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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Pädagogische Universitätsseminare

werben einen bestimmten niedrigsten Preis für ihre Erzeugnisse sicherte. Es
kommt hinzu, daß wir nun einmal zu einem Industriestaats herangewachsen
und ohne diese Industrie unsre Bevölkerung zu ernähren außer stände sind,
die Industrie aber, um konkurrenzfähig mit dem Auslande zu bleiben, billiges
Brot für ihre Arbeiter nicht entbehren kann. Es mußte sich aber mit unserm
wirtschaftlichen Aufschwung dem Großgrundbesitzer besonders fühlbar machen,
daß wir mit einer Produktion, die von wirtschaftlich tiefer stehenden Ländern
in gleicher Weise betrieben wird, wie von uns, nicht zu konkurriren vermögen.
Niedrige Arbeitslöhne und jungfräulicher billiger Boden gestatten eine Preis¬
bildung, bei der sich unser mit fremden Kräften arbeitender und auf den Ver¬
kauf angewiesener Grundbesitzer nicht zu halten vermag. Der Erhaltung dieser
Grundbesitzer darf man unsre wirtschaftliche Größe nicht zum Opfer bringen,
unsre Landwirtschaft aber als Nährstand zu festigen, hat die Gesamtheit das
lebhafteste Interesse, und hierzu ist wohl kein andres Mittel denkbar, als daß
sie nicht durch künstliche Brotverteuerung, sondern durch die Natur ihres Be¬
triebes mehr und mehr von den Preisen auf dem Weltmarkt unabhängig wird.
Der Kleinbesitzer, der seine Erzeugnisse für sich und seine nächste Umgebung
bedarf, ist von der Preisbildung unabhängig, er arbeitet auf möglichste große
Gebrauchswerte und wird von dem Tauschwert seiner Erzeugnisse nicht oder
nur wenig berührt. Es kommt nicht mehr darauf an, daß unser Großgrund¬
besitz durch seine überschüssigen Erträge die Städte ernährt, unsre Zukunft
und unsre Gesundheit fordert aber, daß in den weitesten Kreisen unsrer Be¬
völkerung und namentlich auch unter unsern Fabrik- und Bergarbeitern der
Sinn für Landwirtschaft erhalten und der Sinn für Gartenbau besser ent¬
wickelt werde. In unsrer Zeit muß uns an der Zwergwirtschaft mit dem in¬
dustriellen Nebengewerbe viel mehr als an Fideikommissen gelegen sein.




pädagogische Universitätsseminare

s giebt auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens gewisse Oöwruin
0SII860, d. h. Forderungen, deren Notwendigkeit sich überzeugend
nachweisen läßt, und deren Verwirklichung gleichwohl immer
wieder hinausgeschoben wird. Dazu gehört auf dem Gebiete des
Schulwesens die Forderung, daß an unsern Universitäten päda¬
gogische Seminare mit Übungsschulen errichtet werden sollten. Es liegt durch¬
aus im öffentlichen Interesse, die zukünftigen Lehrer höherer Schulen in Bezug
auf ihre erzieherischen Eigenschaften und besonders auf ihr Lehrgeschick ebenso


Pädagogische Universitätsseminare

werben einen bestimmten niedrigsten Preis für ihre Erzeugnisse sicherte. Es
kommt hinzu, daß wir nun einmal zu einem Industriestaats herangewachsen
und ohne diese Industrie unsre Bevölkerung zu ernähren außer stände sind,
die Industrie aber, um konkurrenzfähig mit dem Auslande zu bleiben, billiges
Brot für ihre Arbeiter nicht entbehren kann. Es mußte sich aber mit unserm
wirtschaftlichen Aufschwung dem Großgrundbesitzer besonders fühlbar machen,
daß wir mit einer Produktion, die von wirtschaftlich tiefer stehenden Ländern
in gleicher Weise betrieben wird, wie von uns, nicht zu konkurriren vermögen.
Niedrige Arbeitslöhne und jungfräulicher billiger Boden gestatten eine Preis¬
bildung, bei der sich unser mit fremden Kräften arbeitender und auf den Ver¬
kauf angewiesener Grundbesitzer nicht zu halten vermag. Der Erhaltung dieser
Grundbesitzer darf man unsre wirtschaftliche Größe nicht zum Opfer bringen,
unsre Landwirtschaft aber als Nährstand zu festigen, hat die Gesamtheit das
lebhafteste Interesse, und hierzu ist wohl kein andres Mittel denkbar, als daß
sie nicht durch künstliche Brotverteuerung, sondern durch die Natur ihres Be¬
triebes mehr und mehr von den Preisen auf dem Weltmarkt unabhängig wird.
Der Kleinbesitzer, der seine Erzeugnisse für sich und seine nächste Umgebung
bedarf, ist von der Preisbildung unabhängig, er arbeitet auf möglichste große
Gebrauchswerte und wird von dem Tauschwert seiner Erzeugnisse nicht oder
nur wenig berührt. Es kommt nicht mehr darauf an, daß unser Großgrund¬
besitz durch seine überschüssigen Erträge die Städte ernährt, unsre Zukunft
und unsre Gesundheit fordert aber, daß in den weitesten Kreisen unsrer Be¬
völkerung und namentlich auch unter unsern Fabrik- und Bergarbeitern der
Sinn für Landwirtschaft erhalten und der Sinn für Gartenbau besser ent¬
wickelt werde. In unsrer Zeit muß uns an der Zwergwirtschaft mit dem in¬
dustriellen Nebengewerbe viel mehr als an Fideikommissen gelegen sein.




pädagogische Universitätsseminare

s giebt auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens gewisse Oöwruin
0SII860, d. h. Forderungen, deren Notwendigkeit sich überzeugend
nachweisen läßt, und deren Verwirklichung gleichwohl immer
wieder hinausgeschoben wird. Dazu gehört auf dem Gebiete des
Schulwesens die Forderung, daß an unsern Universitäten päda¬
gogische Seminare mit Übungsschulen errichtet werden sollten. Es liegt durch¬
aus im öffentlichen Interesse, die zukünftigen Lehrer höherer Schulen in Bezug
auf ihre erzieherischen Eigenschaften und besonders auf ihr Lehrgeschick ebenso


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[0604] Pädagogische Universitätsseminare werben einen bestimmten niedrigsten Preis für ihre Erzeugnisse sicherte. Es kommt hinzu, daß wir nun einmal zu einem Industriestaats herangewachsen und ohne diese Industrie unsre Bevölkerung zu ernähren außer stände sind, die Industrie aber, um konkurrenzfähig mit dem Auslande zu bleiben, billiges Brot für ihre Arbeiter nicht entbehren kann. Es mußte sich aber mit unserm wirtschaftlichen Aufschwung dem Großgrundbesitzer besonders fühlbar machen, daß wir mit einer Produktion, die von wirtschaftlich tiefer stehenden Ländern in gleicher Weise betrieben wird, wie von uns, nicht zu konkurriren vermögen. Niedrige Arbeitslöhne und jungfräulicher billiger Boden gestatten eine Preis¬ bildung, bei der sich unser mit fremden Kräften arbeitender und auf den Ver¬ kauf angewiesener Grundbesitzer nicht zu halten vermag. Der Erhaltung dieser Grundbesitzer darf man unsre wirtschaftliche Größe nicht zum Opfer bringen, unsre Landwirtschaft aber als Nährstand zu festigen, hat die Gesamtheit das lebhafteste Interesse, und hierzu ist wohl kein andres Mittel denkbar, als daß sie nicht durch künstliche Brotverteuerung, sondern durch die Natur ihres Be¬ triebes mehr und mehr von den Preisen auf dem Weltmarkt unabhängig wird. Der Kleinbesitzer, der seine Erzeugnisse für sich und seine nächste Umgebung bedarf, ist von der Preisbildung unabhängig, er arbeitet auf möglichste große Gebrauchswerte und wird von dem Tauschwert seiner Erzeugnisse nicht oder nur wenig berührt. Es kommt nicht mehr darauf an, daß unser Großgrund¬ besitz durch seine überschüssigen Erträge die Städte ernährt, unsre Zukunft und unsre Gesundheit fordert aber, daß in den weitesten Kreisen unsrer Be¬ völkerung und namentlich auch unter unsern Fabrik- und Bergarbeitern der Sinn für Landwirtschaft erhalten und der Sinn für Gartenbau besser ent¬ wickelt werde. In unsrer Zeit muß uns an der Zwergwirtschaft mit dem in¬ dustriellen Nebengewerbe viel mehr als an Fideikommissen gelegen sein. pädagogische Universitätsseminare s giebt auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens gewisse Oöwruin 0SII860, d. h. Forderungen, deren Notwendigkeit sich überzeugend nachweisen läßt, und deren Verwirklichung gleichwohl immer wieder hinausgeschoben wird. Dazu gehört auf dem Gebiete des Schulwesens die Forderung, daß an unsern Universitäten päda¬ gogische Seminare mit Übungsschulen errichtet werden sollten. Es liegt durch¬ aus im öffentlichen Interesse, die zukünftigen Lehrer höherer Schulen in Bezug auf ihre erzieherischen Eigenschaften und besonders auf ihr Lehrgeschick ebenso

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/604>, abgerufen am 28.04.2024.