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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Auf klassischem Boden

sind für uns leere Namen, keine Persönlichkeiten, und ihre Kulturen stehn zu
der unsern nur in mittelbarer Beziehung, insofern, als sie auf die griechische
einwirkten. Eine Ausnahme macht nur die israelitische, die sich uns in
lebendigen Menschen verkörpert und mit der Idee des einen Gottes und der
sittlichen Verantwortlichkeit des Menschen diesem Gotte gegenüber etwas ganz
Neues in die Welt gebracht hat. Das Griechentum entwickelt dagegen die
Kultur vor allem in der künstlerischen Richtung; beide, die sittlich-religiöse des
Judentums und die künstlerische des Hellenentums, vereinigen sich dann im
Christentum, dessen Ursprung in einem besonders schönen Kapitel dargestellt
wird. Seitdem bestimmen zwei große Namen die Geschichte, Cäsar, an den
sich die neue Weltherrschaft anknüpft, und Paulus, aus dessen Wirken die
Weltreligion und die Weltkirche erwächst. Die Kapitel: Roms Kaiserzeit,
Die Völkerwanderung, Morgen- und Abendland, Kaisertum und Papsttum,
Das neue Europa führen die Erzählung weiter bis zur Schwelle der "atlan¬
tischen Welt," der Zeit, in der die beiden Gegenküsten des Atlantischen Ozeans
zuerst in lebendige Verbindung gesetzt werden, und ein Ausblick in die Zukunft,
der auch das sich europäisierende Japan miteinbegreift, schließt das Buch. Der
Verfasser sieht einerseits die Ausbildung großer Weltmächte voraus und hält
die Bildung eines europäischen Staatenvereins etwa unter Deutschlands Leitung
für möglich, um das Gleichgewicht gegen die Niesenmächtc Nußland, England
und Nordamerika herzustellen, obwohl er in der zunehmenden Demokratisierung
Englands eine Gefahr für das britische Weltreich sieht, und die Angriffskraft
Rußlands nicht sehr hoch anschlägt; andrerseits erwartet er in einer fernern
Zukunft auch den Eintritt der pazifischen Erdzone in die weltgeschichtliche Be¬
wegung. Chronologische Tabellen und ein Register erleichtern die Benutzung
des interessanten Buchs.


Otto Kaemmel


Auf klassischem Boden
Beate Borns-Jeep Novelle von(Fortsetzung)

er April brachte schon sehr heiße Tage, und an einem solchen war
Kurtchen Giesicke in der Gesellschaft der Bredows verhältnismäßig
früh aufgebrochen, um den Vatikan zu besehen. Die Galerie und
die Stanzen hatten sie mit bemerkenswerten Mute überwunden.
Frau von Breton -- der Freiherr war im Lesezimmer bei Haßler
zurückgeblieben -- hatte sich auf einer Steinstnfe zur Ruhe gesetzt
und erklärt, sie könne nicht mehr, als die Jugend es noch unternahm, die hohe
Treppe zu den Loggien hinauf zu laufen.


Auf klassischem Boden

sind für uns leere Namen, keine Persönlichkeiten, und ihre Kulturen stehn zu
der unsern nur in mittelbarer Beziehung, insofern, als sie auf die griechische
einwirkten. Eine Ausnahme macht nur die israelitische, die sich uns in
lebendigen Menschen verkörpert und mit der Idee des einen Gottes und der
sittlichen Verantwortlichkeit des Menschen diesem Gotte gegenüber etwas ganz
Neues in die Welt gebracht hat. Das Griechentum entwickelt dagegen die
Kultur vor allem in der künstlerischen Richtung; beide, die sittlich-religiöse des
Judentums und die künstlerische des Hellenentums, vereinigen sich dann im
Christentum, dessen Ursprung in einem besonders schönen Kapitel dargestellt
wird. Seitdem bestimmen zwei große Namen die Geschichte, Cäsar, an den
sich die neue Weltherrschaft anknüpft, und Paulus, aus dessen Wirken die
Weltreligion und die Weltkirche erwächst. Die Kapitel: Roms Kaiserzeit,
Die Völkerwanderung, Morgen- und Abendland, Kaisertum und Papsttum,
Das neue Europa führen die Erzählung weiter bis zur Schwelle der „atlan¬
tischen Welt," der Zeit, in der die beiden Gegenküsten des Atlantischen Ozeans
zuerst in lebendige Verbindung gesetzt werden, und ein Ausblick in die Zukunft,
der auch das sich europäisierende Japan miteinbegreift, schließt das Buch. Der
Verfasser sieht einerseits die Ausbildung großer Weltmächte voraus und hält
die Bildung eines europäischen Staatenvereins etwa unter Deutschlands Leitung
für möglich, um das Gleichgewicht gegen die Niesenmächtc Nußland, England
und Nordamerika herzustellen, obwohl er in der zunehmenden Demokratisierung
Englands eine Gefahr für das britische Weltreich sieht, und die Angriffskraft
Rußlands nicht sehr hoch anschlägt; andrerseits erwartet er in einer fernern
Zukunft auch den Eintritt der pazifischen Erdzone in die weltgeschichtliche Be¬
wegung. Chronologische Tabellen und ein Register erleichtern die Benutzung
des interessanten Buchs.


Otto Kaemmel


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Beate Borns-Jeep Novelle von(Fortsetzung)

er April brachte schon sehr heiße Tage, und an einem solchen war
Kurtchen Giesicke in der Gesellschaft der Bredows verhältnismäßig
früh aufgebrochen, um den Vatikan zu besehen. Die Galerie und
die Stanzen hatten sie mit bemerkenswerten Mute überwunden.
Frau von Breton — der Freiherr war im Lesezimmer bei Haßler
zurückgeblieben — hatte sich auf einer Steinstnfe zur Ruhe gesetzt
und erklärt, sie könne nicht mehr, als die Jugend es noch unternahm, die hohe
Treppe zu den Loggien hinauf zu laufen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/523>, abgerufen am 23.05.2024.