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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die offiziöse Presse

is an die Stelle des neuen Kurses der neueste trat, erscholl der
Ruf, daß eines seiner ersten Werke eine Reorganisation der
offiziösen Presse sein werde, wie ja etwas ähnliches auch zu den
Aufgaben gehörte, die sich der neue Kurs seinerzeit gestellt
hatte. Aber dieser blieb uns die Lösung der Aufgelde schuldig,
und bis jetzt hat es leider auch noch nicht den Anschein, daß sein Nachfolger
eine glücklichere Hand haben werde. Man hat sich das Werk damals wie
jetzt wohl leichter gedacht, als es ist, und zwar deshalb, weil man das
Gebiet, um dessen Verbesserung es sich handelte, offenbar nur ungenügend
kannte. Wir wollen einmal untersuchen, erstens, was denn eigentlich die offi¬
ziöse Presse ist, zweitens, welche Aufgaben sie zu losen hat, und drittens, wie
sie beschaffen sein muß, wenn ihr die Erfüllung dieser Aufgaben gelingen soll.

Es giebt kaum einen unbestimmteren Begriff als den der offiziösen Presse.
Unter der Regierung des Fürsten Bismarck hatte sich geradezu die Unart
ausgebildet, jedes Blatt, das die Bismarckische Politik zu der seinigen gemacht
hatte, jeden Brief, der eine Bismarckische Regierungsmaßregcl verteidigte, jede"
Journalisten, der in den grundlegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Fragen auf Seiten des großen Mannes stand, als "offiziös" zu bezeichnen.
Es geschah das in der deutlichen Absicht, den betreffenden Zeitungen, Briefe"
und Männern den Kredit abzuschneiden, ihre regierungsfreundlichen Äußerungen
als bezahlte Arbeit bestochner Subjekte hinzustellen, als Auslassungen zu brand¬
marken, denen schon deshalb, weil sie Pläne und Handlunge" der Regierung
billigte", irgend welche überzeugende Kraft nicht inuewohne. Dieses ehrab¬
schneiderische Verfahren stand namentlich zur Zeit der Kämpfe um die Wirt¬
schaftspolitik des Fürsten Bismarck von 1879 und um das Tabaksmonopol
in üppigster Blüte, und freihändlerische und mvnopolfemdliche Zeitungen. die


Greiizboten I 1895 25


Die offiziöse Presse

is an die Stelle des neuen Kurses der neueste trat, erscholl der
Ruf, daß eines seiner ersten Werke eine Reorganisation der
offiziösen Presse sein werde, wie ja etwas ähnliches auch zu den
Aufgaben gehörte, die sich der neue Kurs seinerzeit gestellt
hatte. Aber dieser blieb uns die Lösung der Aufgelde schuldig,
und bis jetzt hat es leider auch noch nicht den Anschein, daß sein Nachfolger
eine glücklichere Hand haben werde. Man hat sich das Werk damals wie
jetzt wohl leichter gedacht, als es ist, und zwar deshalb, weil man das
Gebiet, um dessen Verbesserung es sich handelte, offenbar nur ungenügend
kannte. Wir wollen einmal untersuchen, erstens, was denn eigentlich die offi¬
ziöse Presse ist, zweitens, welche Aufgaben sie zu losen hat, und drittens, wie
sie beschaffen sein muß, wenn ihr die Erfüllung dieser Aufgaben gelingen soll.

Es giebt kaum einen unbestimmteren Begriff als den der offiziösen Presse.
Unter der Regierung des Fürsten Bismarck hatte sich geradezu die Unart
ausgebildet, jedes Blatt, das die Bismarckische Politik zu der seinigen gemacht
hatte, jeden Brief, der eine Bismarckische Regierungsmaßregcl verteidigte, jede»
Journalisten, der in den grundlegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Fragen auf Seiten des großen Mannes stand, als „offiziös" zu bezeichnen.
Es geschah das in der deutlichen Absicht, den betreffenden Zeitungen, Briefe»
und Männern den Kredit abzuschneiden, ihre regierungsfreundlichen Äußerungen
als bezahlte Arbeit bestochner Subjekte hinzustellen, als Auslassungen zu brand¬
marken, denen schon deshalb, weil sie Pläne und Handlunge» der Regierung
billigte», irgend welche überzeugende Kraft nicht inuewohne. Dieses ehrab¬
schneiderische Verfahren stand namentlich zur Zeit der Kämpfe um die Wirt¬
schaftspolitik des Fürsten Bismarck von 1879 und um das Tabaksmonopol
in üppigster Blüte, und freihändlerische und mvnopolfemdliche Zeitungen. die


Greiizboten I 1895 25
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/201>, abgerufen am 28.04.2024.