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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Victor Aias Huber

Wie aber soll festgestellt werden, welche Ortschaften auszuwählen sind?
Ganz einfach: durch Ausarbeitung der Dorfbilanzen.

Sehr leicht ließe sich das mit der nächsten Volkszählung verbinden. Es
konnte aber auch zu beliebiger andrer Zeit geschehen. Der Landrat, der ein
Interesse hat, die Bilanzen der Ortschaften seines Kreises kennen zu lernen,
brauchte bloß nach der von uns besprochnen Dorfbilanz eine" Fragebogen durch
die Bürgermeister, Amtmänner oder Ortsvorsteher ausfüllen zu lassen. Die
Ergebnisse übersichtlich zusammenzustellen, dazu würden die Kreisbeamten für
das Rechnungswesen ausreichen. Das Ergebnis würde auf manchen Lnndrat
verblüffend wirken und ihm zweifellos eine wirksame Hilfe gewähren, wenn er
ungewöhnliche Zuschüsse von Staat oder Provinz zu begründen hätte. In den
meisten Fällen weiß er zwar heute schon, welche Gemeinden wohlhabend, welche
arm sind ; wie arm aber manche Ortschaften sind, darüber würden ihm erst die
Dorfbilcmzen die Augen offnen.




Victor Aime Huber

reimal ist es dem Verfasser des nachstehenden Aufsatzes im ab-
gelaufnen Jahre begegnet, daß er in einem Verstorbnen sich selber
oder wenigstens sein politisches Selbst wiederfand. Die drei
sind: Justus Möser, Lothar Bucher und V. A. Huber. Von den
ersten beiden hatte er vor 1894 gar nichts, vom letzten nur die
Skizzen aus Spanien und zu einer Zeit, wo seine politischen und sozialpolitischen
Ansichten schon feststanden, zwei Bändchen Neisebriefe gelesen. Es ist nicht
überflüssig, diese persönliche Erfahrung hier mitzuteilen. Unsre Auffassung ist
hie und da als schrullenhaft oder phantastisch verschrieen worden; demgegen¬
über ist es nützlich, daran zu erinnern, daß sie einer breiten Unterströmung
entspringt, die sehr bedeutende Vertreter hat. Die drei genannten wird man
nicht einfach ins Narrenhaus verweisen können.

Der Geheime Oberregierungsrat Freiherr von Broich hat in dem engen
Kreise der Verehrer Hubers den Gedanken angeregt, die in den zerstreuten und
selten gewordnen Schriften des großen Menschenfreundes ruhenden Schätze dem
gebildeten Publikum wieder zugänglich zu machen, und or. Karl Munding hat
den Plan ausgeführt. Das Ergebnis ist ein sehr stattliches Buch (VXVIIl
und 1204 Seiten): B. A. Hubers ausgewählte Schriften über Soziale¬
re form und Genossenschaftswesen. In freier Bearbeitung herausgegeben


Victor Aias Huber

Wie aber soll festgestellt werden, welche Ortschaften auszuwählen sind?
Ganz einfach: durch Ausarbeitung der Dorfbilanzen.

Sehr leicht ließe sich das mit der nächsten Volkszählung verbinden. Es
konnte aber auch zu beliebiger andrer Zeit geschehen. Der Landrat, der ein
Interesse hat, die Bilanzen der Ortschaften seines Kreises kennen zu lernen,
brauchte bloß nach der von uns besprochnen Dorfbilanz eine» Fragebogen durch
die Bürgermeister, Amtmänner oder Ortsvorsteher ausfüllen zu lassen. Die
Ergebnisse übersichtlich zusammenzustellen, dazu würden die Kreisbeamten für
das Rechnungswesen ausreichen. Das Ergebnis würde auf manchen Lnndrat
verblüffend wirken und ihm zweifellos eine wirksame Hilfe gewähren, wenn er
ungewöhnliche Zuschüsse von Staat oder Provinz zu begründen hätte. In den
meisten Fällen weiß er zwar heute schon, welche Gemeinden wohlhabend, welche
arm sind ; wie arm aber manche Ortschaften sind, darüber würden ihm erst die
Dorfbilcmzen die Augen offnen.




Victor Aime Huber

reimal ist es dem Verfasser des nachstehenden Aufsatzes im ab-
gelaufnen Jahre begegnet, daß er in einem Verstorbnen sich selber
oder wenigstens sein politisches Selbst wiederfand. Die drei
sind: Justus Möser, Lothar Bucher und V. A. Huber. Von den
ersten beiden hatte er vor 1894 gar nichts, vom letzten nur die
Skizzen aus Spanien und zu einer Zeit, wo seine politischen und sozialpolitischen
Ansichten schon feststanden, zwei Bändchen Neisebriefe gelesen. Es ist nicht
überflüssig, diese persönliche Erfahrung hier mitzuteilen. Unsre Auffassung ist
hie und da als schrullenhaft oder phantastisch verschrieen worden; demgegen¬
über ist es nützlich, daran zu erinnern, daß sie einer breiten Unterströmung
entspringt, die sehr bedeutende Vertreter hat. Die drei genannten wird man
nicht einfach ins Narrenhaus verweisen können.

Der Geheime Oberregierungsrat Freiherr von Broich hat in dem engen
Kreise der Verehrer Hubers den Gedanken angeregt, die in den zerstreuten und
selten gewordnen Schriften des großen Menschenfreundes ruhenden Schätze dem
gebildeten Publikum wieder zugänglich zu machen, und or. Karl Munding hat
den Plan ausgeführt. Das Ergebnis ist ein sehr stattliches Buch (VXVIIl
und 1204 Seiten): B. A. Hubers ausgewählte Schriften über Soziale¬
re form und Genossenschaftswesen. In freier Bearbeitung herausgegeben


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[0369] Victor Aias Huber Wie aber soll festgestellt werden, welche Ortschaften auszuwählen sind? Ganz einfach: durch Ausarbeitung der Dorfbilanzen. Sehr leicht ließe sich das mit der nächsten Volkszählung verbinden. Es konnte aber auch zu beliebiger andrer Zeit geschehen. Der Landrat, der ein Interesse hat, die Bilanzen der Ortschaften seines Kreises kennen zu lernen, brauchte bloß nach der von uns besprochnen Dorfbilanz eine» Fragebogen durch die Bürgermeister, Amtmänner oder Ortsvorsteher ausfüllen zu lassen. Die Ergebnisse übersichtlich zusammenzustellen, dazu würden die Kreisbeamten für das Rechnungswesen ausreichen. Das Ergebnis würde auf manchen Lnndrat verblüffend wirken und ihm zweifellos eine wirksame Hilfe gewähren, wenn er ungewöhnliche Zuschüsse von Staat oder Provinz zu begründen hätte. In den meisten Fällen weiß er zwar heute schon, welche Gemeinden wohlhabend, welche arm sind ; wie arm aber manche Ortschaften sind, darüber würden ihm erst die Dorfbilcmzen die Augen offnen. Victor Aime Huber reimal ist es dem Verfasser des nachstehenden Aufsatzes im ab- gelaufnen Jahre begegnet, daß er in einem Verstorbnen sich selber oder wenigstens sein politisches Selbst wiederfand. Die drei sind: Justus Möser, Lothar Bucher und V. A. Huber. Von den ersten beiden hatte er vor 1894 gar nichts, vom letzten nur die Skizzen aus Spanien und zu einer Zeit, wo seine politischen und sozialpolitischen Ansichten schon feststanden, zwei Bändchen Neisebriefe gelesen. Es ist nicht überflüssig, diese persönliche Erfahrung hier mitzuteilen. Unsre Auffassung ist hie und da als schrullenhaft oder phantastisch verschrieen worden; demgegen¬ über ist es nützlich, daran zu erinnern, daß sie einer breiten Unterströmung entspringt, die sehr bedeutende Vertreter hat. Die drei genannten wird man nicht einfach ins Narrenhaus verweisen können. Der Geheime Oberregierungsrat Freiherr von Broich hat in dem engen Kreise der Verehrer Hubers den Gedanken angeregt, die in den zerstreuten und selten gewordnen Schriften des großen Menschenfreundes ruhenden Schätze dem gebildeten Publikum wieder zugänglich zu machen, und or. Karl Munding hat den Plan ausgeführt. Das Ergebnis ist ein sehr stattliches Buch (VXVIIl und 1204 Seiten): B. A. Hubers ausgewählte Schriften über Soziale¬ re form und Genossenschaftswesen. In freier Bearbeitung herausgegeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/369>, abgerufen am 28.04.2024.