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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Wald und Wasser

tels, was die Baumkronen an Wasser durchlassen. Lange andauernder Regen
dringt ja nnn in Mengen bis zum Waldboden durch und liefert reichlichen
Vorrat für Quellen und Bäche, Aber hier tritt der Nachteil der Waldkultur
zu Tage. Das niedergesunkene Wasser hat in den lichtern Kultnrwcildern nicht
genügenden Schutz gegen Wind und Sonnenwärme. Beide saugen ein gutes
Teil des Wasserschatzes wieder auf. Schlimmer aber noch wirken die tief an¬
gelegten, sauber gehaltnen Entwässerungsgräben und der Mangel an Sümpfen.
Die kleinen Rinnsale finden schnell ihren Weg in die Gräben, und in diesen
eilt das Wasser noch schneller hinab in die Bäche. So lange es regnet, sind
daher die Bäche gefüllt, oft sogar überfüllt. Sobald es aber aufhört zu regnen,
werden sie um so schneller leer, je besser ihre Ufer "regulirt" sind. Schlimm
steht es bei Gewitterregen. Da stürze" die Wassermnssen unaufhaltsam zu
Thal, treten teilweise vernichtend auf, um nach wenigen Stunden schon größte
Leere hinter sich zu lassen. Ganz anders ist das in weniger gepflegten Wäldern.
In diesen ist der Abfluß auf Wochen und noch länger verteilt. In Löchern,
Lachen, überwachsenen Gräben, Sümpfen, Teichen, im buschreichen Wiesenboden
und im dichten Moosgründe bleiben große Wassermassen zurück, sickern langsam
durch den Boden und speisen so aus ihren Vorratskammern lange Zeit mit
mäßigem, aber regelmüßigem Zufluß die Bäche. Auch die Schneemassen des
Winters, die ja auch der Kulturwald, besonders an der Winterseite der Berge,
schützt, halten sich in wilden Waldungen länger, oft bis gegen den Sommer hin.

Ließen sich daher uukultivirte Bauernwälder auf die Dauer erhalten, so
wäre das für die Wasserverhältnisse gewiß günstig. Wo das aber nicht wahr¬
scheinlich ist, wo ihnen in näherer oder fernerer Zeit Vernichtung, Umwand¬
lung in Ackerland droht, da ist es immer besser, wenn der Staat sie beizeiten
ankauft. Doch sollten sich die Forstmänner angelegen sein lassen, dem Haupt¬
zwecke dieses Ankaufs nicht mit Gewalt entgegenzuarbeiten. Sümpfe und natür¬
liche Teiche sollte man unberührt lassen. Bringt doch ihre Entwässerung sehr
häufig bei weitem nicht den Nutzen, der erforderlich ist, die Zinsen der Ent¬
wässerungskosten zu decken, oft gar keinen. Wir haben Hochmoore gesehen,
die von mehr als drei Meter tiefen Gräben um- und durchschnitten wurden
und deren BePflanzung dennoch, ja infolge dessen völlig mißglückt war. Wo
früher Erlengebüsch, einzelne Birken, hier und dort auch mächtige Tannen
standen, wo dichtes Sumpfmoos und Gras eine schöne grüne Decke bildeten,
findet sich jetzt vereinzeltes Heidekraut und kümmerliches Brombeergesträuch.
Die Anpflanzungen aber sind verdorrt auf dein halbreifen Tvrfgrunde. Man
sollte mit derartigen Kulturen, wie überhaupt in Bezug auf Entwässerungs¬
arbeiten, in den Staatsforsten vorsichtiger sein. Bekanntlich wird ja bei an¬
gekauften oder neu angelegten Wäldern das Anlagekapital ungünstig verzinst.
Der Hauptgrund der Vermehrung der Staatsforsten ist aber doch auch nicht
der, die Staatsemnahme zu erhöhen. Was schadet ein noch größerer Zins-


Grenzboten I 1895 65
Wald und Wasser

tels, was die Baumkronen an Wasser durchlassen. Lange andauernder Regen
dringt ja nnn in Mengen bis zum Waldboden durch und liefert reichlichen
Vorrat für Quellen und Bäche, Aber hier tritt der Nachteil der Waldkultur
zu Tage. Das niedergesunkene Wasser hat in den lichtern Kultnrwcildern nicht
genügenden Schutz gegen Wind und Sonnenwärme. Beide saugen ein gutes
Teil des Wasserschatzes wieder auf. Schlimmer aber noch wirken die tief an¬
gelegten, sauber gehaltnen Entwässerungsgräben und der Mangel an Sümpfen.
Die kleinen Rinnsale finden schnell ihren Weg in die Gräben, und in diesen
eilt das Wasser noch schneller hinab in die Bäche. So lange es regnet, sind
daher die Bäche gefüllt, oft sogar überfüllt. Sobald es aber aufhört zu regnen,
werden sie um so schneller leer, je besser ihre Ufer „regulirt" sind. Schlimm
steht es bei Gewitterregen. Da stürze» die Wassermnssen unaufhaltsam zu
Thal, treten teilweise vernichtend auf, um nach wenigen Stunden schon größte
Leere hinter sich zu lassen. Ganz anders ist das in weniger gepflegten Wäldern.
In diesen ist der Abfluß auf Wochen und noch länger verteilt. In Löchern,
Lachen, überwachsenen Gräben, Sümpfen, Teichen, im buschreichen Wiesenboden
und im dichten Moosgründe bleiben große Wassermassen zurück, sickern langsam
durch den Boden und speisen so aus ihren Vorratskammern lange Zeit mit
mäßigem, aber regelmüßigem Zufluß die Bäche. Auch die Schneemassen des
Winters, die ja auch der Kulturwald, besonders an der Winterseite der Berge,
schützt, halten sich in wilden Waldungen länger, oft bis gegen den Sommer hin.

Ließen sich daher uukultivirte Bauernwälder auf die Dauer erhalten, so
wäre das für die Wasserverhältnisse gewiß günstig. Wo das aber nicht wahr¬
scheinlich ist, wo ihnen in näherer oder fernerer Zeit Vernichtung, Umwand¬
lung in Ackerland droht, da ist es immer besser, wenn der Staat sie beizeiten
ankauft. Doch sollten sich die Forstmänner angelegen sein lassen, dem Haupt¬
zwecke dieses Ankaufs nicht mit Gewalt entgegenzuarbeiten. Sümpfe und natür¬
liche Teiche sollte man unberührt lassen. Bringt doch ihre Entwässerung sehr
häufig bei weitem nicht den Nutzen, der erforderlich ist, die Zinsen der Ent¬
wässerungskosten zu decken, oft gar keinen. Wir haben Hochmoore gesehen,
die von mehr als drei Meter tiefen Gräben um- und durchschnitten wurden
und deren BePflanzung dennoch, ja infolge dessen völlig mißglückt war. Wo
früher Erlengebüsch, einzelne Birken, hier und dort auch mächtige Tannen
standen, wo dichtes Sumpfmoos und Gras eine schöne grüne Decke bildeten,
findet sich jetzt vereinzeltes Heidekraut und kümmerliches Brombeergesträuch.
Die Anpflanzungen aber sind verdorrt auf dein halbreifen Tvrfgrunde. Man
sollte mit derartigen Kulturen, wie überhaupt in Bezug auf Entwässerungs¬
arbeiten, in den Staatsforsten vorsichtiger sein. Bekanntlich wird ja bei an¬
gekauften oder neu angelegten Wäldern das Anlagekapital ungünstig verzinst.
Der Hauptgrund der Vermehrung der Staatsforsten ist aber doch auch nicht
der, die Staatsemnahme zu erhöhen. Was schadet ein noch größerer Zins-


Grenzboten I 1895 65
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[0523] Wald und Wasser tels, was die Baumkronen an Wasser durchlassen. Lange andauernder Regen dringt ja nnn in Mengen bis zum Waldboden durch und liefert reichlichen Vorrat für Quellen und Bäche, Aber hier tritt der Nachteil der Waldkultur zu Tage. Das niedergesunkene Wasser hat in den lichtern Kultnrwcildern nicht genügenden Schutz gegen Wind und Sonnenwärme. Beide saugen ein gutes Teil des Wasserschatzes wieder auf. Schlimmer aber noch wirken die tief an¬ gelegten, sauber gehaltnen Entwässerungsgräben und der Mangel an Sümpfen. Die kleinen Rinnsale finden schnell ihren Weg in die Gräben, und in diesen eilt das Wasser noch schneller hinab in die Bäche. So lange es regnet, sind daher die Bäche gefüllt, oft sogar überfüllt. Sobald es aber aufhört zu regnen, werden sie um so schneller leer, je besser ihre Ufer „regulirt" sind. Schlimm steht es bei Gewitterregen. Da stürze» die Wassermnssen unaufhaltsam zu Thal, treten teilweise vernichtend auf, um nach wenigen Stunden schon größte Leere hinter sich zu lassen. Ganz anders ist das in weniger gepflegten Wäldern. In diesen ist der Abfluß auf Wochen und noch länger verteilt. In Löchern, Lachen, überwachsenen Gräben, Sümpfen, Teichen, im buschreichen Wiesenboden und im dichten Moosgründe bleiben große Wassermassen zurück, sickern langsam durch den Boden und speisen so aus ihren Vorratskammern lange Zeit mit mäßigem, aber regelmüßigem Zufluß die Bäche. Auch die Schneemassen des Winters, die ja auch der Kulturwald, besonders an der Winterseite der Berge, schützt, halten sich in wilden Waldungen länger, oft bis gegen den Sommer hin. Ließen sich daher uukultivirte Bauernwälder auf die Dauer erhalten, so wäre das für die Wasserverhältnisse gewiß günstig. Wo das aber nicht wahr¬ scheinlich ist, wo ihnen in näherer oder fernerer Zeit Vernichtung, Umwand¬ lung in Ackerland droht, da ist es immer besser, wenn der Staat sie beizeiten ankauft. Doch sollten sich die Forstmänner angelegen sein lassen, dem Haupt¬ zwecke dieses Ankaufs nicht mit Gewalt entgegenzuarbeiten. Sümpfe und natür¬ liche Teiche sollte man unberührt lassen. Bringt doch ihre Entwässerung sehr häufig bei weitem nicht den Nutzen, der erforderlich ist, die Zinsen der Ent¬ wässerungskosten zu decken, oft gar keinen. Wir haben Hochmoore gesehen, die von mehr als drei Meter tiefen Gräben um- und durchschnitten wurden und deren BePflanzung dennoch, ja infolge dessen völlig mißglückt war. Wo früher Erlengebüsch, einzelne Birken, hier und dort auch mächtige Tannen standen, wo dichtes Sumpfmoos und Gras eine schöne grüne Decke bildeten, findet sich jetzt vereinzeltes Heidekraut und kümmerliches Brombeergesträuch. Die Anpflanzungen aber sind verdorrt auf dein halbreifen Tvrfgrunde. Man sollte mit derartigen Kulturen, wie überhaupt in Bezug auf Entwässerungs¬ arbeiten, in den Staatsforsten vorsichtiger sein. Bekanntlich wird ja bei an¬ gekauften oder neu angelegten Wäldern das Anlagekapital ungünstig verzinst. Der Hauptgrund der Vermehrung der Staatsforsten ist aber doch auch nicht der, die Staatsemnahme zu erhöhen. Was schadet ein noch größerer Zins- Grenzboten I 1895 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/523>, abgerufen am 13.05.2024.