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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der erste Beste
Erzählung von Otto velde.I' (Fortsetzung)
18

ehr Minuten später kam Scholz leichtfüßig und mit dem un¬
bekümmertsten Gesicht von der Welt die Stufen der Terrasse
heraufgesprungen. Die Hände in den Taschen seiner Sammet¬
joppe stellte er sich vor Frau Sternfeldt hin.

Wie wärs. Majestät, wenn wir ein bischen Musik machten?

Die bocciaspielende Jugend da drüben hat schon geworben.
Sie kommeu mir gleich nach.

Mir ist es rächt, natürlich. Wo haben Sie dann aber Ihre Fran,
Schvlzchen?

Sie läßt sich einstweilen entschuldigen. Sie hat noch ein klein bischen
zu thun.

Na, das bischen möcht ich mir doch einmal etwas näher betrachten, sagte
die Hausfrau mit einem ziemlich ungnädigen Blick auf deu jungen Maun,
indem sie sich erhob.

Scholz hatte, während er sprach, blitzschnell aus dem Augenwinkel nach
Margarete gespäht, die wohlbehütet zwischen Frau Stallbohm und Frau Hurter
saß. Ihr zartes Gesicht hatte seine natürliche Farbe wiedergewonnen.° Sie
schien sich eifrig zu unterhalten; ihn bemerkte sie jedenfalls nicht. FriK ging
mit dem Malchiner Postdirektvr rauchend auf und ab.

Die Gesellschaft versammelte sich jetzt im Musikzimmer; auch Margarete
mußte mit, da nur die Skatspieler zur Erledigung der letzten Partie auf
ihrem Fleck sitzen blieben. Die Hausfrau verschwand auf kurze Zeit, um für
"etwelche Atzung" zu sorgen und nach Martha Scholz zu sehen.

Inzwischen verteilten sich die Zuhörer auf Sesseln und Divans. Nach¬
dem die jungen Mädchen eine Reihe Lasseuschcr Sentimentalitäten und andrer
moderner Niedlichkeiten verübt hatten, schlug Scholz ein Heft auf, wonach er
während dessen eifrig gesucht hatte: Schumanns Dichterliebe.

Sie begleiten mich wohl auch, sagte er zu Hans, der noch am Klavier
saß. Der Flügel steht hier so dumm, man müßte beinahe vom Publikum
wegfingen, wenn man selber --- also hier, bitte. Ich singe auswendig.




Der erste Beste
Erzählung von Otto velde.I' (Fortsetzung)
18

ehr Minuten später kam Scholz leichtfüßig und mit dem un¬
bekümmertsten Gesicht von der Welt die Stufen der Terrasse
heraufgesprungen. Die Hände in den Taschen seiner Sammet¬
joppe stellte er sich vor Frau Sternfeldt hin.

Wie wärs. Majestät, wenn wir ein bischen Musik machten?

Die bocciaspielende Jugend da drüben hat schon geworben.
Sie kommeu mir gleich nach.

Mir ist es rächt, natürlich. Wo haben Sie dann aber Ihre Fran,
Schvlzchen?

Sie läßt sich einstweilen entschuldigen. Sie hat noch ein klein bischen
zu thun.

Na, das bischen möcht ich mir doch einmal etwas näher betrachten, sagte
die Hausfrau mit einem ziemlich ungnädigen Blick auf deu jungen Maun,
indem sie sich erhob.

Scholz hatte, während er sprach, blitzschnell aus dem Augenwinkel nach
Margarete gespäht, die wohlbehütet zwischen Frau Stallbohm und Frau Hurter
saß. Ihr zartes Gesicht hatte seine natürliche Farbe wiedergewonnen.° Sie
schien sich eifrig zu unterhalten; ihn bemerkte sie jedenfalls nicht. FriK ging
mit dem Malchiner Postdirektvr rauchend auf und ab.

Die Gesellschaft versammelte sich jetzt im Musikzimmer; auch Margarete
mußte mit, da nur die Skatspieler zur Erledigung der letzten Partie auf
ihrem Fleck sitzen blieben. Die Hausfrau verschwand auf kurze Zeit, um für
„etwelche Atzung" zu sorgen und nach Martha Scholz zu sehen.

Inzwischen verteilten sich die Zuhörer auf Sesseln und Divans. Nach¬
dem die jungen Mädchen eine Reihe Lasseuschcr Sentimentalitäten und andrer
moderner Niedlichkeiten verübt hatten, schlug Scholz ein Heft auf, wonach er
während dessen eifrig gesucht hatte: Schumanns Dichterliebe.

Sie begleiten mich wohl auch, sagte er zu Hans, der noch am Klavier
saß. Der Flügel steht hier so dumm, man müßte beinahe vom Publikum
wegfingen, wenn man selber —- also hier, bitte. Ich singe auswendig.


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[0245] [Abbildung] Der erste Beste Erzählung von Otto velde.I' (Fortsetzung) 18 ehr Minuten später kam Scholz leichtfüßig und mit dem un¬ bekümmertsten Gesicht von der Welt die Stufen der Terrasse heraufgesprungen. Die Hände in den Taschen seiner Sammet¬ joppe stellte er sich vor Frau Sternfeldt hin. Wie wärs. Majestät, wenn wir ein bischen Musik machten? Die bocciaspielende Jugend da drüben hat schon geworben. Sie kommeu mir gleich nach. Mir ist es rächt, natürlich. Wo haben Sie dann aber Ihre Fran, Schvlzchen? Sie läßt sich einstweilen entschuldigen. Sie hat noch ein klein bischen zu thun. Na, das bischen möcht ich mir doch einmal etwas näher betrachten, sagte die Hausfrau mit einem ziemlich ungnädigen Blick auf deu jungen Maun, indem sie sich erhob. Scholz hatte, während er sprach, blitzschnell aus dem Augenwinkel nach Margarete gespäht, die wohlbehütet zwischen Frau Stallbohm und Frau Hurter saß. Ihr zartes Gesicht hatte seine natürliche Farbe wiedergewonnen.° Sie schien sich eifrig zu unterhalten; ihn bemerkte sie jedenfalls nicht. FriK ging mit dem Malchiner Postdirektvr rauchend auf und ab. Die Gesellschaft versammelte sich jetzt im Musikzimmer; auch Margarete mußte mit, da nur die Skatspieler zur Erledigung der letzten Partie auf ihrem Fleck sitzen blieben. Die Hausfrau verschwand auf kurze Zeit, um für „etwelche Atzung" zu sorgen und nach Martha Scholz zu sehen. Inzwischen verteilten sich die Zuhörer auf Sesseln und Divans. Nach¬ dem die jungen Mädchen eine Reihe Lasseuschcr Sentimentalitäten und andrer moderner Niedlichkeiten verübt hatten, schlug Scholz ein Heft auf, wonach er während dessen eifrig gesucht hatte: Schumanns Dichterliebe. Sie begleiten mich wohl auch, sagte er zu Hans, der noch am Klavier saß. Der Flügel steht hier so dumm, man müßte beinahe vom Publikum wegfingen, wenn man selber —- also hier, bitte. Ich singe auswendig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/245>, abgerufen am 28.04.2024.