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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Zur Präsidentschaftswahl

le Präsidentschaft William Mre Kinleys nähert sich ihrem Ende:
am 6, November wird das amerikanische Volk einen neuen Prä¬
sidenten wühlen. Dieselben Kandidaten wie bei der letzten werden
sich auch bei dieser Wahl gegenüberstelln, indem der seitherige
Präsident von seiner, der republikanischen, Partei als Kandidat
aufgestellt worden ist, und die Demokraten dem Manne wiederum ihre Stimme
gegeben haben, der vor vier Jahren in Chicago, vorher beinähe unbekannt,
dnrch seine hinreißende Beredsamkeit die Versammlung gefangen genommen
hatte, William I. Bryan.

Bei der vorigen Wahl schon war eine Spaltung der demokratischen Partei
eingetreten. Weil sich ihr Wahlaufruf zur Silberwührung bekannte, schlug sich
die Hochfinanz, jn man darf sagen der ganze Großkaufmannstand, soweit er
demokratisch war, auf die Seite des republikanischen Kandidaten, von dem man
zwar wußte, daß er früher auch, wie so viele innerhalb seiner Partei, An¬
hänger der Silberwührung gewesen war, der sich aber vor der Wahl in be¬
stimmten Worten für die Erhaltung der Goldwährung erklärt hatte.

Die Amtszeit Mac Kinleys ist für allezeit mit dem "Hnmanitütstriege"
gegen Spanien zur Befreiung der westindischen Inseln von spanischer Herrschaft
verknüpft. Über die Gründe, die zu diesem Kriege führten, zu reden, ist hier
nicht der Ort. Veranlaßt wurde er durch die Zerstörung der Maine im Hafen
von Havana. Die furchtbare That, weit entfernt von Spanien angestiftet zu
sein, konnte nur einen willkommnen Kriegsvorwand für die Vereinigten Staaten
bieten, und so neigt man sich auch heute der Ansicht zu, daß die Insurgenten
irgendwie mit der Explosion im Zusammenhang standen, oder daß diese nur
die That eines einzelnen fanatischen Spaniers gewesen sein könne. Jedenfalls
schrieb das amerikanische Volk damals die Verantwortung für sie Spanien zu
und begann den Krieg, der auf zwei, Tausende von Meilen voneinander ent¬
fernten Schauplätzen geführt wurde, den westindischen Inseln und den Phi¬
lippinen. Das Volk war zuerst für den Krieg "venig begeistert, auch wohl
um seinen Ausgang nicht ganz unbesorgt. Aber als die Losung: "Meines
Landes Sache, ob recht oder unrecht, ist auch die meine," allgemein wurde,
war auch Amerika für den Machtgedanken gewonnen, und waren sittliche
und geschichtliche Erwägungen unterdrückt. Der Krieg war begonnen, er mußte
nach der Meinung aller Patrioten zu Ende geführt werden, ohne Rück¬
sicht auf Recht oder Unrecht. Damit war eine neue Bahn betreten. Der ur-




Zur Präsidentschaftswahl

le Präsidentschaft William Mre Kinleys nähert sich ihrem Ende:
am 6, November wird das amerikanische Volk einen neuen Prä¬
sidenten wühlen. Dieselben Kandidaten wie bei der letzten werden
sich auch bei dieser Wahl gegenüberstelln, indem der seitherige
Präsident von seiner, der republikanischen, Partei als Kandidat
aufgestellt worden ist, und die Demokraten dem Manne wiederum ihre Stimme
gegeben haben, der vor vier Jahren in Chicago, vorher beinähe unbekannt,
dnrch seine hinreißende Beredsamkeit die Versammlung gefangen genommen
hatte, William I. Bryan.

Bei der vorigen Wahl schon war eine Spaltung der demokratischen Partei
eingetreten. Weil sich ihr Wahlaufruf zur Silberwührung bekannte, schlug sich
die Hochfinanz, jn man darf sagen der ganze Großkaufmannstand, soweit er
demokratisch war, auf die Seite des republikanischen Kandidaten, von dem man
zwar wußte, daß er früher auch, wie so viele innerhalb seiner Partei, An¬
hänger der Silberwührung gewesen war, der sich aber vor der Wahl in be¬
stimmten Worten für die Erhaltung der Goldwährung erklärt hatte.

Die Amtszeit Mac Kinleys ist für allezeit mit dem „Hnmanitütstriege"
gegen Spanien zur Befreiung der westindischen Inseln von spanischer Herrschaft
verknüpft. Über die Gründe, die zu diesem Kriege führten, zu reden, ist hier
nicht der Ort. Veranlaßt wurde er durch die Zerstörung der Maine im Hafen
von Havana. Die furchtbare That, weit entfernt von Spanien angestiftet zu
sein, konnte nur einen willkommnen Kriegsvorwand für die Vereinigten Staaten
bieten, und so neigt man sich auch heute der Ansicht zu, daß die Insurgenten
irgendwie mit der Explosion im Zusammenhang standen, oder daß diese nur
die That eines einzelnen fanatischen Spaniers gewesen sein könne. Jedenfalls
schrieb das amerikanische Volk damals die Verantwortung für sie Spanien zu
und begann den Krieg, der auf zwei, Tausende von Meilen voneinander ent¬
fernten Schauplätzen geführt wurde, den westindischen Inseln und den Phi¬
lippinen. Das Volk war zuerst für den Krieg »venig begeistert, auch wohl
um seinen Ausgang nicht ganz unbesorgt. Aber als die Losung: „Meines
Landes Sache, ob recht oder unrecht, ist auch die meine," allgemein wurde,
war auch Amerika für den Machtgedanken gewonnen, und waren sittliche
und geschichtliche Erwägungen unterdrückt. Der Krieg war begonnen, er mußte
nach der Meinung aller Patrioten zu Ende geführt werden, ohne Rück¬
sicht auf Recht oder Unrecht. Damit war eine neue Bahn betreten. Der ur-


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[0316] [Abbildung] Zur Präsidentschaftswahl le Präsidentschaft William Mre Kinleys nähert sich ihrem Ende: am 6, November wird das amerikanische Volk einen neuen Prä¬ sidenten wühlen. Dieselben Kandidaten wie bei der letzten werden sich auch bei dieser Wahl gegenüberstelln, indem der seitherige Präsident von seiner, der republikanischen, Partei als Kandidat aufgestellt worden ist, und die Demokraten dem Manne wiederum ihre Stimme gegeben haben, der vor vier Jahren in Chicago, vorher beinähe unbekannt, dnrch seine hinreißende Beredsamkeit die Versammlung gefangen genommen hatte, William I. Bryan. Bei der vorigen Wahl schon war eine Spaltung der demokratischen Partei eingetreten. Weil sich ihr Wahlaufruf zur Silberwührung bekannte, schlug sich die Hochfinanz, jn man darf sagen der ganze Großkaufmannstand, soweit er demokratisch war, auf die Seite des republikanischen Kandidaten, von dem man zwar wußte, daß er früher auch, wie so viele innerhalb seiner Partei, An¬ hänger der Silberwührung gewesen war, der sich aber vor der Wahl in be¬ stimmten Worten für die Erhaltung der Goldwährung erklärt hatte. Die Amtszeit Mac Kinleys ist für allezeit mit dem „Hnmanitütstriege" gegen Spanien zur Befreiung der westindischen Inseln von spanischer Herrschaft verknüpft. Über die Gründe, die zu diesem Kriege führten, zu reden, ist hier nicht der Ort. Veranlaßt wurde er durch die Zerstörung der Maine im Hafen von Havana. Die furchtbare That, weit entfernt von Spanien angestiftet zu sein, konnte nur einen willkommnen Kriegsvorwand für die Vereinigten Staaten bieten, und so neigt man sich auch heute der Ansicht zu, daß die Insurgenten irgendwie mit der Explosion im Zusammenhang standen, oder daß diese nur die That eines einzelnen fanatischen Spaniers gewesen sein könne. Jedenfalls schrieb das amerikanische Volk damals die Verantwortung für sie Spanien zu und begann den Krieg, der auf zwei, Tausende von Meilen voneinander ent¬ fernten Schauplätzen geführt wurde, den westindischen Inseln und den Phi¬ lippinen. Das Volk war zuerst für den Krieg »venig begeistert, auch wohl um seinen Ausgang nicht ganz unbesorgt. Aber als die Losung: „Meines Landes Sache, ob recht oder unrecht, ist auch die meine," allgemein wurde, war auch Amerika für den Machtgedanken gewonnen, und waren sittliche und geschichtliche Erwägungen unterdrückt. Der Krieg war begonnen, er mußte nach der Meinung aller Patrioten zu Ende geführt werden, ohne Rück¬ sicht auf Recht oder Unrecht. Damit war eine neue Bahn betreten. Der ur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/316>, abgerufen am 24.05.2024.