Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht "ur der akademische Rat, sondern die Mehrheit der Dresdner Kunst-
geuosseuschnft ans einem ganz andern Boden künstlerischer Anschauungen als
sie. Wir zweifeln aber daran, daß sich in Dresden zwei Ausstellungen halten
könnten. Ist das in München schon nicht der Fall, trotz seines viel größern
Fremdenverkehrs und der langjährige" Gewöhnung der Bevölkerung an die
Ausstellung, so darf mau erst recht behaupten, daß in Dresden ein derartiges
lluternehmeu aus eine Reihe von Jahre" hinaus geschäftlich uicht lohnen würde,
zumal wen", wie vorgeschlagen worde" ist, de" Sezessiouistcu die Kohle" der
innern Ausstattung der Ausstellungshalle überlassen bliebe". Die Münchner
Genossenschaft hat für die Einrichtung des Glaspalastes im Laufe der Jahre
gegen eine Million Mark aufgewendet, die Sezessivnisten aber dürften kaum
in der Lage sei", auch nur einen Teil dieser Kosten aus eignen Mitteln auf¬
zubringe". Da sie nun zunächst nicht daran de"le", ihre" Wohnsitz von Müuche"
wegzuverlegen, dessen Anziehungskraft für Künstler sich ja auch an ihnen bewährt
hat, so werden wir wohl das Schauspiel erleben, daß sie einer nach dem an¬
dern wieder "in Aufunhme in die Genossenschaft nachsuchen werde", die ihnen
denn anch, wenn sie klug ist, keine großen Schwierigkeiten machen dürfte. Wir
hoffen, daß den Herren die Einsicht von der Notwendigkeit dieses Schrittes
recht bald komme; es wird ihr eigner Vorteil sein, wenn sie durch ihre Teil¬
nahme an den Genosseuschaftsausstell""ge" den Ruf Münchens als Kunst¬
stadt wieder vermehre" helfe", nachdem sie ihn durch ihren Austritt rück¬
sichtslos zu verkümmern bestrebt gewesen sind.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Stellung der konservativen Partei zum Antisemitismus. nach¬
gerade wird es auch dem verbohrtesten Fortschrittsmaune begreiflich, daß der Aru-'
Semitismus eine Erscheinung ist, die weder niedergeschrieen noch totgeschwiegen werden
tun". Die Wahl Ahlwardts in Arnswalde und der Verlauf des letzten kvnserva>
tiven Parteitags reden eine so deutliche Sprache, daß auch die hören müsse", die
bisher nicht haben hören wollen. Im Stammlande der preußischen Monarchie haben
Tausende von tönigstreneu, konservativen, ehrenfester Männern einen Antisemiten
von mindestens zweifelhaftem Rufe gewählt, und unter dem Rufe: Ahlwardt! ist
in Berlin zu Gerichte gesessen worden über die bisherige Leitung der konservativen
Partei. Man mag die Wahl AhtwardtS betrübend und die Haltung der großen
Masse der konservativen Abgesandten aus dein Parteitage tadelnswert finden, man
mag die demagogischen Formen, in denen sich die Pnrteiversammlnng gegenüber
den allen Parteihiinptern gefiel, für unvereinbar halten mit konservativer Art, man
mag darüber klage", daß der Parteitag mehr einer lärmenden antisemitischen Volks¬
versammlung, als einer Versammlung ruhiger Männer glich, die "in ernster Arbeit
und von hohen politischen Ziele" geleitet der Herausgestaltnng des ihnen Gemein-
samen oblagen," aber man wird dadurch die entscheidende Thatsache uicht aus der


nicht »ur der akademische Rat, sondern die Mehrheit der Dresdner Kunst-
geuosseuschnft ans einem ganz andern Boden künstlerischer Anschauungen als
sie. Wir zweifeln aber daran, daß sich in Dresden zwei Ausstellungen halten
könnten. Ist das in München schon nicht der Fall, trotz seines viel größern
Fremdenverkehrs und der langjährige» Gewöhnung der Bevölkerung an die
Ausstellung, so darf mau erst recht behaupten, daß in Dresden ein derartiges
lluternehmeu aus eine Reihe von Jahre» hinaus geschäftlich uicht lohnen würde,
zumal wen», wie vorgeschlagen worde» ist, de» Sezessiouistcu die Kohle» der
innern Ausstattung der Ausstellungshalle überlassen bliebe». Die Münchner
Genossenschaft hat für die Einrichtung des Glaspalastes im Laufe der Jahre
gegen eine Million Mark aufgewendet, die Sezessivnisten aber dürften kaum
in der Lage sei», auch nur einen Teil dieser Kosten aus eignen Mitteln auf¬
zubringe». Da sie nun zunächst nicht daran de»le», ihre» Wohnsitz von Müuche»
wegzuverlegen, dessen Anziehungskraft für Künstler sich ja auch an ihnen bewährt
hat, so werden wir wohl das Schauspiel erleben, daß sie einer nach dem an¬
dern wieder »in Aufunhme in die Genossenschaft nachsuchen werde», die ihnen
denn anch, wenn sie klug ist, keine großen Schwierigkeiten machen dürfte. Wir
hoffen, daß den Herren die Einsicht von der Notwendigkeit dieses Schrittes
recht bald komme; es wird ihr eigner Vorteil sein, wenn sie durch ihre Teil¬
nahme an den Genosseuschaftsausstell»»ge» den Ruf Münchens als Kunst¬
stadt wieder vermehre» helfe», nachdem sie ihn durch ihren Austritt rück¬
sichtslos zu verkümmern bestrebt gewesen sind.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Stellung der konservativen Partei zum Antisemitismus. nach¬
gerade wird es auch dem verbohrtesten Fortschrittsmaune begreiflich, daß der Aru-'
Semitismus eine Erscheinung ist, die weder niedergeschrieen noch totgeschwiegen werden
tun». Die Wahl Ahlwardts in Arnswalde und der Verlauf des letzten kvnserva>
tiven Parteitags reden eine so deutliche Sprache, daß auch die hören müsse», die
bisher nicht haben hören wollen. Im Stammlande der preußischen Monarchie haben
Tausende von tönigstreneu, konservativen, ehrenfester Männern einen Antisemiten
von mindestens zweifelhaftem Rufe gewählt, und unter dem Rufe: Ahlwardt! ist
in Berlin zu Gerichte gesessen worden über die bisherige Leitung der konservativen
Partei. Man mag die Wahl AhtwardtS betrübend und die Haltung der großen
Masse der konservativen Abgesandten aus dein Parteitage tadelnswert finden, man
mag die demagogischen Formen, in denen sich die Pnrteiversammlnng gegenüber
den allen Parteihiinptern gefiel, für unvereinbar halten mit konservativer Art, man
mag darüber klage», daß der Parteitag mehr einer lärmenden antisemitischen Volks¬
versammlung, als einer Versammlung ruhiger Männer glich, die „in ernster Arbeit
und von hohen politischen Ziele» geleitet der Herausgestaltnng des ihnen Gemein-
samen oblagen," aber man wird dadurch die entscheidende Thatsache uicht aus der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213853"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_173" prev="#ID_172"> nicht »ur der akademische Rat, sondern die Mehrheit der Dresdner Kunst-<lb/>
geuosseuschnft ans einem ganz andern Boden künstlerischer Anschauungen als<lb/>
sie. Wir zweifeln aber daran, daß sich in Dresden zwei Ausstellungen halten<lb/>
könnten. Ist das in München schon nicht der Fall, trotz seines viel größern<lb/>
Fremdenverkehrs und der langjährige» Gewöhnung der Bevölkerung an die<lb/>
Ausstellung, so darf mau erst recht behaupten, daß in Dresden ein derartiges<lb/>
lluternehmeu aus eine Reihe von Jahre» hinaus geschäftlich uicht lohnen würde,<lb/>
zumal wen», wie vorgeschlagen worde» ist, de» Sezessiouistcu die Kohle» der<lb/>
innern Ausstattung der Ausstellungshalle überlassen bliebe». Die Münchner<lb/>
Genossenschaft hat für die Einrichtung des Glaspalastes im Laufe der Jahre<lb/>
gegen eine Million Mark aufgewendet, die Sezessivnisten aber dürften kaum<lb/>
in der Lage sei», auch nur einen Teil dieser Kosten aus eignen Mitteln auf¬<lb/>
zubringe». Da sie nun zunächst nicht daran de»le», ihre» Wohnsitz von Müuche»<lb/>
wegzuverlegen, dessen Anziehungskraft für Künstler sich ja auch an ihnen bewährt<lb/>
hat, so werden wir wohl das Schauspiel erleben, daß sie einer nach dem an¬<lb/>
dern wieder »in Aufunhme in die Genossenschaft nachsuchen werde», die ihnen<lb/>
denn anch, wenn sie klug ist, keine großen Schwierigkeiten machen dürfte. Wir<lb/>
hoffen, daß den Herren die Einsicht von der Notwendigkeit dieses Schrittes<lb/>
recht bald komme; es wird ihr eigner Vorteil sein, wenn sie durch ihre Teil¬<lb/>
nahme an den Genosseuschaftsausstell»»ge» den Ruf Münchens als Kunst¬<lb/>
stadt wieder vermehre» helfe», nachdem sie ihn durch ihren Austritt rück¬<lb/>
sichtslos zu verkümmern bestrebt gewesen sind.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/>
          <p xml:id="ID_174"> Die Stellung der konservativen Partei zum Antisemitismus. nach¬<lb/>
gerade wird es auch dem verbohrtesten Fortschrittsmaune begreiflich, daß der Aru-'<lb/>
Semitismus eine Erscheinung ist, die weder niedergeschrieen noch totgeschwiegen werden<lb/>
tun». Die Wahl Ahlwardts in Arnswalde und der Verlauf des letzten kvnserva&gt;<lb/>
tiven Parteitags reden eine so deutliche Sprache, daß auch die hören müsse», die<lb/>
bisher nicht haben hören wollen. Im Stammlande der preußischen Monarchie haben<lb/>
Tausende von tönigstreneu, konservativen, ehrenfester Männern einen Antisemiten<lb/>
von mindestens zweifelhaftem Rufe gewählt, und unter dem Rufe: Ahlwardt! ist<lb/>
in Berlin zu Gerichte gesessen worden über die bisherige Leitung der konservativen<lb/>
Partei. Man mag die Wahl AhtwardtS betrübend und die Haltung der großen<lb/>
Masse der konservativen Abgesandten aus dein Parteitage tadelnswert finden, man<lb/>
mag die demagogischen Formen, in denen sich die Pnrteiversammlnng gegenüber<lb/>
den allen Parteihiinptern gefiel, für unvereinbar halten mit konservativer Art, man<lb/>
mag darüber klage», daß der Parteitag mehr einer lärmenden antisemitischen Volks¬<lb/>
versammlung, als einer Versammlung ruhiger Männer glich, die &#x201E;in ernster Arbeit<lb/>
und von hohen politischen Ziele» geleitet der Herausgestaltnng des ihnen Gemein-<lb/>
samen oblagen," aber man wird dadurch die entscheidende Thatsache uicht aus der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0061] nicht »ur der akademische Rat, sondern die Mehrheit der Dresdner Kunst- geuosseuschnft ans einem ganz andern Boden künstlerischer Anschauungen als sie. Wir zweifeln aber daran, daß sich in Dresden zwei Ausstellungen halten könnten. Ist das in München schon nicht der Fall, trotz seines viel größern Fremdenverkehrs und der langjährige» Gewöhnung der Bevölkerung an die Ausstellung, so darf mau erst recht behaupten, daß in Dresden ein derartiges lluternehmeu aus eine Reihe von Jahre» hinaus geschäftlich uicht lohnen würde, zumal wen», wie vorgeschlagen worde» ist, de» Sezessiouistcu die Kohle» der innern Ausstattung der Ausstellungshalle überlassen bliebe». Die Münchner Genossenschaft hat für die Einrichtung des Glaspalastes im Laufe der Jahre gegen eine Million Mark aufgewendet, die Sezessivnisten aber dürften kaum in der Lage sei», auch nur einen Teil dieser Kosten aus eignen Mitteln auf¬ zubringe». Da sie nun zunächst nicht daran de»le», ihre» Wohnsitz von Müuche» wegzuverlegen, dessen Anziehungskraft für Künstler sich ja auch an ihnen bewährt hat, so werden wir wohl das Schauspiel erleben, daß sie einer nach dem an¬ dern wieder »in Aufunhme in die Genossenschaft nachsuchen werde», die ihnen denn anch, wenn sie klug ist, keine großen Schwierigkeiten machen dürfte. Wir hoffen, daß den Herren die Einsicht von der Notwendigkeit dieses Schrittes recht bald komme; es wird ihr eigner Vorteil sein, wenn sie durch ihre Teil¬ nahme an den Genosseuschaftsausstell»»ge» den Ruf Münchens als Kunst¬ stadt wieder vermehre» helfe», nachdem sie ihn durch ihren Austritt rück¬ sichtslos zu verkümmern bestrebt gewesen sind. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Stellung der konservativen Partei zum Antisemitismus. nach¬ gerade wird es auch dem verbohrtesten Fortschrittsmaune begreiflich, daß der Aru-' Semitismus eine Erscheinung ist, die weder niedergeschrieen noch totgeschwiegen werden tun». Die Wahl Ahlwardts in Arnswalde und der Verlauf des letzten kvnserva> tiven Parteitags reden eine so deutliche Sprache, daß auch die hören müsse», die bisher nicht haben hören wollen. Im Stammlande der preußischen Monarchie haben Tausende von tönigstreneu, konservativen, ehrenfester Männern einen Antisemiten von mindestens zweifelhaftem Rufe gewählt, und unter dem Rufe: Ahlwardt! ist in Berlin zu Gerichte gesessen worden über die bisherige Leitung der konservativen Partei. Man mag die Wahl AhtwardtS betrübend und die Haltung der großen Masse der konservativen Abgesandten aus dein Parteitage tadelnswert finden, man mag die demagogischen Formen, in denen sich die Pnrteiversammlnng gegenüber den allen Parteihiinptern gefiel, für unvereinbar halten mit konservativer Art, man mag darüber klage», daß der Parteitag mehr einer lärmenden antisemitischen Volks¬ versammlung, als einer Versammlung ruhiger Männer glich, die „in ernster Arbeit und von hohen politischen Ziele» geleitet der Herausgestaltnng des ihnen Gemein- samen oblagen," aber man wird dadurch die entscheidende Thatsache uicht aus der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/61
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/61>, abgerufen am 28.04.2024.