besten auf der Welt.

Verzeih die schlechte Schrift, ich kann leider nicht schnell und gut schreiben.
Grüße alle bestens. Meine Pferde sind wohl, der Schimmel wieder dick und munter.

Wir sollten nach Angeln wieder zur Strandwache, haben aber vorläufig wegen
unsrer angegriffenen Pferde hier Nuhequartiere.




Die Geschichte von einem, der nichts durfte
v Lharlotte Niese on

le Kleinstädter nannten de
n alten Grafen den Herrn Darfich.
Und der Name war much sehr bezeichnend, denn wie ein schüch¬
ternes Fragezeichen ging der alte Herr durch die Straßen des
Städtchens; vorsichtig und mit leisem Tritt schlängelte er sich
an den Häusern entlang, und wem er begegnete, dein wich er
in weitem Bogen aus. Nicht, wie man anfangs geglaubt hatte,
aus Hochmut, sondern aus reiner Bescheidenheit. Dadurch zeichnen sich ja nun


Die Geschichte von einem, der nichts dürfte

Ich kann dir den Eindruck, den die Schanzen, der Brückenkopf und Svnder-
bnrg machen, nicht beschreiben. Sonderburg sieht ans, als bedürfe es nur eines
guten Windes, um die noch stehenden Mauern nmzublnsen, so durchlöchert ist alles.
Die Schanzen das reine Chaos. In Gravenstein meldete ich mich bei Prinz
Friedrich Karl, der viel zu thun hatte, und nnr zu mir sagte: Guten Tag, lieber
Ser., gehen Sie zum Oberst von Blumenthal. Von diesem und dem Major
von Roos bin ich natürlich ungeheuer ausgequetscht worden, namentlich ist der Prinz
außer sich — auch der König —, daß so viel schwedische Offiziere und Unter¬
offiziere in dänische Dienste beurlaubt sind. Nachher war ich zur Meldung beim
Prinzen Karl, der sehr gnädig war, mir auf der Karte den ganzen Sturm be¬
schrieb und mir erzählte, daß es gar nicht in dem Tagesbefehl gelegen habe, alle
Schanzen und den Brückenkopf zu nehmen; unsre brave Infanterie wäre aber
nicht zu halten gewesen. Er wollte mir auch krummgeschlagne Gewehre zeigen, sie
waren aber schon eingepackt. Schließlich gab er mir die Hand, und ich hatte mir
noch den alten Wrangel in Flensburg zu überwinden. Er fragte mich, wie mir
dieser Unfall begegnet wäre. Ich erzählte ihm in kurzen Worten alles und mußte
ihm einen schriftlichen Bericht einreichen, worüber ich bis jetzt keinen Bescheid er¬
halten habe. Ich danke Gott, daß ich wieder bei meinem Regiment bin und meine
Pferde Wohl angetroffen habe.

In Kopenhagen hatte ich die Bekanntschaft eines amerikanischen Arztes gemacht,
der mir im Hotel bei Tische gegenübersaß. Er nahm sich unser sehr um, nnr
fuhren mit ihm zusammen uach Charlotteulund und Eremitage.

Die Stimmung in Kopenhagen nach dem Fall von Düppel ist ungeheuer ge¬
drückt, doch denkt man nicht an Frieden. Heute hörte ich, Friderieia sei von den
Dänen geräumt, nun noch Ulsen, und dann ist dieser langweilige unkavalleristische
Feldzug hoffentlich zu Ende. Unsre Infanterie ist über alles Lob erhaben, der
König war zu Thränen gerührt, und unsre gezognen Geschütze sind anerkannt die
besten auf der Welt.

Verzeih die schlechte Schrift, ich kann leider nicht schnell und gut schreiben.
Grüße alle bestens. Meine Pferde sind wohl, der Schimmel wieder dick und munter.

Wir sollten nach Angeln wieder zur Strandwache, haben aber vorläufig wegen
unsrer angegriffenen Pferde hier Nuhequartiere.




Die Geschichte von einem, der nichts durfte
v Lharlotte Niese on

le Kleinstädter nannten de
n alten Grafen den Herrn Darfich.
Und der Name war much sehr bezeichnend, denn wie ein schüch¬
ternes Fragezeichen ging der alte Herr durch die Straßen des
Städtchens; vorsichtig und mit leisem Tritt schlängelte er sich
an den Häusern entlang, und wem er begegnete, dein wich er
in weitem Bogen aus. Nicht, wie man anfangs geglaubt hatte,
aus Hochmut, sondern aus reiner Bescheidenheit. Dadurch zeichnen sich ja nun


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[0257] Die Geschichte von einem, der nichts dürfte Ich kann dir den Eindruck, den die Schanzen, der Brückenkopf und Svnder- bnrg machen, nicht beschreiben. Sonderburg sieht ans, als bedürfe es nur eines guten Windes, um die noch stehenden Mauern nmzublnsen, so durchlöchert ist alles. Die Schanzen das reine Chaos. In Gravenstein meldete ich mich bei Prinz Friedrich Karl, der viel zu thun hatte, und nnr zu mir sagte: Guten Tag, lieber Ser., gehen Sie zum Oberst von Blumenthal. Von diesem und dem Major von Roos bin ich natürlich ungeheuer ausgequetscht worden, namentlich ist der Prinz außer sich — auch der König —, daß so viel schwedische Offiziere und Unter¬ offiziere in dänische Dienste beurlaubt sind. Nachher war ich zur Meldung beim Prinzen Karl, der sehr gnädig war, mir auf der Karte den ganzen Sturm be¬ schrieb und mir erzählte, daß es gar nicht in dem Tagesbefehl gelegen habe, alle Schanzen und den Brückenkopf zu nehmen; unsre brave Infanterie wäre aber nicht zu halten gewesen. Er wollte mir auch krummgeschlagne Gewehre zeigen, sie waren aber schon eingepackt. Schließlich gab er mir die Hand, und ich hatte mir noch den alten Wrangel in Flensburg zu überwinden. Er fragte mich, wie mir dieser Unfall begegnet wäre. Ich erzählte ihm in kurzen Worten alles und mußte ihm einen schriftlichen Bericht einreichen, worüber ich bis jetzt keinen Bescheid er¬ halten habe. Ich danke Gott, daß ich wieder bei meinem Regiment bin und meine Pferde Wohl angetroffen habe. In Kopenhagen hatte ich die Bekanntschaft eines amerikanischen Arztes gemacht, der mir im Hotel bei Tische gegenübersaß. Er nahm sich unser sehr um, nnr fuhren mit ihm zusammen uach Charlotteulund und Eremitage. Die Stimmung in Kopenhagen nach dem Fall von Düppel ist ungeheuer ge¬ drückt, doch denkt man nicht an Frieden. Heute hörte ich, Friderieia sei von den Dänen geräumt, nun noch Ulsen, und dann ist dieser langweilige unkavalleristische Feldzug hoffentlich zu Ende. Unsre Infanterie ist über alles Lob erhaben, der König war zu Thränen gerührt, und unsre gezognen Geschütze sind anerkannt die besten auf der Welt. Verzeih die schlechte Schrift, ich kann leider nicht schnell und gut schreiben. Grüße alle bestens. Meine Pferde sind wohl, der Schimmel wieder dick und munter. Wir sollten nach Angeln wieder zur Strandwache, haben aber vorläufig wegen unsrer angegriffenen Pferde hier Nuhequartiere. Die Geschichte von einem, der nichts durfte v Lharlotte Niese on le Kleinstädter nannten de n alten Grafen den Herrn Darfich. Und der Name war much sehr bezeichnend, denn wie ein schüch¬ ternes Fragezeichen ging der alte Herr durch die Straßen des Städtchens; vorsichtig und mit leisem Tritt schlängelte er sich an den Häusern entlang, und wem er begegnete, dein wich er in weitem Bogen aus. Nicht, wie man anfangs geglaubt hatte, aus Hochmut, sondern aus reiner Bescheidenheit. Dadurch zeichnen sich ja nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/257>, abgerufen am 28.04.2024.