Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ronfusiusse

besondres Gepräge, Ägypten, Griechenland, Indien, China ebenso. Die Kelten,
die italischen Aborigincr, die Etrusker besaßen ebenfalls ihr Erbgut, das freilich
wenig glänzend, wenig geeignet, Bewundrung hervorzurufen, aber echt, ge¬
diegen, praktisch und scharf ausgeprägt war. Rom zog von ihrer aller
Schöpfungen ein wenig, einen Zipfel, einen Fetzen an sich, und das in Zeit¬
punkten, wo sie schon alt geworden, beschmutzt, verbraucht, nahezu abgelegt
waren. In seinen Mauer" richtete es nicht etwa eine Werkstätte der Zivili¬
sation ein, worin es je mit überlegnem Geiste Werke von eigentümlichem Ge¬
präge ausgearbeitet hätte, sondern ein Lager von Flitterstaat, worin es ohne
Wahl alles anfhänfte, was es dem ohnmächtigen Alter der Völker seiner Zeit
mühelos entwendete. Imponierend wie die Schwäche seiner Umgebung es er¬
scheinen ließ, war es dies doch nie genug, um etwas allgemeines zustande zu
bringen, wäre es auch nur ein alle seine Bestandteile verschmelzender Kom¬
promiß gewesen." Merkwürdig, daß diese Trödelbude noch anderthalbtausend
Jahre nach ihrem Einsturz gewaltigen Einfluß ausüben und die Deutschen
zwingen kann, mit wenig Aussicht auf baldigen Erfolg "los von Rom!" zu
rufe"!




Die Konfusiusse
Line Plauderei

s ist ein altes Wort: die Gelehrten, die Verkehrten! Mit diesen,
Reimchen liebt der Geschäftsmann den Studierten, der Praktikus
deu Theoretiker abzuthun. Wer möchte das darin steckende
Körnlein Wahrheit leugnen? Wenn die Bemerkung auch heut¬
zutage nicht mehr in dem Maße zutrifft wie noch vor hundert
Jahre", indem nachgerade, dank dem Reisen und dem Dienen, das ganze Volk
etwas weltklug und weltmännisch geworden ist: Originale, die eine ungeordnete
Bibliothek im Kopfe heimtragen, aber sich dabei keine Lampe anzünden, keine
Kravatte binden können, giebt es doch immer noch, besonders an kleinen Orten,
^"r ist ^ Berckehrtheit, was die Guten charakterisiert und
vstimcks um ihrem Fortkommen hindert, vielmehr eine gewisse liebenswürdige
^"lfalt, eine kindliche Unbeholfenheit in den gewöhnliche,! Dingen des Lebens,
wie sie höhern Meuschen, eben ihrer Vorzüglichkeit wegen, eigentümlich ist --
dle Unklugheit der sogenannten reinen Thoren. Nein nein, die Gelehrten sind
die Verkehrten uicht.

Warum nicht lieber: die Fremden, die Verdrehten! Denn in der Fremde
wird "ach landläufiger Meinung alles dumm und verkehrt gemacht, sofern es
sich nämlich um verschiedne Nassen und Religionen handelt, eine Ansicht, die


Die Ronfusiusse

besondres Gepräge, Ägypten, Griechenland, Indien, China ebenso. Die Kelten,
die italischen Aborigincr, die Etrusker besaßen ebenfalls ihr Erbgut, das freilich
wenig glänzend, wenig geeignet, Bewundrung hervorzurufen, aber echt, ge¬
diegen, praktisch und scharf ausgeprägt war. Rom zog von ihrer aller
Schöpfungen ein wenig, einen Zipfel, einen Fetzen an sich, und das in Zeit¬
punkten, wo sie schon alt geworden, beschmutzt, verbraucht, nahezu abgelegt
waren. In seinen Mauer» richtete es nicht etwa eine Werkstätte der Zivili¬
sation ein, worin es je mit überlegnem Geiste Werke von eigentümlichem Ge¬
präge ausgearbeitet hätte, sondern ein Lager von Flitterstaat, worin es ohne
Wahl alles anfhänfte, was es dem ohnmächtigen Alter der Völker seiner Zeit
mühelos entwendete. Imponierend wie die Schwäche seiner Umgebung es er¬
scheinen ließ, war es dies doch nie genug, um etwas allgemeines zustande zu
bringen, wäre es auch nur ein alle seine Bestandteile verschmelzender Kom¬
promiß gewesen." Merkwürdig, daß diese Trödelbude noch anderthalbtausend
Jahre nach ihrem Einsturz gewaltigen Einfluß ausüben und die Deutschen
zwingen kann, mit wenig Aussicht auf baldigen Erfolg „los von Rom!" zu
rufe»!




Die Konfusiusse
Line Plauderei

s ist ein altes Wort: die Gelehrten, die Verkehrten! Mit diesen,
Reimchen liebt der Geschäftsmann den Studierten, der Praktikus
deu Theoretiker abzuthun. Wer möchte das darin steckende
Körnlein Wahrheit leugnen? Wenn die Bemerkung auch heut¬
zutage nicht mehr in dem Maße zutrifft wie noch vor hundert
Jahre», indem nachgerade, dank dem Reisen und dem Dienen, das ganze Volk
etwas weltklug und weltmännisch geworden ist: Originale, die eine ungeordnete
Bibliothek im Kopfe heimtragen, aber sich dabei keine Lampe anzünden, keine
Kravatte binden können, giebt es doch immer noch, besonders an kleinen Orten,
^»r ist ^ Berckehrtheit, was die Guten charakterisiert und
vstimcks um ihrem Fortkommen hindert, vielmehr eine gewisse liebenswürdige
^"lfalt, eine kindliche Unbeholfenheit in den gewöhnliche,! Dingen des Lebens,
wie sie höhern Meuschen, eben ihrer Vorzüglichkeit wegen, eigentümlich ist —
dle Unklugheit der sogenannten reinen Thoren. Nein nein, die Gelehrten sind
die Verkehrten uicht.

Warum nicht lieber: die Fremden, die Verdrehten! Denn in der Fremde
wird »ach landläufiger Meinung alles dumm und verkehrt gemacht, sofern es
sich nämlich um verschiedne Nassen und Religionen handelt, eine Ansicht, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291222"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Ronfusiusse</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_503" prev="#ID_502"> besondres Gepräge, Ägypten, Griechenland, Indien, China ebenso. Die Kelten,<lb/>
die italischen Aborigincr, die Etrusker besaßen ebenfalls ihr Erbgut, das freilich<lb/>
wenig glänzend, wenig geeignet, Bewundrung hervorzurufen, aber echt, ge¬<lb/>
diegen, praktisch und scharf ausgeprägt war. Rom zog von ihrer aller<lb/>
Schöpfungen ein wenig, einen Zipfel, einen Fetzen an sich, und das in Zeit¬<lb/>
punkten, wo sie schon alt geworden, beschmutzt, verbraucht, nahezu abgelegt<lb/>
waren. In seinen Mauer» richtete es nicht etwa eine Werkstätte der Zivili¬<lb/>
sation ein, worin es je mit überlegnem Geiste Werke von eigentümlichem Ge¬<lb/>
präge ausgearbeitet hätte, sondern ein Lager von Flitterstaat, worin es ohne<lb/>
Wahl alles anfhänfte, was es dem ohnmächtigen Alter der Völker seiner Zeit<lb/>
mühelos entwendete. Imponierend wie die Schwäche seiner Umgebung es er¬<lb/>
scheinen ließ, war es dies doch nie genug, um etwas allgemeines zustande zu<lb/>
bringen, wäre es auch nur ein alle seine Bestandteile verschmelzender Kom¬<lb/>
promiß gewesen." Merkwürdig, daß diese Trödelbude noch anderthalbtausend<lb/>
Jahre nach ihrem Einsturz gewaltigen Einfluß ausüben und die Deutschen<lb/>
zwingen kann, mit wenig Aussicht auf baldigen Erfolg &#x201E;los von Rom!" zu<lb/>
rufe»!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Konfusiusse<lb/>
Line Plauderei </head><lb/>
          <p xml:id="ID_504"> s ist ein altes Wort: die Gelehrten, die Verkehrten! Mit diesen,<lb/>
Reimchen liebt der Geschäftsmann den Studierten, der Praktikus<lb/>
deu Theoretiker abzuthun. Wer möchte das darin steckende<lb/>
Körnlein Wahrheit leugnen? Wenn die Bemerkung auch heut¬<lb/>
zutage nicht mehr in dem Maße zutrifft wie noch vor hundert<lb/>
Jahre», indem nachgerade, dank dem Reisen und dem Dienen, das ganze Volk<lb/>
etwas weltklug und weltmännisch geworden ist: Originale, die eine ungeordnete<lb/>
Bibliothek im Kopfe heimtragen, aber sich dabei keine Lampe anzünden, keine<lb/>
Kravatte binden können, giebt es doch immer noch, besonders an kleinen Orten,<lb/>
^»r ist ^ Berckehrtheit, was die Guten charakterisiert und<lb/>
vstimcks um ihrem Fortkommen hindert, vielmehr eine gewisse liebenswürdige<lb/>
^"lfalt, eine kindliche Unbeholfenheit in den gewöhnliche,! Dingen des Lebens,<lb/>
wie sie höhern Meuschen, eben ihrer Vorzüglichkeit wegen, eigentümlich ist &#x2014;<lb/>
dle Unklugheit der sogenannten reinen Thoren. Nein nein, die Gelehrten sind<lb/>
die Verkehrten uicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_505" next="#ID_506"> Warum nicht lieber: die Fremden, die Verdrehten! Denn in der Fremde<lb/>
wird »ach landläufiger Meinung alles dumm und verkehrt gemacht, sofern es<lb/>
sich nämlich um verschiedne Nassen und Religionen handelt, eine Ansicht, die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Die Ronfusiusse besondres Gepräge, Ägypten, Griechenland, Indien, China ebenso. Die Kelten, die italischen Aborigincr, die Etrusker besaßen ebenfalls ihr Erbgut, das freilich wenig glänzend, wenig geeignet, Bewundrung hervorzurufen, aber echt, ge¬ diegen, praktisch und scharf ausgeprägt war. Rom zog von ihrer aller Schöpfungen ein wenig, einen Zipfel, einen Fetzen an sich, und das in Zeit¬ punkten, wo sie schon alt geworden, beschmutzt, verbraucht, nahezu abgelegt waren. In seinen Mauer» richtete es nicht etwa eine Werkstätte der Zivili¬ sation ein, worin es je mit überlegnem Geiste Werke von eigentümlichem Ge¬ präge ausgearbeitet hätte, sondern ein Lager von Flitterstaat, worin es ohne Wahl alles anfhänfte, was es dem ohnmächtigen Alter der Völker seiner Zeit mühelos entwendete. Imponierend wie die Schwäche seiner Umgebung es er¬ scheinen ließ, war es dies doch nie genug, um etwas allgemeines zustande zu bringen, wäre es auch nur ein alle seine Bestandteile verschmelzender Kom¬ promiß gewesen." Merkwürdig, daß diese Trödelbude noch anderthalbtausend Jahre nach ihrem Einsturz gewaltigen Einfluß ausüben und die Deutschen zwingen kann, mit wenig Aussicht auf baldigen Erfolg „los von Rom!" zu rufe»! Die Konfusiusse Line Plauderei s ist ein altes Wort: die Gelehrten, die Verkehrten! Mit diesen, Reimchen liebt der Geschäftsmann den Studierten, der Praktikus deu Theoretiker abzuthun. Wer möchte das darin steckende Körnlein Wahrheit leugnen? Wenn die Bemerkung auch heut¬ zutage nicht mehr in dem Maße zutrifft wie noch vor hundert Jahre», indem nachgerade, dank dem Reisen und dem Dienen, das ganze Volk etwas weltklug und weltmännisch geworden ist: Originale, die eine ungeordnete Bibliothek im Kopfe heimtragen, aber sich dabei keine Lampe anzünden, keine Kravatte binden können, giebt es doch immer noch, besonders an kleinen Orten, ^»r ist ^ Berckehrtheit, was die Guten charakterisiert und vstimcks um ihrem Fortkommen hindert, vielmehr eine gewisse liebenswürdige ^"lfalt, eine kindliche Unbeholfenheit in den gewöhnliche,! Dingen des Lebens, wie sie höhern Meuschen, eben ihrer Vorzüglichkeit wegen, eigentümlich ist — dle Unklugheit der sogenannten reinen Thoren. Nein nein, die Gelehrten sind die Verkehrten uicht. Warum nicht lieber: die Fremden, die Verdrehten! Denn in der Fremde wird »ach landläufiger Meinung alles dumm und verkehrt gemacht, sofern es sich nämlich um verschiedne Nassen und Religionen handelt, eine Ansicht, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/145>, abgerufen am 24.05.2024.