Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum Währiingskmnpfe

2

Allgemein leicht verständlich und deshalb viel wichtiger als alle theo¬
retischen Erörterungen sind die unmittelbaren praktischen Folgen des Bi¬
metallismus. Die unmittelbaren Folgen sind unleugbar Geldentwertung und
Hebung des Silberpreises. Damit ist das Losungswort der Bimetallisten in
allgemein verständliche Begriffe aufgelöst, und sie werden es selbst nicht leugnen
können und wollen, daß einerseits die Freigebung des Silbers als Währungs¬
metall eine Vervielfachung des Geldes nach sich ziehen und dadurch dessen
Kaufkraft Herabdrücken muß, sodaß eine Preissteigerung und Geldentwertung
eintritt, andrerseits aber der Bedarf an Silber, wenn es zu einem sehr be¬
deutenden Teil wieder zu Münzzwecken verwandt wird, eine Steigerung seines
Tauschwerth, also seines Preises, zur Folge haben muß. Diese beiden un¬
mittelbaren Folgen, auf denen recht eigentlich das Geheimnis der bimetal-
listischen Weltbeglückung beruht, wirken einander entgegen, heben sich aber
nicht auf.

Zur Rechtfertigung der Geldentwertung behaupten die Bimetallisten, das
Gold sei zu knapp und infolgedessen seine Kaufkraft, sowie der Wert aller
Geldforderungen zum Nachteil der Schuldner gestiegen, in weiterer Folge der
Warenpreis zum Nachteil der Produzenten allgemein gefallen. Sie geben zu,
daß die von ihnen angestrebte Preiserhöhung durch Geldentwertung eine Ent¬
wertung aller Löhne und Gehalte nach sich ziehen muß, und sind der Ansicht,
daß diese Entwertung dnrch Erhöhung der Löhne und Gehalte ausgeglichen
werden würde. Diese Rechtfertigung ist im großen Ganzen erstaunlich unwahr,
und man kann denen, die sie aus Überzeugung vortragen, den Vorwurf eiues
engen Gesichtskreises nicht ersparen. Von einer Goldknappheit kann füglich
bei uns nicht die Rede sein, da wir doch niemals in den Banken einen so
großen Geldüberfluß gehabt haben als jetzt unter der Goldwährung. Wenn
serner die Goldwährung die Aufgabe der Wertbeständigkeit des Geldes nicht
vollständig erfüllt hat, so ist doch der Wert keineswegs gestiegen, sondern
zweifellos gefallen, wofür allein schon die beiden Thatsachen der Steigerung
der Goldgewinnung und der Hebung der Arbeitslöhne bürgen. Wären die
Warenpreise in der That allgemein gefallen, so müßte dafür eine andre Er¬
klärung als die der Wertsteigerung des Goldes gesucht werden, wie namentlich
die der billigern und ausgiebigern Erzeugung der Waren. So unzweifelhaft
aber auch die meisten Luxuswaren und viele Bedarfsartikel billiger geworden
sind, ebenso unleugbar haben sich die Kosten jedes auch noch so bescheidnen
Haushalts in den letzten fünfzehn Jahren gesteigert, und das beweist deutlich,
daß wenigstens für den Konsumenten eine durchgehende Preiserniedrigung uicht
eingetreten ist. Wer vor fünfzehn Jahren ein Kapital ausgeliehen hat und
heute zurückgezahlt bekommt, erhält mit derselben Summe keineswegs eine
größere, sondern eine geringere Kapitalkraft zurück, denn die Kapitalkraft be-


Zum Währiingskmnpfe

2

Allgemein leicht verständlich und deshalb viel wichtiger als alle theo¬
retischen Erörterungen sind die unmittelbaren praktischen Folgen des Bi¬
metallismus. Die unmittelbaren Folgen sind unleugbar Geldentwertung und
Hebung des Silberpreises. Damit ist das Losungswort der Bimetallisten in
allgemein verständliche Begriffe aufgelöst, und sie werden es selbst nicht leugnen
können und wollen, daß einerseits die Freigebung des Silbers als Währungs¬
metall eine Vervielfachung des Geldes nach sich ziehen und dadurch dessen
Kaufkraft Herabdrücken muß, sodaß eine Preissteigerung und Geldentwertung
eintritt, andrerseits aber der Bedarf an Silber, wenn es zu einem sehr be¬
deutenden Teil wieder zu Münzzwecken verwandt wird, eine Steigerung seines
Tauschwerth, also seines Preises, zur Folge haben muß. Diese beiden un¬
mittelbaren Folgen, auf denen recht eigentlich das Geheimnis der bimetal-
listischen Weltbeglückung beruht, wirken einander entgegen, heben sich aber
nicht auf.

Zur Rechtfertigung der Geldentwertung behaupten die Bimetallisten, das
Gold sei zu knapp und infolgedessen seine Kaufkraft, sowie der Wert aller
Geldforderungen zum Nachteil der Schuldner gestiegen, in weiterer Folge der
Warenpreis zum Nachteil der Produzenten allgemein gefallen. Sie geben zu,
daß die von ihnen angestrebte Preiserhöhung durch Geldentwertung eine Ent¬
wertung aller Löhne und Gehalte nach sich ziehen muß, und sind der Ansicht,
daß diese Entwertung dnrch Erhöhung der Löhne und Gehalte ausgeglichen
werden würde. Diese Rechtfertigung ist im großen Ganzen erstaunlich unwahr,
und man kann denen, die sie aus Überzeugung vortragen, den Vorwurf eiues
engen Gesichtskreises nicht ersparen. Von einer Goldknappheit kann füglich
bei uns nicht die Rede sein, da wir doch niemals in den Banken einen so
großen Geldüberfluß gehabt haben als jetzt unter der Goldwährung. Wenn
serner die Goldwährung die Aufgabe der Wertbeständigkeit des Geldes nicht
vollständig erfüllt hat, so ist doch der Wert keineswegs gestiegen, sondern
zweifellos gefallen, wofür allein schon die beiden Thatsachen der Steigerung
der Goldgewinnung und der Hebung der Arbeitslöhne bürgen. Wären die
Warenpreise in der That allgemein gefallen, so müßte dafür eine andre Er¬
klärung als die der Wertsteigerung des Goldes gesucht werden, wie namentlich
die der billigern und ausgiebigern Erzeugung der Waren. So unzweifelhaft
aber auch die meisten Luxuswaren und viele Bedarfsartikel billiger geworden
sind, ebenso unleugbar haben sich die Kosten jedes auch noch so bescheidnen
Haushalts in den letzten fünfzehn Jahren gesteigert, und das beweist deutlich,
daß wenigstens für den Konsumenten eine durchgehende Preiserniedrigung uicht
eingetreten ist. Wer vor fünfzehn Jahren ein Kapital ausgeliehen hat und
heute zurückgezahlt bekommt, erhält mit derselben Summe keineswegs eine
größere, sondern eine geringere Kapitalkraft zurück, denn die Kapitalkraft be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0599" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220925"/>
            <fw type="header" place="top"> Zum Währiingskmnpfe</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 2</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2248"> Allgemein leicht verständlich und deshalb viel wichtiger als alle theo¬<lb/>
retischen Erörterungen sind die unmittelbaren praktischen Folgen des Bi¬<lb/>
metallismus. Die unmittelbaren Folgen sind unleugbar Geldentwertung und<lb/>
Hebung des Silberpreises. Damit ist das Losungswort der Bimetallisten in<lb/>
allgemein verständliche Begriffe aufgelöst, und sie werden es selbst nicht leugnen<lb/>
können und wollen, daß einerseits die Freigebung des Silbers als Währungs¬<lb/>
metall eine Vervielfachung des Geldes nach sich ziehen und dadurch dessen<lb/>
Kaufkraft Herabdrücken muß, sodaß eine Preissteigerung und Geldentwertung<lb/>
eintritt, andrerseits aber der Bedarf an Silber, wenn es zu einem sehr be¬<lb/>
deutenden Teil wieder zu Münzzwecken verwandt wird, eine Steigerung seines<lb/>
Tauschwerth, also seines Preises, zur Folge haben muß. Diese beiden un¬<lb/>
mittelbaren Folgen, auf denen recht eigentlich das Geheimnis der bimetal-<lb/>
listischen Weltbeglückung beruht, wirken einander entgegen, heben sich aber<lb/>
nicht auf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2249" next="#ID_2250"> Zur Rechtfertigung der Geldentwertung behaupten die Bimetallisten, das<lb/>
Gold sei zu knapp und infolgedessen seine Kaufkraft, sowie der Wert aller<lb/>
Geldforderungen zum Nachteil der Schuldner gestiegen, in weiterer Folge der<lb/>
Warenpreis zum Nachteil der Produzenten allgemein gefallen. Sie geben zu,<lb/>
daß die von ihnen angestrebte Preiserhöhung durch Geldentwertung eine Ent¬<lb/>
wertung aller Löhne und Gehalte nach sich ziehen muß, und sind der Ansicht,<lb/>
daß diese Entwertung dnrch Erhöhung der Löhne und Gehalte ausgeglichen<lb/>
werden würde. Diese Rechtfertigung ist im großen Ganzen erstaunlich unwahr,<lb/>
und man kann denen, die sie aus Überzeugung vortragen, den Vorwurf eiues<lb/>
engen Gesichtskreises nicht ersparen. Von einer Goldknappheit kann füglich<lb/>
bei uns nicht die Rede sein, da wir doch niemals in den Banken einen so<lb/>
großen Geldüberfluß gehabt haben als jetzt unter der Goldwährung. Wenn<lb/>
serner die Goldwährung die Aufgabe der Wertbeständigkeit des Geldes nicht<lb/>
vollständig erfüllt hat, so ist doch der Wert keineswegs gestiegen, sondern<lb/>
zweifellos gefallen, wofür allein schon die beiden Thatsachen der Steigerung<lb/>
der Goldgewinnung und der Hebung der Arbeitslöhne bürgen. Wären die<lb/>
Warenpreise in der That allgemein gefallen, so müßte dafür eine andre Er¬<lb/>
klärung als die der Wertsteigerung des Goldes gesucht werden, wie namentlich<lb/>
die der billigern und ausgiebigern Erzeugung der Waren. So unzweifelhaft<lb/>
aber auch die meisten Luxuswaren und viele Bedarfsartikel billiger geworden<lb/>
sind, ebenso unleugbar haben sich die Kosten jedes auch noch so bescheidnen<lb/>
Haushalts in den letzten fünfzehn Jahren gesteigert, und das beweist deutlich,<lb/>
daß wenigstens für den Konsumenten eine durchgehende Preiserniedrigung uicht<lb/>
eingetreten ist. Wer vor fünfzehn Jahren ein Kapital ausgeliehen hat und<lb/>
heute zurückgezahlt bekommt, erhält mit derselben Summe keineswegs eine<lb/>
größere, sondern eine geringere Kapitalkraft zurück, denn die Kapitalkraft be-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0599] Zum Währiingskmnpfe 2 Allgemein leicht verständlich und deshalb viel wichtiger als alle theo¬ retischen Erörterungen sind die unmittelbaren praktischen Folgen des Bi¬ metallismus. Die unmittelbaren Folgen sind unleugbar Geldentwertung und Hebung des Silberpreises. Damit ist das Losungswort der Bimetallisten in allgemein verständliche Begriffe aufgelöst, und sie werden es selbst nicht leugnen können und wollen, daß einerseits die Freigebung des Silbers als Währungs¬ metall eine Vervielfachung des Geldes nach sich ziehen und dadurch dessen Kaufkraft Herabdrücken muß, sodaß eine Preissteigerung und Geldentwertung eintritt, andrerseits aber der Bedarf an Silber, wenn es zu einem sehr be¬ deutenden Teil wieder zu Münzzwecken verwandt wird, eine Steigerung seines Tauschwerth, also seines Preises, zur Folge haben muß. Diese beiden un¬ mittelbaren Folgen, auf denen recht eigentlich das Geheimnis der bimetal- listischen Weltbeglückung beruht, wirken einander entgegen, heben sich aber nicht auf. Zur Rechtfertigung der Geldentwertung behaupten die Bimetallisten, das Gold sei zu knapp und infolgedessen seine Kaufkraft, sowie der Wert aller Geldforderungen zum Nachteil der Schuldner gestiegen, in weiterer Folge der Warenpreis zum Nachteil der Produzenten allgemein gefallen. Sie geben zu, daß die von ihnen angestrebte Preiserhöhung durch Geldentwertung eine Ent¬ wertung aller Löhne und Gehalte nach sich ziehen muß, und sind der Ansicht, daß diese Entwertung dnrch Erhöhung der Löhne und Gehalte ausgeglichen werden würde. Diese Rechtfertigung ist im großen Ganzen erstaunlich unwahr, und man kann denen, die sie aus Überzeugung vortragen, den Vorwurf eiues engen Gesichtskreises nicht ersparen. Von einer Goldknappheit kann füglich bei uns nicht die Rede sein, da wir doch niemals in den Banken einen so großen Geldüberfluß gehabt haben als jetzt unter der Goldwährung. Wenn serner die Goldwährung die Aufgabe der Wertbeständigkeit des Geldes nicht vollständig erfüllt hat, so ist doch der Wert keineswegs gestiegen, sondern zweifellos gefallen, wofür allein schon die beiden Thatsachen der Steigerung der Goldgewinnung und der Hebung der Arbeitslöhne bürgen. Wären die Warenpreise in der That allgemein gefallen, so müßte dafür eine andre Er¬ klärung als die der Wertsteigerung des Goldes gesucht werden, wie namentlich die der billigern und ausgiebigern Erzeugung der Waren. So unzweifelhaft aber auch die meisten Luxuswaren und viele Bedarfsartikel billiger geworden sind, ebenso unleugbar haben sich die Kosten jedes auch noch so bescheidnen Haushalts in den letzten fünfzehn Jahren gesteigert, und das beweist deutlich, daß wenigstens für den Konsumenten eine durchgehende Preiserniedrigung uicht eingetreten ist. Wer vor fünfzehn Jahren ein Kapital ausgeliehen hat und heute zurückgezahlt bekommt, erhält mit derselben Summe keineswegs eine größere, sondern eine geringere Kapitalkraft zurück, denn die Kapitalkraft be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/599
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/599>, abgerufen am 27.04.2024.