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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

5 7 in Verbindung mit A 48 des Strafgesetzbuchs abgeleitet werden soll. Ich
würde es theoretisch und praktisch für richtiger halten, wenn die Verleitung
als selbständiges Vergehen hingestellt und bezüglich des Versuchs die Sprache
des Strafgesetzbuchs eingehalten würde. Dabei möchte ich vorschlagen, dem
Paragraphen noch einen Zusatz zu geben, der da, wo eine eigentliche Verlei¬
tung nicht nachzuweisen ist, doch praktisch das Richtige treffen würde. ^ 8
wäre hiernach etwa so fassen:

Gleicher Strafe und gleicher Verpflichtung unterliegt der, der einen zur Ge¬
heimhaltung Verpflichteten zum Bruch des Geheimnisses verleitet. Auch der Versuch
der Verleitung ist strafbar. Als Verteiler ist auch anzusehen, wer einen solchen,
der ihm Geheimnisse eines andern Geschäfts verraten hat, dafür belohnt oder in
feinen Dienst nimmt.




Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

err v. Mcissow hat das siebente Kapitel seines Buches über¬
schrieben: Reform der Staatsverwaltung. Er giebt aus eigner
genauer Kenntnis ein wenig erfreuliches, aber richtiges Bild
von den Verhältnissen in der preußischen Verwaltung und macht
Reformvorschläge, die im wesentlichen in der Forderung gipfeln:
Dezentralisation an Stelle der Zentralisation, allgemeine Ausbildung der Be¬
amten und kein Spezialismus, Kenntnis des Landes und keine Theorie. Eine
Dezentralisation der Verwaltung könnte freilich nur durch eine Änderung unsrer
Gesetze herbeigeführt werden; für die Erfüllung der übrigen Forderungen aber
könnte auf dem Verwaltungswege und ohne große Kosten schon viel geschehen.
Nur dieser Teil des Massowschen Programms soll uns deshalb hier be¬
schäftigen.

Ist es richtig, daß bei uns nicht mehr verwaltet wird im Sinne eines
Vincke, daß man vielmehr von einem Tage zum andern fvrtwirtschaftct, un¬
bekümmert um die Zukunft, so folgt daraus, daß wir in der Verwaltung
einen Nachwuchs erziehen müssen, der Land und Leute kennt und fähig ist,
seinen vornehmen Beruf wirklich zu erfüllen. Um zu erkennen, was in dieser
Beziehung zu geschehen hätte, ist es notwendig, sich klar zu machen, in welcher
Lage sich unsre jungen Verwaltungsbeamten befinden und welche Ausbildung
sie genießen. Vor kurzem sind in diesen Blättern unter der Überschrift
"Schutt und Bausteine" die Zustünde in der Justiz scharf gegeißelt worden;
der Leser wird erstaunt sein, wenn er hört, daß die Verhältnisse in der Ver¬
waltung kaum besser sind.

Im Gegensatz zur Justiz ist in der Verwaltung genau vorgeschrieben,


Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

5 7 in Verbindung mit A 48 des Strafgesetzbuchs abgeleitet werden soll. Ich
würde es theoretisch und praktisch für richtiger halten, wenn die Verleitung
als selbständiges Vergehen hingestellt und bezüglich des Versuchs die Sprache
des Strafgesetzbuchs eingehalten würde. Dabei möchte ich vorschlagen, dem
Paragraphen noch einen Zusatz zu geben, der da, wo eine eigentliche Verlei¬
tung nicht nachzuweisen ist, doch praktisch das Richtige treffen würde. ^ 8
wäre hiernach etwa so fassen:

Gleicher Strafe und gleicher Verpflichtung unterliegt der, der einen zur Ge¬
heimhaltung Verpflichteten zum Bruch des Geheimnisses verleitet. Auch der Versuch
der Verleitung ist strafbar. Als Verteiler ist auch anzusehen, wer einen solchen,
der ihm Geheimnisse eines andern Geschäfts verraten hat, dafür belohnt oder in
feinen Dienst nimmt.




Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

err v. Mcissow hat das siebente Kapitel seines Buches über¬
schrieben: Reform der Staatsverwaltung. Er giebt aus eigner
genauer Kenntnis ein wenig erfreuliches, aber richtiges Bild
von den Verhältnissen in der preußischen Verwaltung und macht
Reformvorschläge, die im wesentlichen in der Forderung gipfeln:
Dezentralisation an Stelle der Zentralisation, allgemeine Ausbildung der Be¬
amten und kein Spezialismus, Kenntnis des Landes und keine Theorie. Eine
Dezentralisation der Verwaltung könnte freilich nur durch eine Änderung unsrer
Gesetze herbeigeführt werden; für die Erfüllung der übrigen Forderungen aber
könnte auf dem Verwaltungswege und ohne große Kosten schon viel geschehen.
Nur dieser Teil des Massowschen Programms soll uns deshalb hier be¬
schäftigen.

Ist es richtig, daß bei uns nicht mehr verwaltet wird im Sinne eines
Vincke, daß man vielmehr von einem Tage zum andern fvrtwirtschaftct, un¬
bekümmert um die Zukunft, so folgt daraus, daß wir in der Verwaltung
einen Nachwuchs erziehen müssen, der Land und Leute kennt und fähig ist,
seinen vornehmen Beruf wirklich zu erfüllen. Um zu erkennen, was in dieser
Beziehung zu geschehen hätte, ist es notwendig, sich klar zu machen, in welcher
Lage sich unsre jungen Verwaltungsbeamten befinden und welche Ausbildung
sie genießen. Vor kurzem sind in diesen Blättern unter der Überschrift
„Schutt und Bausteine" die Zustünde in der Justiz scharf gegeißelt worden;
der Leser wird erstaunt sein, wenn er hört, daß die Verhältnisse in der Ver¬
waltung kaum besser sind.

Im Gegensatz zur Justiz ist in der Verwaltung genau vorgeschrieben,


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[0171] Die Zustände in der Verwaltung in Preußen 5 7 in Verbindung mit A 48 des Strafgesetzbuchs abgeleitet werden soll. Ich würde es theoretisch und praktisch für richtiger halten, wenn die Verleitung als selbständiges Vergehen hingestellt und bezüglich des Versuchs die Sprache des Strafgesetzbuchs eingehalten würde. Dabei möchte ich vorschlagen, dem Paragraphen noch einen Zusatz zu geben, der da, wo eine eigentliche Verlei¬ tung nicht nachzuweisen ist, doch praktisch das Richtige treffen würde. ^ 8 wäre hiernach etwa so fassen: Gleicher Strafe und gleicher Verpflichtung unterliegt der, der einen zur Ge¬ heimhaltung Verpflichteten zum Bruch des Geheimnisses verleitet. Auch der Versuch der Verleitung ist strafbar. Als Verteiler ist auch anzusehen, wer einen solchen, der ihm Geheimnisse eines andern Geschäfts verraten hat, dafür belohnt oder in feinen Dienst nimmt. Die Zustände in der Verwaltung in Preußen err v. Mcissow hat das siebente Kapitel seines Buches über¬ schrieben: Reform der Staatsverwaltung. Er giebt aus eigner genauer Kenntnis ein wenig erfreuliches, aber richtiges Bild von den Verhältnissen in der preußischen Verwaltung und macht Reformvorschläge, die im wesentlichen in der Forderung gipfeln: Dezentralisation an Stelle der Zentralisation, allgemeine Ausbildung der Be¬ amten und kein Spezialismus, Kenntnis des Landes und keine Theorie. Eine Dezentralisation der Verwaltung könnte freilich nur durch eine Änderung unsrer Gesetze herbeigeführt werden; für die Erfüllung der übrigen Forderungen aber könnte auf dem Verwaltungswege und ohne große Kosten schon viel geschehen. Nur dieser Teil des Massowschen Programms soll uns deshalb hier be¬ schäftigen. Ist es richtig, daß bei uns nicht mehr verwaltet wird im Sinne eines Vincke, daß man vielmehr von einem Tage zum andern fvrtwirtschaftct, un¬ bekümmert um die Zukunft, so folgt daraus, daß wir in der Verwaltung einen Nachwuchs erziehen müssen, der Land und Leute kennt und fähig ist, seinen vornehmen Beruf wirklich zu erfüllen. Um zu erkennen, was in dieser Beziehung zu geschehen hätte, ist es notwendig, sich klar zu machen, in welcher Lage sich unsre jungen Verwaltungsbeamten befinden und welche Ausbildung sie genießen. Vor kurzem sind in diesen Blättern unter der Überschrift „Schutt und Bausteine" die Zustünde in der Justiz scharf gegeißelt worden; der Leser wird erstaunt sein, wenn er hört, daß die Verhältnisse in der Ver¬ waltung kaum besser sind. Im Gegensatz zur Justiz ist in der Verwaltung genau vorgeschrieben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/171>, abgerufen am 28.04.2024.