Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Lerujahre eines Theologe" kräftige deutsche Wirtschaftsleben natürlich durch ein zwanzigjähriges Prolet />' Lernjahre eines Theologen Erlebnisse und Beobachtinigen s ist ein Zeichen der großen Zerklüftung in unserm Volksleben, I Kein Wunder, daß sich für das innere Ringen, das heute fast jeder Theo¬ ") Alles und Neues, Z. Hast, Stuttgart, 1882, Seite 268.
Lerujahre eines Theologe» kräftige deutsche Wirtschaftsleben natürlich durch ein zwanzigjähriges Prolet />' Lernjahre eines Theologen Erlebnisse und Beobachtinigen s ist ein Zeichen der großen Zerklüftung in unserm Volksleben, I Kein Wunder, daß sich für das innere Ringen, das heute fast jeder Theo¬ ») Alles und Neues, Z. Hast, Stuttgart, 1882, Seite 268.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291265"/> <fw type="header" place="top"> Lerujahre eines Theologe»</fw><lb/> <p xml:id="ID_687" prev="#ID_686"> kräftige deutsche Wirtschaftsleben natürlich durch ein zwanzigjähriges Prolet<lb/> tivnssystem gebracht lverdeu müßte, unfehlbare Rezepte in wenig Worten zu<lb/> geben wagen? Aber wenn wir kurz den Eindruck, den Nur von der Lage der<lb/> Landwirtschaft gegenüber den Handelsverträgen in den letzten Jahren gewonnen<lb/> haben, ausdrücken sollen, so sagen wir eben: Los davou, sobald als möglich!</p><lb/> <note type="byline"> />'</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Lernjahre eines Theologen<lb/> Erlebnisse und Beobachtinigen </head><lb/> <p xml:id="ID_688"> s ist ein Zeichen der großen Zerklüftung in unserm Volksleben,<lb/> daß sich die einzelnen Berufskreise in ihrem innersten Streben<lb/> kaum uoch versteh». Innere Einheit der Kultur ist das Zeichen<lb/> für die Gesundheit des geistigen. Lebens in einem Volke, Vor<lb/> hundert Jahren war diese Einheit annähernd erreicht. Heikle ist<lb/> unser Volk mehr als je in besondre Berufsklassen und Interessengemeinschaften<lb/> zersplittert. Es wäre oberflächlich, wenn wir dabei nnr an die große Kluft<lb/> denken wollten, die Besitzende und Besitzlose scheidet. Auch Handwerker und<lb/> Fabrikarbeiter siud innerlich von einander getrennt. Ebenso haben die In¬<lb/> dustriellen und die Kaufleute wenig mehr mit den Gelehrten zu thun, sodaß die<lb/> „Hamburger Nachrichten" die Gelehrten für die Drohnen im Organismus des<lb/> Staats erklären konnten. Auch innerhalb der Universität stehn sich die vier<lb/> Fakultäten oft fremd, bisweilen feindlich gegenüber. Die Philosophie, die etwa<lb/> bis gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als das verbindende Band<lb/> der Einzelwissenschaften galt und des Interesses aller denkenden Männer sicher<lb/> war, ist ihres stolzen Herrschersitzes entthront; und weder Politik noch Sozial¬<lb/> wissenschaft noch Litteratur und Kunst haben den verwaisten Thron einzunehmen<lb/> vermocht.</p><lb/> <div n="2"> <head> I</head><lb/> <p xml:id="ID_689" next="#ID_690"> Kein Wunder, daß sich für das innere Ringen, das heute fast jeder Theo¬<lb/> loge durchzumachen hat, wenig Verständnis findet. Ja gewöhnlich ist bei außer¬<lb/> halb stehenden Leuten keine Kenntnis davon vorhanden. Und doch sind diese<lb/> schweren Geisteskämpfe von so allgemeiner Bedeutung, daß selbst ein Mann,<lb/> der der Theologie entschlossen den Rücken gekehrt hat, der berühmte Ästhetiker<lb/> Fr. Bischer,*) im Rückblick auf jene Zeit von sich sagen kaun: „Ich habe<lb/> durch das Studium der Theologie hinter die Kulissen, ich habe der Kirche<lb/> und dem Dogma in die Karten gesehen; dies ist ein Vorteil, der durch keine</p><lb/> <note xml:id="FID_14" place="foot"> ») Alles und Neues, Z. Hast, Stuttgart, 1882, Seite 268.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Lerujahre eines Theologe»
kräftige deutsche Wirtschaftsleben natürlich durch ein zwanzigjähriges Prolet
tivnssystem gebracht lverdeu müßte, unfehlbare Rezepte in wenig Worten zu
geben wagen? Aber wenn wir kurz den Eindruck, den Nur von der Lage der
Landwirtschaft gegenüber den Handelsverträgen in den letzten Jahren gewonnen
haben, ausdrücken sollen, so sagen wir eben: Los davou, sobald als möglich!
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Lernjahre eines Theologen
Erlebnisse und Beobachtinigen
s ist ein Zeichen der großen Zerklüftung in unserm Volksleben,
daß sich die einzelnen Berufskreise in ihrem innersten Streben
kaum uoch versteh». Innere Einheit der Kultur ist das Zeichen
für die Gesundheit des geistigen. Lebens in einem Volke, Vor
hundert Jahren war diese Einheit annähernd erreicht. Heikle ist
unser Volk mehr als je in besondre Berufsklassen und Interessengemeinschaften
zersplittert. Es wäre oberflächlich, wenn wir dabei nnr an die große Kluft
denken wollten, die Besitzende und Besitzlose scheidet. Auch Handwerker und
Fabrikarbeiter siud innerlich von einander getrennt. Ebenso haben die In¬
dustriellen und die Kaufleute wenig mehr mit den Gelehrten zu thun, sodaß die
„Hamburger Nachrichten" die Gelehrten für die Drohnen im Organismus des
Staats erklären konnten. Auch innerhalb der Universität stehn sich die vier
Fakultäten oft fremd, bisweilen feindlich gegenüber. Die Philosophie, die etwa
bis gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als das verbindende Band
der Einzelwissenschaften galt und des Interesses aller denkenden Männer sicher
war, ist ihres stolzen Herrschersitzes entthront; und weder Politik noch Sozial¬
wissenschaft noch Litteratur und Kunst haben den verwaisten Thron einzunehmen
vermocht.
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Kein Wunder, daß sich für das innere Ringen, das heute fast jeder Theo¬
loge durchzumachen hat, wenig Verständnis findet. Ja gewöhnlich ist bei außer¬
halb stehenden Leuten keine Kenntnis davon vorhanden. Und doch sind diese
schweren Geisteskämpfe von so allgemeiner Bedeutung, daß selbst ein Mann,
der der Theologie entschlossen den Rücken gekehrt hat, der berühmte Ästhetiker
Fr. Bischer,*) im Rückblick auf jene Zeit von sich sagen kaun: „Ich habe
durch das Studium der Theologie hinter die Kulissen, ich habe der Kirche
und dem Dogma in die Karten gesehen; dies ist ein Vorteil, der durch keine
») Alles und Neues, Z. Hast, Stuttgart, 1882, Seite 268.
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