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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Der rechtliche Schutz der Baukunst

uf dem im September 1895 in Dresden abgehaltenen siebzehnten
Kongreß des Internationalen Verbandes zum Schlitze- des Ur¬
heberrechts an Werken des Schrifttums und der Kunst ist eine
Angelegenheit zwar gestreift, aber schließlich von der Beratung
abgesetzt wordeu, in der schwerlich schon das letzte Wort ge¬
sprochen ist. Es handelt sich um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, daß die
Gesetzgebung und die internationalen Verträge den Schutz. den sie gegenwärtig
fast allen selbständigen Bethätigungen des menschlichen Geistes gewähren oder
doch zugänglich machen, der Baukunst versagen, und ob es nicht vielmehr der
Gerechtigkeit und Billigkeit entspricht, auch dem Baukünstler die ausschließliche
Verfügung über das Erzeugnis seiner schöpferischen Thätigkeit zu sichern.

Es ist wirklich auffällig, wie die Baukunst in dieser Hinsicht durch das
frühere und das geltende Recht vernachlässigt worden ist. Allerdings ist der
Gedanke, einer Person die ausschließliche Herrschaft über unkörperliche Güter
in der Art einzuräumen, wie das Eigentumsrecht die Verfügungsgewalt über
greifbare Dinge der Außenwelt gewährleistet, noch nicht sehr alt und ist vor
der Erfindung der Buchdruckerkunst innerhalb und. soviel bekannt, auch außer¬
halb des deutschen Reiches nie aufgetreten. Erst nachdem Venedig gegen Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts mit einem Nachdruckverbot vorgegangen war,
sind seit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von der Reichsgesetzgebung
Strafandrohungen gegen unbefugten Nachdruck und den Verkauf nachgedruckter
Werke erlassen'worden. Während aber diese ältesten Rechtssätze noch die Be¬
einträchtigung des Urhebers eines Schriftwerkes in der wirtschaftlichen Aus¬
beutung seines Erzeugnisses durch ein ihm von dem Kaiser verliehenes Privileg
zu heben suchten, begannen schon die Reichs- und Landesgesetze, den Nachdruck
Privilegirter Werke und zum Teil auch nicht privilegirter Werke inländischer
Verfasser ganz allgemein zu untersage", bis am Schluß des vorigen Jahr¬
hunderts das preußische Landrecht diese Vorschrift wenigstens unter gewissen
Voraussetzungen auch auf die ausländischen Schriftsteller ausgedehnt hat.

Auch in Bezug auf den Schlitz von Kunstwerken ist das preußische Land¬
recht der Vorläufer der deutschen Gesetzgebungen gewesen, indem es die Nach¬
ahmung und Veräußerung der Werke von Künstlern der Berliner Akademie,
die von ihr als Kunstwerke anerkannt waren, mit einer geringfügigen Geld-




Der rechtliche Schutz der Baukunst

uf dem im September 1895 in Dresden abgehaltenen siebzehnten
Kongreß des Internationalen Verbandes zum Schlitze- des Ur¬
heberrechts an Werken des Schrifttums und der Kunst ist eine
Angelegenheit zwar gestreift, aber schließlich von der Beratung
abgesetzt wordeu, in der schwerlich schon das letzte Wort ge¬
sprochen ist. Es handelt sich um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, daß die
Gesetzgebung und die internationalen Verträge den Schutz. den sie gegenwärtig
fast allen selbständigen Bethätigungen des menschlichen Geistes gewähren oder
doch zugänglich machen, der Baukunst versagen, und ob es nicht vielmehr der
Gerechtigkeit und Billigkeit entspricht, auch dem Baukünstler die ausschließliche
Verfügung über das Erzeugnis seiner schöpferischen Thätigkeit zu sichern.

Es ist wirklich auffällig, wie die Baukunst in dieser Hinsicht durch das
frühere und das geltende Recht vernachlässigt worden ist. Allerdings ist der
Gedanke, einer Person die ausschließliche Herrschaft über unkörperliche Güter
in der Art einzuräumen, wie das Eigentumsrecht die Verfügungsgewalt über
greifbare Dinge der Außenwelt gewährleistet, noch nicht sehr alt und ist vor
der Erfindung der Buchdruckerkunst innerhalb und. soviel bekannt, auch außer¬
halb des deutschen Reiches nie aufgetreten. Erst nachdem Venedig gegen Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts mit einem Nachdruckverbot vorgegangen war,
sind seit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von der Reichsgesetzgebung
Strafandrohungen gegen unbefugten Nachdruck und den Verkauf nachgedruckter
Werke erlassen'worden. Während aber diese ältesten Rechtssätze noch die Be¬
einträchtigung des Urhebers eines Schriftwerkes in der wirtschaftlichen Aus¬
beutung seines Erzeugnisses durch ein ihm von dem Kaiser verliehenes Privileg
zu heben suchten, begannen schon die Reichs- und Landesgesetze, den Nachdruck
Privilegirter Werke und zum Teil auch nicht privilegirter Werke inländischer
Verfasser ganz allgemein zu untersage», bis am Schluß des vorigen Jahr¬
hunderts das preußische Landrecht diese Vorschrift wenigstens unter gewissen
Voraussetzungen auch auf die ausländischen Schriftsteller ausgedehnt hat.

Auch in Bezug auf den Schlitz von Kunstwerken ist das preußische Land¬
recht der Vorläufer der deutschen Gesetzgebungen gewesen, indem es die Nach¬
ahmung und Veräußerung der Werke von Künstlern der Berliner Akademie,
die von ihr als Kunstwerke anerkannt waren, mit einer geringfügigen Geld-


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[0035] [Abbildung] Der rechtliche Schutz der Baukunst uf dem im September 1895 in Dresden abgehaltenen siebzehnten Kongreß des Internationalen Verbandes zum Schlitze- des Ur¬ heberrechts an Werken des Schrifttums und der Kunst ist eine Angelegenheit zwar gestreift, aber schließlich von der Beratung abgesetzt wordeu, in der schwerlich schon das letzte Wort ge¬ sprochen ist. Es handelt sich um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, daß die Gesetzgebung und die internationalen Verträge den Schutz. den sie gegenwärtig fast allen selbständigen Bethätigungen des menschlichen Geistes gewähren oder doch zugänglich machen, der Baukunst versagen, und ob es nicht vielmehr der Gerechtigkeit und Billigkeit entspricht, auch dem Baukünstler die ausschließliche Verfügung über das Erzeugnis seiner schöpferischen Thätigkeit zu sichern. Es ist wirklich auffällig, wie die Baukunst in dieser Hinsicht durch das frühere und das geltende Recht vernachlässigt worden ist. Allerdings ist der Gedanke, einer Person die ausschließliche Herrschaft über unkörperliche Güter in der Art einzuräumen, wie das Eigentumsrecht die Verfügungsgewalt über greifbare Dinge der Außenwelt gewährleistet, noch nicht sehr alt und ist vor der Erfindung der Buchdruckerkunst innerhalb und. soviel bekannt, auch außer¬ halb des deutschen Reiches nie aufgetreten. Erst nachdem Venedig gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts mit einem Nachdruckverbot vorgegangen war, sind seit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von der Reichsgesetzgebung Strafandrohungen gegen unbefugten Nachdruck und den Verkauf nachgedruckter Werke erlassen'worden. Während aber diese ältesten Rechtssätze noch die Be¬ einträchtigung des Urhebers eines Schriftwerkes in der wirtschaftlichen Aus¬ beutung seines Erzeugnisses durch ein ihm von dem Kaiser verliehenes Privileg zu heben suchten, begannen schon die Reichs- und Landesgesetze, den Nachdruck Privilegirter Werke und zum Teil auch nicht privilegirter Werke inländischer Verfasser ganz allgemein zu untersage», bis am Schluß des vorigen Jahr¬ hunderts das preußische Landrecht diese Vorschrift wenigstens unter gewissen Voraussetzungen auch auf die ausländischen Schriftsteller ausgedehnt hat. Auch in Bezug auf den Schlitz von Kunstwerken ist das preußische Land¬ recht der Vorläufer der deutschen Gesetzgebungen gewesen, indem es die Nach¬ ahmung und Veräußerung der Werke von Künstlern der Berliner Akademie, die von ihr als Kunstwerke anerkannt waren, mit einer geringfügigen Geld-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/35>, abgerufen am 28.04.2024.