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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Dreimal gefunden

zu ihrem Volk hat gerade hier unter dem Reiche nichts verloren. Es ist eine
gute Ehe, nicht ohne die Trübungen, die dazu gehören, im allgemeinen voll
Vertrauen und Hingebung von feiten der bürgerlichen und bäuerlichen Teile
des Volles und sehr oft auch von feiten der Fürsten. Ich bewundre diese
mehr als jenes, wie sie unter andern, schwierigern Verhältnissen die alten
patriarchalischen Beziehungen anfrecht erhalten. Die Existenz eines Herzogs
von Anhalt hat gewiß viel Schönes, aber um einen Sommersonntag in seinem
herrlichen Park zu Wörlitz beneide ich ihn nicht. Als der Urgroßvater die
Urgroßmutter nahm und ihr diesen Park zum Angebinde gab, da besuchten
ihn schüchtern gute Bürgersfamilieu aus Dessau oder Wittenberg, die sich deu
Luxus eines Haudercrs gönnen durften, und wenn Serenissimus ihnen be¬
gegnete, sanken sie in die Erde; er erkannte sie aber und zeichnete sie durch
huldvolle Ansprache aus. Jetzt ergießen Eisenbahn, Dampfboot -- von Coswig
aus -- und Lohnkutscher, das Fahrrad, dieses nivellierende Instrument nicht
zu vergessen, allsonntäglich und sogar allmittwochlich Tausende von Menschen
in dieses friedliche Gelände. Wenige von ihnen haben das Bewußtsein, daß
sie hier beim Herzog von Anhalt zu Gast sind. Die Mehrzahl schreit, johlt
und benimmt sich nicht wie zu Hause, nein wie in irgend einem öffentlichen
Lokal dritten Ranges. Dabei hält es der Herzog für seine Pflicht, wie sein
Vater und sein Großvater, sich gerade Sonntags dem Volk zu zeigen, und sogar
sein liebes Töchterlein kutschiert sein Ponnygespnnn durch die Wagenburg der
Sonntagsgäste. Früher hörte der Lärm mit Sonnenuntergang auf. Jetzt sorgt
die mit herzoglicher Genehmigung durch die füllen Gründe von Jonitz und
Oranienbaum gebaute Lokalbahn dafür, daß sich der Bodensatz des Sonntags¬
publikums erst nach zehn Uhr empfiehlt. Aus der weltabgeschiedenen Idylle
ist ein Vorstadtvergnügnngsort geworden. Kann man als Landesvater seinem
Volke mehr entgegenkommen?




Dreimal gefunden
Magdalene Thoresen Novelle von(Fortsetzung)

us war nun also das Wiedersehen, wonach er sich seit mehr als zwei
Jahren gesehnt hatte! Dafür hatte er sozusagen sein Leben gewaschen
und gereinigt, daß er zu ihr sagen könnte: Nun ist nichts mehr da,
worüber du dich zu schämen brauchst. Und nun war sie es, auf deren
Seite die Schande war. Oder war es anders? Ein ehrbares Mttdchen
blieb doch nicht bei einem solchen Kerl im Hanse, der es in die
Wangen kniff und es mit verliebten Angen anstarrte!


Dreimal gefunden

zu ihrem Volk hat gerade hier unter dem Reiche nichts verloren. Es ist eine
gute Ehe, nicht ohne die Trübungen, die dazu gehören, im allgemeinen voll
Vertrauen und Hingebung von feiten der bürgerlichen und bäuerlichen Teile
des Volles und sehr oft auch von feiten der Fürsten. Ich bewundre diese
mehr als jenes, wie sie unter andern, schwierigern Verhältnissen die alten
patriarchalischen Beziehungen anfrecht erhalten. Die Existenz eines Herzogs
von Anhalt hat gewiß viel Schönes, aber um einen Sommersonntag in seinem
herrlichen Park zu Wörlitz beneide ich ihn nicht. Als der Urgroßvater die
Urgroßmutter nahm und ihr diesen Park zum Angebinde gab, da besuchten
ihn schüchtern gute Bürgersfamilieu aus Dessau oder Wittenberg, die sich deu
Luxus eines Haudercrs gönnen durften, und wenn Serenissimus ihnen be¬
gegnete, sanken sie in die Erde; er erkannte sie aber und zeichnete sie durch
huldvolle Ansprache aus. Jetzt ergießen Eisenbahn, Dampfboot — von Coswig
aus — und Lohnkutscher, das Fahrrad, dieses nivellierende Instrument nicht
zu vergessen, allsonntäglich und sogar allmittwochlich Tausende von Menschen
in dieses friedliche Gelände. Wenige von ihnen haben das Bewußtsein, daß
sie hier beim Herzog von Anhalt zu Gast sind. Die Mehrzahl schreit, johlt
und benimmt sich nicht wie zu Hause, nein wie in irgend einem öffentlichen
Lokal dritten Ranges. Dabei hält es der Herzog für seine Pflicht, wie sein
Vater und sein Großvater, sich gerade Sonntags dem Volk zu zeigen, und sogar
sein liebes Töchterlein kutschiert sein Ponnygespnnn durch die Wagenburg der
Sonntagsgäste. Früher hörte der Lärm mit Sonnenuntergang auf. Jetzt sorgt
die mit herzoglicher Genehmigung durch die füllen Gründe von Jonitz und
Oranienbaum gebaute Lokalbahn dafür, daß sich der Bodensatz des Sonntags¬
publikums erst nach zehn Uhr empfiehlt. Aus der weltabgeschiedenen Idylle
ist ein Vorstadtvergnügnngsort geworden. Kann man als Landesvater seinem
Volke mehr entgegenkommen?




Dreimal gefunden
Magdalene Thoresen Novelle von(Fortsetzung)

us war nun also das Wiedersehen, wonach er sich seit mehr als zwei
Jahren gesehnt hatte! Dafür hatte er sozusagen sein Leben gewaschen
und gereinigt, daß er zu ihr sagen könnte: Nun ist nichts mehr da,
worüber du dich zu schämen brauchst. Und nun war sie es, auf deren
Seite die Schande war. Oder war es anders? Ein ehrbares Mttdchen
blieb doch nicht bei einem solchen Kerl im Hanse, der es in die
Wangen kniff und es mit verliebten Angen anstarrte!


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[0101] Dreimal gefunden zu ihrem Volk hat gerade hier unter dem Reiche nichts verloren. Es ist eine gute Ehe, nicht ohne die Trübungen, die dazu gehören, im allgemeinen voll Vertrauen und Hingebung von feiten der bürgerlichen und bäuerlichen Teile des Volles und sehr oft auch von feiten der Fürsten. Ich bewundre diese mehr als jenes, wie sie unter andern, schwierigern Verhältnissen die alten patriarchalischen Beziehungen anfrecht erhalten. Die Existenz eines Herzogs von Anhalt hat gewiß viel Schönes, aber um einen Sommersonntag in seinem herrlichen Park zu Wörlitz beneide ich ihn nicht. Als der Urgroßvater die Urgroßmutter nahm und ihr diesen Park zum Angebinde gab, da besuchten ihn schüchtern gute Bürgersfamilieu aus Dessau oder Wittenberg, die sich deu Luxus eines Haudercrs gönnen durften, und wenn Serenissimus ihnen be¬ gegnete, sanken sie in die Erde; er erkannte sie aber und zeichnete sie durch huldvolle Ansprache aus. Jetzt ergießen Eisenbahn, Dampfboot — von Coswig aus — und Lohnkutscher, das Fahrrad, dieses nivellierende Instrument nicht zu vergessen, allsonntäglich und sogar allmittwochlich Tausende von Menschen in dieses friedliche Gelände. Wenige von ihnen haben das Bewußtsein, daß sie hier beim Herzog von Anhalt zu Gast sind. Die Mehrzahl schreit, johlt und benimmt sich nicht wie zu Hause, nein wie in irgend einem öffentlichen Lokal dritten Ranges. Dabei hält es der Herzog für seine Pflicht, wie sein Vater und sein Großvater, sich gerade Sonntags dem Volk zu zeigen, und sogar sein liebes Töchterlein kutschiert sein Ponnygespnnn durch die Wagenburg der Sonntagsgäste. Früher hörte der Lärm mit Sonnenuntergang auf. Jetzt sorgt die mit herzoglicher Genehmigung durch die füllen Gründe von Jonitz und Oranienbaum gebaute Lokalbahn dafür, daß sich der Bodensatz des Sonntags¬ publikums erst nach zehn Uhr empfiehlt. Aus der weltabgeschiedenen Idylle ist ein Vorstadtvergnügnngsort geworden. Kann man als Landesvater seinem Volke mehr entgegenkommen? Dreimal gefunden Magdalene Thoresen Novelle von(Fortsetzung) us war nun also das Wiedersehen, wonach er sich seit mehr als zwei Jahren gesehnt hatte! Dafür hatte er sozusagen sein Leben gewaschen und gereinigt, daß er zu ihr sagen könnte: Nun ist nichts mehr da, worüber du dich zu schämen brauchst. Und nun war sie es, auf deren Seite die Schande war. Oder war es anders? Ein ehrbares Mttdchen blieb doch nicht bei einem solchen Kerl im Hanse, der es in die Wangen kniff und es mit verliebten Angen anstarrte!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/101>, abgerufen am 24.05.2024.