Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Politische Pastoren

aus. Der zehnte Gesang, das litterarische Wettrennen aus dem sich beständig
verändernden Pegasus, wird vielen als das eigentliche Meisterstück des Gedichts
erscheinen; Grenzbotenleser, die gewohnt sind, nicht bloß die besten Brocken
aus einer guten Schüssel zu fischen, werden aber bald erkennen, daß der
"Dumme Teufel" mehr als diese eine glückliche Episode hat, und zugleich daraus
entnehmen, welche Art von erzählender Dichtung mitten in der Gegenwart
volles Lebensrecht hat.




politische Pastoren

le Veröffentlichung des Wortlauts des vom Kaiser an den Ge¬
heimrat Hinzpeter am 28. Februar gesandten Telegramms über
Stöcker und die "politischen Pastoren" hat viel Staub auf¬
gewirbelt und hat auch in Kreisen, die dem Kaiser treu ergeben
sind, unangenehm berührt, indem man darin eine ausdrückliche
Billigung dafür erblicken zu müssen glaubte, daß der Freiherr von Stumm diese
kaiserliche Privatäußerung in seiner am 12. April in Neunkirchen gehaltenen
Rede benutzt hat. Wäre diese Annahme richtig, so würden auch wir die Ver¬
öffentlichung des Telegramms bedauern und die Überzeugung gewinnen, daß
dabei von einer unrichtigen Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Nabobs
und den Pastoren im Saarthale ausgegangen worden ist. Jedenfalls ist durch
^ehe Veröffentlichung denen eine rückhaltlose, unbefangne Prüfung des Inhalts
der kaiserlichen Äußerung zur Pflicht gemacht worden, die dem persönlichen
Einfluß des Kaisers bei der gedeihlichen Lösung der über alles schweren Auf¬
gabe der Gegenwart, bei der Lösung der sogenannten sozialen Frage, eine
wichtige Rolle beimessen und auf diesen Einfluß große Hoffnungen setzen. Wir
sind der Ansicht, daß der kaiserliche Einfluß, wie die Sachen nun einmal bei
"us liegen, ein Glück ist, daß auch das Bekanntwerden von Privatmeinungen
des Kaisers ganz und gar nicht, wie ein veralteter Büreaukratismus glaubt,
unrer ein großes Unglück ist, im Gegenteil, daß manchmal erst durch die da-
^'es hervorgerufne öffentliche Kritik der Kaiser über den bureaukratisch-nitida-
^!es-höfischen Wall hinweg die Möglichkeit eines klaren Urteils über viele
^uige, wie sie wirklich sind, erhält und sein Einfluß um so heilsamer werden
^ann. Weder Byzantinismus noch Vatikanismus gilt gegenüber den Ansichten
deutschen Kaisers. Unfehlbarkeit beansprucht niemand im deutscheu Reiche,
^ufehlbar ist keiner unter der Sonne, als unfehlbar will am wenigsten das
afferliche Telegramm angesehen werden über die politischen Pastoren, das ist
aus jeder Zeile des kurz' gefaßten Wortlauts zu ersehen.


Politische Pastoren

aus. Der zehnte Gesang, das litterarische Wettrennen aus dem sich beständig
verändernden Pegasus, wird vielen als das eigentliche Meisterstück des Gedichts
erscheinen; Grenzbotenleser, die gewohnt sind, nicht bloß die besten Brocken
aus einer guten Schüssel zu fischen, werden aber bald erkennen, daß der
„Dumme Teufel" mehr als diese eine glückliche Episode hat, und zugleich daraus
entnehmen, welche Art von erzählender Dichtung mitten in der Gegenwart
volles Lebensrecht hat.




politische Pastoren

le Veröffentlichung des Wortlauts des vom Kaiser an den Ge¬
heimrat Hinzpeter am 28. Februar gesandten Telegramms über
Stöcker und die „politischen Pastoren" hat viel Staub auf¬
gewirbelt und hat auch in Kreisen, die dem Kaiser treu ergeben
sind, unangenehm berührt, indem man darin eine ausdrückliche
Billigung dafür erblicken zu müssen glaubte, daß der Freiherr von Stumm diese
kaiserliche Privatäußerung in seiner am 12. April in Neunkirchen gehaltenen
Rede benutzt hat. Wäre diese Annahme richtig, so würden auch wir die Ver¬
öffentlichung des Telegramms bedauern und die Überzeugung gewinnen, daß
dabei von einer unrichtigen Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Nabobs
und den Pastoren im Saarthale ausgegangen worden ist. Jedenfalls ist durch
^ehe Veröffentlichung denen eine rückhaltlose, unbefangne Prüfung des Inhalts
der kaiserlichen Äußerung zur Pflicht gemacht worden, die dem persönlichen
Einfluß des Kaisers bei der gedeihlichen Lösung der über alles schweren Auf¬
gabe der Gegenwart, bei der Lösung der sogenannten sozialen Frage, eine
wichtige Rolle beimessen und auf diesen Einfluß große Hoffnungen setzen. Wir
sind der Ansicht, daß der kaiserliche Einfluß, wie die Sachen nun einmal bei
"us liegen, ein Glück ist, daß auch das Bekanntwerden von Privatmeinungen
des Kaisers ganz und gar nicht, wie ein veralteter Büreaukratismus glaubt,
unrer ein großes Unglück ist, im Gegenteil, daß manchmal erst durch die da-
^'es hervorgerufne öffentliche Kritik der Kaiser über den bureaukratisch-nitida-
^!es-höfischen Wall hinweg die Möglichkeit eines klaren Urteils über viele
^uige, wie sie wirklich sind, erhält und sein Einfluß um so heilsamer werden
^ann. Weder Byzantinismus noch Vatikanismus gilt gegenüber den Ansichten
deutschen Kaisers. Unfehlbarkeit beansprucht niemand im deutscheu Reiche,
^ufehlbar ist keiner unter der Sonne, als unfehlbar will am wenigsten das
afferliche Telegramm angesehen werden über die politischen Pastoren, das ist
aus jeder Zeile des kurz' gefaßten Wortlauts zu ersehen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222687"/>
          <fw type="header" place="top"> Politische Pastoren</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1116" prev="#ID_1115"> aus. Der zehnte Gesang, das litterarische Wettrennen aus dem sich beständig<lb/>
verändernden Pegasus, wird vielen als das eigentliche Meisterstück des Gedichts<lb/>
erscheinen; Grenzbotenleser, die gewohnt sind, nicht bloß die besten Brocken<lb/>
aus einer guten Schüssel zu fischen, werden aber bald erkennen, daß der<lb/>
&#x201E;Dumme Teufel" mehr als diese eine glückliche Episode hat, und zugleich daraus<lb/>
entnehmen, welche Art von erzählender Dichtung mitten in der Gegenwart<lb/>
volles Lebensrecht hat.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> politische Pastoren</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1117"> le Veröffentlichung des Wortlauts des vom Kaiser an den Ge¬<lb/>
heimrat Hinzpeter am 28. Februar gesandten Telegramms über<lb/>
Stöcker und die &#x201E;politischen Pastoren" hat viel Staub auf¬<lb/>
gewirbelt und hat auch in Kreisen, die dem Kaiser treu ergeben<lb/>
sind, unangenehm berührt, indem man darin eine ausdrückliche<lb/>
Billigung dafür erblicken zu müssen glaubte, daß der Freiherr von Stumm diese<lb/>
kaiserliche Privatäußerung in seiner am 12. April in Neunkirchen gehaltenen<lb/>
Rede benutzt hat. Wäre diese Annahme richtig, so würden auch wir die Ver¬<lb/>
öffentlichung des Telegramms bedauern und die Überzeugung gewinnen, daß<lb/>
dabei von einer unrichtigen Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Nabobs<lb/>
und den Pastoren im Saarthale ausgegangen worden ist. Jedenfalls ist durch<lb/>
^ehe Veröffentlichung denen eine rückhaltlose, unbefangne Prüfung des Inhalts<lb/>
der kaiserlichen Äußerung zur Pflicht gemacht worden, die dem persönlichen<lb/>
Einfluß des Kaisers bei der gedeihlichen Lösung der über alles schweren Auf¬<lb/>
gabe der Gegenwart, bei der Lösung der sogenannten sozialen Frage, eine<lb/>
wichtige Rolle beimessen und auf diesen Einfluß große Hoffnungen setzen. Wir<lb/>
sind der Ansicht, daß der kaiserliche Einfluß, wie die Sachen nun einmal bei<lb/>
"us liegen, ein Glück ist, daß auch das Bekanntwerden von Privatmeinungen<lb/>
des Kaisers ganz und gar nicht, wie ein veralteter Büreaukratismus glaubt,<lb/>
unrer ein großes Unglück ist, im Gegenteil, daß manchmal erst durch die da-<lb/>
^'es hervorgerufne öffentliche Kritik der Kaiser über den bureaukratisch-nitida-<lb/>
^!es-höfischen Wall hinweg die Möglichkeit eines klaren Urteils über viele<lb/>
^uige, wie sie wirklich sind, erhält und sein Einfluß um so heilsamer werden<lb/>
^ann. Weder Byzantinismus noch Vatikanismus gilt gegenüber den Ansichten<lb/>
deutschen Kaisers. Unfehlbarkeit beansprucht niemand im deutscheu Reiche,<lb/>
^ufehlbar ist keiner unter der Sonne, als unfehlbar will am wenigsten das<lb/>
afferliche Telegramm angesehen werden über die politischen Pastoren, das ist<lb/>
aus jeder Zeile des kurz' gefaßten Wortlauts zu ersehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] Politische Pastoren aus. Der zehnte Gesang, das litterarische Wettrennen aus dem sich beständig verändernden Pegasus, wird vielen als das eigentliche Meisterstück des Gedichts erscheinen; Grenzbotenleser, die gewohnt sind, nicht bloß die besten Brocken aus einer guten Schüssel zu fischen, werden aber bald erkennen, daß der „Dumme Teufel" mehr als diese eine glückliche Episode hat, und zugleich daraus entnehmen, welche Art von erzählender Dichtung mitten in der Gegenwart volles Lebensrecht hat. politische Pastoren le Veröffentlichung des Wortlauts des vom Kaiser an den Ge¬ heimrat Hinzpeter am 28. Februar gesandten Telegramms über Stöcker und die „politischen Pastoren" hat viel Staub auf¬ gewirbelt und hat auch in Kreisen, die dem Kaiser treu ergeben sind, unangenehm berührt, indem man darin eine ausdrückliche Billigung dafür erblicken zu müssen glaubte, daß der Freiherr von Stumm diese kaiserliche Privatäußerung in seiner am 12. April in Neunkirchen gehaltenen Rede benutzt hat. Wäre diese Annahme richtig, so würden auch wir die Ver¬ öffentlichung des Telegramms bedauern und die Überzeugung gewinnen, daß dabei von einer unrichtigen Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Nabobs und den Pastoren im Saarthale ausgegangen worden ist. Jedenfalls ist durch ^ehe Veröffentlichung denen eine rückhaltlose, unbefangne Prüfung des Inhalts der kaiserlichen Äußerung zur Pflicht gemacht worden, die dem persönlichen Einfluß des Kaisers bei der gedeihlichen Lösung der über alles schweren Auf¬ gabe der Gegenwart, bei der Lösung der sogenannten sozialen Frage, eine wichtige Rolle beimessen und auf diesen Einfluß große Hoffnungen setzen. Wir sind der Ansicht, daß der kaiserliche Einfluß, wie die Sachen nun einmal bei "us liegen, ein Glück ist, daß auch das Bekanntwerden von Privatmeinungen des Kaisers ganz und gar nicht, wie ein veralteter Büreaukratismus glaubt, unrer ein großes Unglück ist, im Gegenteil, daß manchmal erst durch die da- ^'es hervorgerufne öffentliche Kritik der Kaiser über den bureaukratisch-nitida- ^!es-höfischen Wall hinweg die Möglichkeit eines klaren Urteils über viele ^uige, wie sie wirklich sind, erhält und sein Einfluß um so heilsamer werden ^ann. Weder Byzantinismus noch Vatikanismus gilt gegenüber den Ansichten deutschen Kaisers. Unfehlbarkeit beansprucht niemand im deutscheu Reiche, ^ufehlbar ist keiner unter der Sonne, als unfehlbar will am wenigsten das afferliche Telegramm angesehen werden über die politischen Pastoren, das ist aus jeder Zeile des kurz' gefaßten Wortlauts zu ersehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/383>, abgerufen am 28.04.2024.