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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Aus den Tagen der Zensur

Verlust gegenüber den Verlusten, die der Landwirtschaft und Industrie durch
diese zu "rationelle" Forstkultur erwachsen, sowie gegenüber dem Verlust der
vielen Millionen und dem unsäglichen Elend, das oft eine einzige Überschwem¬
mung verursacht?

Es dürfte an der Zeit sein, besonders den Forstverwaltungen, die ihre
Reviere in den Gebirgen, ans den Höhen haben, eine Mahnung zugehen zu
lassen, daß sie das Wohl der Gesamtheit nicht durch gnr zu "rationelle" Wald¬
kultur schädige".




Aus den Tagen der Zensur

reßfreiheit und daneben den Galgen! sagte im preußischen Ver¬
einigten Landtag ein pommerscher Gutsbesitzer, Herr von Thndden,
derselbe, der ein Jahr später seine Söhne in das Lager des
Kroatenbcms Jellacich schickte, damit sie noch einen Ritter von
altem Schrot und Korn kennen lernen sollten. Preßfreiheit und
daneben den Galgen! Das scheint auch heutzutage wieder die Losung auf
mancher Seite zu sein. Sollte" manche "Blüten der Preßfreiheit" geknickt
werden, so würde kein Vernünftiger darüber trauern; möchte es nur gelingen,
den Privatdozenten des Anarchismus das Handwerk zu legen, Bühne und
Tagespresse wieder von der Schweinerei zu säubern, die sich sous 1'g.rvro as
1a libertö so üppig entwickelt hat. Allein es gewinnt den Anschein, als sollten
wieder einmal die Lehren der Vergangenheit unbeachtet gelassen werden. Der
große Segen, den wir uns dereinst von der Aufhebung der Zensur versprachen,
ist ausgeblieben; niemand wird behaupten, daß heute besser geschrieben werde
als damals, und nicht die Zensur hat, wie wir jetzt wissen, das Erscheinen
großer Dichter verhindert. Dessenungeachtet kann niemand der Wiederherstellung
der Zensur das Wort reden, weder der offnen, wie sie bis 1848 bestand, noch
der verkappten der spätern Zeit. Vor allem die letztere Art übte den nach¬
teiligsten Einfluß aus.

Franz von Flvreneourt -- mancher Leser erinnert sich vielleicht, von einem
streitbaren Jesuitenpater dieses Namens gehört zu haben, der irgendwo in Tirol
für die Glaubenseinheit wirken soll. Wahrscheinlich war dessen Vater der vor
vierzig bis fünfzig Jahren vielgenannte Publizist, der als einstiger Burschenschafter
zuerst im Sinne eines gemäßigten Liberalismus namentlich für die littera¬
rische Beilage der Hamburger Börsenhalle gehaltvolle Aufsätze lieferte, dann
den Bestrebungen der sogenannten Lichtfreunde entgegentrat, im Jahre 1848


Aus den Tagen der Zensur

Verlust gegenüber den Verlusten, die der Landwirtschaft und Industrie durch
diese zu „rationelle" Forstkultur erwachsen, sowie gegenüber dem Verlust der
vielen Millionen und dem unsäglichen Elend, das oft eine einzige Überschwem¬
mung verursacht?

Es dürfte an der Zeit sein, besonders den Forstverwaltungen, die ihre
Reviere in den Gebirgen, ans den Höhen haben, eine Mahnung zugehen zu
lassen, daß sie das Wohl der Gesamtheit nicht durch gnr zu „rationelle" Wald¬
kultur schädige».




Aus den Tagen der Zensur

reßfreiheit und daneben den Galgen! sagte im preußischen Ver¬
einigten Landtag ein pommerscher Gutsbesitzer, Herr von Thndden,
derselbe, der ein Jahr später seine Söhne in das Lager des
Kroatenbcms Jellacich schickte, damit sie noch einen Ritter von
altem Schrot und Korn kennen lernen sollten. Preßfreiheit und
daneben den Galgen! Das scheint auch heutzutage wieder die Losung auf
mancher Seite zu sein. Sollte» manche „Blüten der Preßfreiheit" geknickt
werden, so würde kein Vernünftiger darüber trauern; möchte es nur gelingen,
den Privatdozenten des Anarchismus das Handwerk zu legen, Bühne und
Tagespresse wieder von der Schweinerei zu säubern, die sich sous 1'g.rvro as
1a libertö so üppig entwickelt hat. Allein es gewinnt den Anschein, als sollten
wieder einmal die Lehren der Vergangenheit unbeachtet gelassen werden. Der
große Segen, den wir uns dereinst von der Aufhebung der Zensur versprachen,
ist ausgeblieben; niemand wird behaupten, daß heute besser geschrieben werde
als damals, und nicht die Zensur hat, wie wir jetzt wissen, das Erscheinen
großer Dichter verhindert. Dessenungeachtet kann niemand der Wiederherstellung
der Zensur das Wort reden, weder der offnen, wie sie bis 1848 bestand, noch
der verkappten der spätern Zeit. Vor allem die letztere Art übte den nach¬
teiligsten Einfluß aus.

Franz von Flvreneourt — mancher Leser erinnert sich vielleicht, von einem
streitbaren Jesuitenpater dieses Namens gehört zu haben, der irgendwo in Tirol
für die Glaubenseinheit wirken soll. Wahrscheinlich war dessen Vater der vor
vierzig bis fünfzig Jahren vielgenannte Publizist, der als einstiger Burschenschafter
zuerst im Sinne eines gemäßigten Liberalismus namentlich für die littera¬
rische Beilage der Hamburger Börsenhalle gehaltvolle Aufsätze lieferte, dann
den Bestrebungen der sogenannten Lichtfreunde entgegentrat, im Jahre 1848


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[0524] Aus den Tagen der Zensur Verlust gegenüber den Verlusten, die der Landwirtschaft und Industrie durch diese zu „rationelle" Forstkultur erwachsen, sowie gegenüber dem Verlust der vielen Millionen und dem unsäglichen Elend, das oft eine einzige Überschwem¬ mung verursacht? Es dürfte an der Zeit sein, besonders den Forstverwaltungen, die ihre Reviere in den Gebirgen, ans den Höhen haben, eine Mahnung zugehen zu lassen, daß sie das Wohl der Gesamtheit nicht durch gnr zu „rationelle" Wald¬ kultur schädige». Aus den Tagen der Zensur reßfreiheit und daneben den Galgen! sagte im preußischen Ver¬ einigten Landtag ein pommerscher Gutsbesitzer, Herr von Thndden, derselbe, der ein Jahr später seine Söhne in das Lager des Kroatenbcms Jellacich schickte, damit sie noch einen Ritter von altem Schrot und Korn kennen lernen sollten. Preßfreiheit und daneben den Galgen! Das scheint auch heutzutage wieder die Losung auf mancher Seite zu sein. Sollte» manche „Blüten der Preßfreiheit" geknickt werden, so würde kein Vernünftiger darüber trauern; möchte es nur gelingen, den Privatdozenten des Anarchismus das Handwerk zu legen, Bühne und Tagespresse wieder von der Schweinerei zu säubern, die sich sous 1'g.rvro as 1a libertö so üppig entwickelt hat. Allein es gewinnt den Anschein, als sollten wieder einmal die Lehren der Vergangenheit unbeachtet gelassen werden. Der große Segen, den wir uns dereinst von der Aufhebung der Zensur versprachen, ist ausgeblieben; niemand wird behaupten, daß heute besser geschrieben werde als damals, und nicht die Zensur hat, wie wir jetzt wissen, das Erscheinen großer Dichter verhindert. Dessenungeachtet kann niemand der Wiederherstellung der Zensur das Wort reden, weder der offnen, wie sie bis 1848 bestand, noch der verkappten der spätern Zeit. Vor allem die letztere Art übte den nach¬ teiligsten Einfluß aus. Franz von Flvreneourt — mancher Leser erinnert sich vielleicht, von einem streitbaren Jesuitenpater dieses Namens gehört zu haben, der irgendwo in Tirol für die Glaubenseinheit wirken soll. Wahrscheinlich war dessen Vater der vor vierzig bis fünfzig Jahren vielgenannte Publizist, der als einstiger Burschenschafter zuerst im Sinne eines gemäßigten Liberalismus namentlich für die littera¬ rische Beilage der Hamburger Börsenhalle gehaltvolle Aufsätze lieferte, dann den Bestrebungen der sogenannten Lichtfreunde entgegentrat, im Jahre 1848

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/524>, abgerufen am 28.04.2024.