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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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lands hcrvvrgcgai?gen ist, denn nur ein konservativer preußischer Edelmann, der
deutsch empfand, kannte Dentschland neugestalten.

Mit dem Ende des Jahres 1852 schließt der erste Band der Denkwürdig¬
keiten. Ein zweiter Aufsatz soll später die Thätigkeit Gerlachs in den letzten
Jahren Friedrich Wilhelms IV. und unter der Regentschaft würdigen.




Die Grenzen der Rechtsprechung
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or etwa Jahresfrist habe ich in diesen Blättern einen Bnch-
händlerprvzeß besprachen, dessen Entscheidung durch das Reichs¬
gericht in deu Kreisen der Buchhändler großes Aufsehen erregt
hatte. Der Vorstand des Börsenvereius zu Leipzig hatte nach
einem von dem. Verein gefaßten Beschluß, wonach gegen die
sogenannten Schleuderer im Buchhandel mit voller Strenge vorgegangen werden
sollte, in einer Veröffentlichung die Berliner Firma Mayer und Müller als
Schleuderer bezeichnet und die Mitglieder aufgefordert, dieser Firma keine
weiteren Verlagsartikel zu liefern. Die genannte Firma verklagte darauf zwei
in Berlin wohnende Vorstandsmitglieder auf Schadenersatz. Das Landgericht
und das Kammergericht in Berlin wiesen die Klage als unbegründet ab. Das
Reichsgericht aber, um das nunmehr die Sache kam, erklärte deu Schaden¬
ersatzanspruch für begründet. In dem Urteil wird die Sache so hingestellt,
als ob der Betrieb eines Gewerbes ein absolutes Recht, gleichsam ein Eigen¬
tum bilde, in das niemand, wenn er nicht ein besondres Recht dazu nach¬
weisen könne, schädigend eingreifen dürfe. Darnach sind dann auch schließlich,
nachdem der Prozeß sechs Instanzen durchlaufen hatte, die beiden Verklagten
dnrch Urteil des Kammergerichts vom 25. November 1892 zur Zahlung von
2100 Mark Schadenersatz verurteilt worden.

Übereinstimmend mit dem größten Teile des Bnchhändlerstandes konnte
ich das Urteil des Reichsgerichts nicht dem Rechte für entsprechend halten
und führte diese Ansicht in dem oben erwähnten Aufsätze aus. Bei dem auf¬
fallenden Widerspruch, in dein sich das Urteil zu allen bisher für maßgebend
gehaltnen Rechtsgrundsätzen stellte, und bei der übermäßigen Ausführlich¬
keit seiner Begründung konnte man damals wohl schon ahnen, daß noch
etwas tieferes dahinter stecke. Inzwischen hat nun Wiener (Senatspräsideut
beim Reichsgericht und vor Jahresfrist noch Mitglied des ersten Senats, der
jenes Urteil gegeben hat) eine Verteidigung des Urteils unternommen und


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deutsch empfand, kannte Dentschland neugestalten.

Mit dem Ende des Jahres 1852 schließt der erste Band der Denkwürdig¬
keiten. Ein zweiter Aufsatz soll später die Thätigkeit Gerlachs in den letzten
Jahren Friedrich Wilhelms IV. und unter der Regentschaft würdigen.




Die Grenzen der Rechtsprechung
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or etwa Jahresfrist habe ich in diesen Blättern einen Bnch-
händlerprvzeß besprachen, dessen Entscheidung durch das Reichs¬
gericht in deu Kreisen der Buchhändler großes Aufsehen erregt
hatte. Der Vorstand des Börsenvereius zu Leipzig hatte nach
einem von dem. Verein gefaßten Beschluß, wonach gegen die
sogenannten Schleuderer im Buchhandel mit voller Strenge vorgegangen werden
sollte, in einer Veröffentlichung die Berliner Firma Mayer und Müller als
Schleuderer bezeichnet und die Mitglieder aufgefordert, dieser Firma keine
weiteren Verlagsartikel zu liefern. Die genannte Firma verklagte darauf zwei
in Berlin wohnende Vorstandsmitglieder auf Schadenersatz. Das Landgericht
und das Kammergericht in Berlin wiesen die Klage als unbegründet ab. Das
Reichsgericht aber, um das nunmehr die Sache kam, erklärte deu Schaden¬
ersatzanspruch für begründet. In dem Urteil wird die Sache so hingestellt,
als ob der Betrieb eines Gewerbes ein absolutes Recht, gleichsam ein Eigen¬
tum bilde, in das niemand, wenn er nicht ein besondres Recht dazu nach¬
weisen könne, schädigend eingreifen dürfe. Darnach sind dann auch schließlich,
nachdem der Prozeß sechs Instanzen durchlaufen hatte, die beiden Verklagten
dnrch Urteil des Kammergerichts vom 25. November 1892 zur Zahlung von
2100 Mark Schadenersatz verurteilt worden.

Übereinstimmend mit dem größten Teile des Bnchhändlerstandes konnte
ich das Urteil des Reichsgerichts nicht dem Rechte für entsprechend halten
und führte diese Ansicht in dem oben erwähnten Aufsätze aus. Bei dem auf¬
fallenden Widerspruch, in dein sich das Urteil zu allen bisher für maßgebend
gehaltnen Rechtsgrundsätzen stellte, und bei der übermäßigen Ausführlich¬
keit seiner Begründung konnte man damals wohl schon ahnen, daß noch
etwas tieferes dahinter stecke. Inzwischen hat nun Wiener (Senatspräsideut
beim Reichsgericht und vor Jahresfrist noch Mitglied des ersten Senats, der
jenes Urteil gegeben hat) eine Verteidigung des Urteils unternommen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/645>, abgerufen am 28.04.2024.