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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte >"-x Heinze

dabei ein weiter Spielraum gelassen, so weit, als es nur möglich und zulässig
ist. Sind doch die Verhältnisse des sittlichen Lebens so verwickelt, daß sich
in der Anwendung der sittlichen Ideen auf einzelne Vorkommnisse im Lebe"
die subjektive Auffassung reichlich bethätigen kann.

Nicht um Auffindung neuer ethischer Ideen handelt es sich, sondern
um ihre Verwirklichung in unserm Leben. Dieses soll von ihnen erfüllt und
durchdrungen sein. Dafür möge mau kämpfen und ringen, der einzelne wie
die Gesamtheit. Wenn es jetzt Mode zu werden beginnt, auch die Sittlichkeit
reformiren zu wollen, da eben alles reformirt werden muß, so ist es Zeit,
dieser krankhaften Sucht das Goethische Wort entgegenzuhalten: "Mag die
geistige Kultur nur immer fortschreiten, der menschliche Geist sich erweitern,
wie er will, über die Hoheit und sittliche Kultur des Christentums wird er
nicht hinauskommen."




Die sogenannte lex Heinze

er Gesetzentwurf
, der unter dem 29. November v. I. dem Reichs¬
tage vorgelegt worden ist, und über den am ^. Dezember
die allgemeine Besprechung begonnen hat, verfolgt im wesent¬
lichen drei Ziele: Erhöhung des Strafmaßes für einzelne straf¬
bare Handlungen, Erweiterung des Kreises der strafbare" Hand¬
lungen und Verschärfung der Strafvollziehung.

1. Eine Erhöhung des Strafmaßes soll bei der Kuppelei und den: Ver¬
kauf unzüchtiger Schriften eintreten. Nach 180 und 16 des Strafgesetz¬
buchs wird die einfache Kuppelei mit Gefängnis von einem Tage bis z" fünf
Jahren bestraft; auch kau" daneben auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
sowie auf Zulüssigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Nach dem Ent¬
würfe soll die Gefängnisstrafe mit einem Monat beginne", und neben Ehr¬
verlust und Polizeiaufsicht soll auch noch auf Geldstrafe von hundertundfunfzig
bis sechshundert Mark erkannt werden können. Die schwere Kuppelei (Anwen¬
dung hinterlistiger Kunstgriffe u.s.w.) wird nach 181 und 14 des Strafgesetzbuchs
mit Zuchthaus von einem bis zu fünf Jahren bestraft; außerdem muß der
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen werden, und es kann auf
Zulässigkeit vo" Polizeiaufsicht erkannt werden. Nach dem Entwürfe soll
neben den Strafen des t? 181 zugleich auch noch auf eine Geldstrafe von
hundertundfunfzig bis sechstausend Mark erkannt werden können. Die Erhöhung
der Strafe soll also darin bestehen, daß neben den bisher zulässigen Strafen


Die sogenannte >«-x Heinze

dabei ein weiter Spielraum gelassen, so weit, als es nur möglich und zulässig
ist. Sind doch die Verhältnisse des sittlichen Lebens so verwickelt, daß sich
in der Anwendung der sittlichen Ideen auf einzelne Vorkommnisse im Lebe»
die subjektive Auffassung reichlich bethätigen kann.

Nicht um Auffindung neuer ethischer Ideen handelt es sich, sondern
um ihre Verwirklichung in unserm Leben. Dieses soll von ihnen erfüllt und
durchdrungen sein. Dafür möge mau kämpfen und ringen, der einzelne wie
die Gesamtheit. Wenn es jetzt Mode zu werden beginnt, auch die Sittlichkeit
reformiren zu wollen, da eben alles reformirt werden muß, so ist es Zeit,
dieser krankhaften Sucht das Goethische Wort entgegenzuhalten: „Mag die
geistige Kultur nur immer fortschreiten, der menschliche Geist sich erweitern,
wie er will, über die Hoheit und sittliche Kultur des Christentums wird er
nicht hinauskommen."




Die sogenannte lex Heinze

er Gesetzentwurf
, der unter dem 29. November v. I. dem Reichs¬
tage vorgelegt worden ist, und über den am ^. Dezember
die allgemeine Besprechung begonnen hat, verfolgt im wesent¬
lichen drei Ziele: Erhöhung des Strafmaßes für einzelne straf¬
bare Handlungen, Erweiterung des Kreises der strafbare» Hand¬
lungen und Verschärfung der Strafvollziehung.

1. Eine Erhöhung des Strafmaßes soll bei der Kuppelei und den: Ver¬
kauf unzüchtiger Schriften eintreten. Nach 180 und 16 des Strafgesetz¬
buchs wird die einfache Kuppelei mit Gefängnis von einem Tage bis z» fünf
Jahren bestraft; auch kau» daneben auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
sowie auf Zulüssigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Nach dem Ent¬
würfe soll die Gefängnisstrafe mit einem Monat beginne», und neben Ehr¬
verlust und Polizeiaufsicht soll auch noch auf Geldstrafe von hundertundfunfzig
bis sechshundert Mark erkannt werden können. Die schwere Kuppelei (Anwen¬
dung hinterlistiger Kunstgriffe u.s.w.) wird nach 181 und 14 des Strafgesetzbuchs
mit Zuchthaus von einem bis zu fünf Jahren bestraft; außerdem muß der
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen werden, und es kann auf
Zulässigkeit vo» Polizeiaufsicht erkannt werden. Nach dem Entwürfe soll
neben den Strafen des t? 181 zugleich auch noch auf eine Geldstrafe von
hundertundfunfzig bis sechstausend Mark erkannt werden können. Die Erhöhung
der Strafe soll also darin bestehen, daß neben den bisher zulässigen Strafen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/72>, abgerufen am 28.04.2024.