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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Aus dem Heidedorf

Schule mindestens 80 bis 100 Lieder. Dann würde der deutsche Volksgesang
wieder aufleben. Dann würden bei Kaiserfesten auch die Erzieher der deutschen
Jugend, die formalen Ritter der formalen Bildung, die ihre Horazischen Oden
im Schlafe aufsagen, die fünf Verse von "Heil dir im Siegerkranz" aus¬
wendig singen können.

Dann wird das deutsche Lied wieder Gemeingut des Volks werden, dann
wird unser Volk bei frohen Festen, bei vaterländischen Tagen, bei der Arbeit
und bei der Ernte wieder Mittel und Wege haben, die Freude auszuströmen,
der bewegten Seele Ausdruck zu verschaffen. Dann verschwinden wieder mehr
die französischen Chantants, die heute unser Volk vergiften, wie einst Kotzebue
mit französischer Galanterieware das deutsche Theater verderbt hat. Das
deutsche Lied wird wieder den gebührenden Platz einnehmen, es wird wieder
belebend, erfreuend, fördernd auf uns alle wirken, es wird etwas verwischen
die Unterschiede der Stände, die sich nur zu oft in falscher Weise fühlbar
machen. Erzieherisch kann es keine vornehmere Aufgabe geben, als das deutsche
Volkslied innig mit dem Gemüte des ganzen Volkes zu verschmelzen. Alle
Gegensätze der Stände, der Altersstufen, der religiösen und politischen An¬
schauungen würden gemildert durch das Lied. Im Liede nähern sich alle,
finden sich alle, versteh" sich alle, einen sich alle.




Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Jeep Skizzen von
2. Lange Lukas

einer Lukas war tot, und sein Gut war verkauft. Das ganze Dorf
sprach davon.

Und Lange Lukas -- was wird nun mit ihm wern, was wird
der machen?

Das wird nicht viel wern mit ihm. Mit Lange Lukas ist es
aus. Ja, wenns noch der Sohn wäre, der würde ihm die Pacht
erneuern. Aber der Fremde? Der hat doch das nur gekauft, weil er es ver-
parzellieren will. Der wird was ganz hübsches herausschlagen, wenn er es stück¬
weis versteigert, und Lange Lukns sein Plan, der ist gut imstande. Lange Lukns
werden sie steigern, daß ihm der Atem wegbleibt.

Wie hat der Berliner das nur so schnell kunnt wissen; Christiane that "och
mit mir reden, sie spricht: Pamer Lukas soll ja so krank sein, na die Jahre hat
er ja auch. Das ist so um neun Uhr gewest. Ich kam gerade mit den Eimern
von Born-Peschkes, da sehen wir uns um, kommt ein Kutschwngeu gefahren, und


Aus dem Heidedorf

Schule mindestens 80 bis 100 Lieder. Dann würde der deutsche Volksgesang
wieder aufleben. Dann würden bei Kaiserfesten auch die Erzieher der deutschen
Jugend, die formalen Ritter der formalen Bildung, die ihre Horazischen Oden
im Schlafe aufsagen, die fünf Verse von „Heil dir im Siegerkranz" aus¬
wendig singen können.

Dann wird das deutsche Lied wieder Gemeingut des Volks werden, dann
wird unser Volk bei frohen Festen, bei vaterländischen Tagen, bei der Arbeit
und bei der Ernte wieder Mittel und Wege haben, die Freude auszuströmen,
der bewegten Seele Ausdruck zu verschaffen. Dann verschwinden wieder mehr
die französischen Chantants, die heute unser Volk vergiften, wie einst Kotzebue
mit französischer Galanterieware das deutsche Theater verderbt hat. Das
deutsche Lied wird wieder den gebührenden Platz einnehmen, es wird wieder
belebend, erfreuend, fördernd auf uns alle wirken, es wird etwas verwischen
die Unterschiede der Stände, die sich nur zu oft in falscher Weise fühlbar
machen. Erzieherisch kann es keine vornehmere Aufgabe geben, als das deutsche
Volkslied innig mit dem Gemüte des ganzen Volkes zu verschmelzen. Alle
Gegensätze der Stände, der Altersstufen, der religiösen und politischen An¬
schauungen würden gemildert durch das Lied. Im Liede nähern sich alle,
finden sich alle, versteh» sich alle, einen sich alle.




Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Jeep Skizzen von
2. Lange Lukas

einer Lukas war tot, und sein Gut war verkauft. Das ganze Dorf
sprach davon.

Und Lange Lukas — was wird nun mit ihm wern, was wird
der machen?

Das wird nicht viel wern mit ihm. Mit Lange Lukas ist es
aus. Ja, wenns noch der Sohn wäre, der würde ihm die Pacht
erneuern. Aber der Fremde? Der hat doch das nur gekauft, weil er es ver-
parzellieren will. Der wird was ganz hübsches herausschlagen, wenn er es stück¬
weis versteigert, und Lange Lukns sein Plan, der ist gut imstande. Lange Lukns
werden sie steigern, daß ihm der Atem wegbleibt.

Wie hat der Berliner das nur so schnell kunnt wissen; Christiane that »och
mit mir reden, sie spricht: Pamer Lukas soll ja so krank sein, na die Jahre hat
er ja auch. Das ist so um neun Uhr gewest. Ich kam gerade mit den Eimern
von Born-Peschkes, da sehen wir uns um, kommt ein Kutschwngeu gefahren, und


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[0054] Aus dem Heidedorf Schule mindestens 80 bis 100 Lieder. Dann würde der deutsche Volksgesang wieder aufleben. Dann würden bei Kaiserfesten auch die Erzieher der deutschen Jugend, die formalen Ritter der formalen Bildung, die ihre Horazischen Oden im Schlafe aufsagen, die fünf Verse von „Heil dir im Siegerkranz" aus¬ wendig singen können. Dann wird das deutsche Lied wieder Gemeingut des Volks werden, dann wird unser Volk bei frohen Festen, bei vaterländischen Tagen, bei der Arbeit und bei der Ernte wieder Mittel und Wege haben, die Freude auszuströmen, der bewegten Seele Ausdruck zu verschaffen. Dann verschwinden wieder mehr die französischen Chantants, die heute unser Volk vergiften, wie einst Kotzebue mit französischer Galanterieware das deutsche Theater verderbt hat. Das deutsche Lied wird wieder den gebührenden Platz einnehmen, es wird wieder belebend, erfreuend, fördernd auf uns alle wirken, es wird etwas verwischen die Unterschiede der Stände, die sich nur zu oft in falscher Weise fühlbar machen. Erzieherisch kann es keine vornehmere Aufgabe geben, als das deutsche Volkslied innig mit dem Gemüte des ganzen Volkes zu verschmelzen. Alle Gegensätze der Stände, der Altersstufen, der religiösen und politischen An¬ schauungen würden gemildert durch das Lied. Im Liede nähern sich alle, finden sich alle, versteh» sich alle, einen sich alle. Aus dem Heidedorf Beate Borns-Jeep Skizzen von 2. Lange Lukas einer Lukas war tot, und sein Gut war verkauft. Das ganze Dorf sprach davon. Und Lange Lukas — was wird nun mit ihm wern, was wird der machen? Das wird nicht viel wern mit ihm. Mit Lange Lukas ist es aus. Ja, wenns noch der Sohn wäre, der würde ihm die Pacht erneuern. Aber der Fremde? Der hat doch das nur gekauft, weil er es ver- parzellieren will. Der wird was ganz hübsches herausschlagen, wenn er es stück¬ weis versteigert, und Lange Lukns sein Plan, der ist gut imstande. Lange Lukns werden sie steigern, daß ihm der Atem wegbleibt. Wie hat der Berliner das nur so schnell kunnt wissen; Christiane that »och mit mir reden, sie spricht: Pamer Lukas soll ja so krank sein, na die Jahre hat er ja auch. Das ist so um neun Uhr gewest. Ich kam gerade mit den Eimern von Born-Peschkes, da sehen wir uns um, kommt ein Kutschwngeu gefahren, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/54>, abgerufen am 07.05.2024.