Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Lernjahre eines Theologen den Hörern und Lesern verständlich und beifallswürdig, unbekümmert darum, 3 Natürlich können die Leute, die die geistige Athletcnschule der Universität Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister, 1878, Seite 210.
Lernjahre eines Theologen den Hörern und Lesern verständlich und beifallswürdig, unbekümmert darum, 3 Natürlich können die Leute, die die geistige Athletcnschule der Universität Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister, 1878, Seite 210.
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Lernjahre eines Theologen
den Hörern und Lesern verständlich und beifallswürdig, unbekümmert darum,
ob ihnen oft genug dagewesene und längst überwundne Irrtümer um aufge¬
wärmt oder sentimentaler Phrasenbrei und verwirrter Gedankenmischmasch vor¬
gesetzt wird. Diesen Übelstünden abzuhelfen, giebt eS nur ein Mittel: das
Publikum muß sich unter Vortritt der Gebildeten wieder mehr Bildung auch
auf religiösem Gebiet aneignen, damit es seine Urteilsfähigkeit steigert und
Seichtes und Unhaltbares durchschaut und zurückweist."
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Natürlich können die Leute, die die geistige Athletcnschule der Universität
nicht selbst durchgemacht haben, das Wort Fr. Nietzsches") nicht versteh«: „Die
Wissenschaft giebt dem, welcher in ihr arbeitet und sucht, viel Vergnügen, dem,
welcher ihre Ergebnisse lernt, sehr wenig." Daß aber dieser Satz auch auf
das Studium der Theologie angewandt werden muß, davon findet sich nur
bei wenigen eine Ahnung. Es scheint, als ob hier die Ergebnisse des Forschens
durch die gesetzlich giltigen Bekenntnisschrifteu der jeweiligen Kirchengemein-
schaften schon ein für allemal festgelegt sind. Es könne daher nur auf ein
Lernen dieser Ergebnisse ankommen. Thatsächlich fühlt sich kein theologischer
Dozent an deutscheu Hochschulen an den Buchstaben der Bekenntnisse ernstlich
gebunden. Größere oder geringere Freiheit nimmt ein jeder für sich in An¬
spruch. Meist wird zwischen Form und Inhalt, zwischen Wesentlichein und
Unwesentlichen an den Bekenntnissen unterschieden. Kurz, jeder Dozent nimmt
die individuelle Freiheit, die er für notwendig hält, den Bekenntnissen gegen¬
über ein. Sogar das starre lutherische Kirchenregiment Hannovers hat trotz
thatsächlicher Verleugnung der evangelischen Freiheit den Gedanken der Neu¬
zeit seinen Tribut entrichten müssen, indem es erklärte: „Es sei niemals daran
gedacht worden, unsre Geistlichen an den Buchstaben des Bekenntnisses zu
binden, wenn es sich aber um eine fundamentale Heilsthatsache handle, so
werde das Landeskonsistorinm jede Abweichung vom Bekenntnis in Betracht
ziehn müssen." Was nun aber eine fundamentale und was eine nicht-funda-
mentale Heilsthatsache ist, das sagt uns kein Konsistorium, wohlweislich. Denn
dann würde es sich zeigen: Jedes Landeskonsistorinm hat hierüber seine be¬
sondre Ansicht, vermutlich denkt auch jeder einzige Konsistorialrat und General-
superiutendeut hierüber anders als sein Kollege. Der eine zieht engere Grenzen,
der andre weitere; der eine erlaubt an dem „niedergefähren zur Hölle" zu
zweifeln, auch an der „Auferstehung des Fleisches," dagegen hält er das „ge¬
boren von der Jungfrau" für einen Fels, auf dem die Kirche gegründet ist,
und mit dem alles hinfallen würde. Ein andrer denkt hierin weitherziger,
verbietet aber, an der leiblichen Auferstehung Jesu zu zweifeln. Dieselbe und
oft noch eine größere Freiheit nimmt der einzelne Geistliche und erst recht jeder
Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister, 1878, Seite 210.
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