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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Aus klassischem Boden
Beate Borns-I^ep Novelle von(Fortsetzung)

a soll ich sie wohl gar mitschleppen, sagte Kurtchen und lachte
ärgerlich.

Die Weiber sind unausstehlich, diese wie jene. -- Er stand also
wieder allein jenseits der schmalen Loggia und des kleinen Gärtchens
unten an der Thür, die nach der Straße führte. Neben der Thür
bewohnten Esterina und ihr Mann einen kleinen Raum, und die
Alte war gegangen, um Kurtcheu eine Droschke zu holen. Er wollte am Korso
einen Rahmen für die Kopie kaufen. Außerdem hielt er noch etwas in Papier
verhülltes in den Händen, wovon er vergessen hatte, was es war.

Während er aber mit Groll im Herzen wartete, bereitete das Schicksal mit
seinem Reichtum an Zufälligkeiten ihm schon eine unerwartete Begegnung mit Trude
Bredow vor.

Trude war nach dem Spaziergang, den man nnffallenderweise ohne Herrn
Giesicke gemacht hatte, ausgeschickt worden, um in der Nähe eines der Schächtelchen
zu holen, in denen die Fremden Blumen oder auch Schmuggelware als "Muster
ohne Wert" in die Heimat schicken. Sie hatte sich aber verlaufen und war in
die Nähe des Korso gerate", ziemlich um dieselbe Zeit, wo Kurtchen mit seiner
Droschke vor der Kunsthandlung hielt.

Kurtcheu war mit dem Bild und dem Päckchen aufgestiegen. Da er die
Hände voll hatte, machte es ihm einige Schwierigkeit, in seiner Brieftasche das Geld
zu suchen, um deu Kutscher zu bezahlen. Die Droschke wartete, Vorübergehende
wurden aufmerksam, und die fliegenden Verkäufer, die hartnäckiger als die Zanzaren
im Sommer die Fremden verfolgen, witterten einen Forcstiere. In weniger als
zwei Augenblicken war er von ihnen umringt, die seine wehrlose Lage benutzten und
ihn mit gleichzeitigem Reden vollends verwirrt machten. Vuols, v"vie>, das war der
Kehrreim, das einzige, was er verstand, während eine braune Faust lange Reihen
von römischen Ansichten wie Bänder vor ihm niederflattern ließ, ein Mosaikhändler
mit seinem Kasten auf thu eindrang, und schließlich ein junger verwegner Bursche
ihm über die Schultern der andern weg einen jungen Hund dicht vor die Augen hielt.
Vuols, vunig! wollt Ihr, wollt Ihr?

Dieses Geschöpf, kaum mehr als eine Woche alt, lag wie ein ungeformter
weißwollner Ball auf der flachen Hand des Jtalieners. Daß es an einer Stelle,
die den Kopf bedeuten mochte, eine blauseidne Schleife trug, und daß hie und da
zuckende Bewegungen durch das weißflockige Knäuel gingen, machte es für Kurtchen
nicht klarer, mit was für einer Art Ding er es da zu thun hatte. Trotz seiner
Bedrängnis ließ er die Augen eine Sekunde lang gespannt darauf ruhen. Das
aber genügte dem Italiener als Aufforderung. Er stieß seine Nebenbuhler rechts
und links auf die Seite. Seht Ihr denn nicht, daß der Signorino meinen Hund
sehen will? -- Er kann schon gehn, Herr, seht -- und dabei ließ er das Ding
auf die freie Stelle des Pflasters nieder, wo ihm sogleich die ungeübten Beinchen


Grenzboten IV 1900 72


Aus klassischem Boden
Beate Borns-I^ep Novelle von(Fortsetzung)

a soll ich sie wohl gar mitschleppen, sagte Kurtchen und lachte
ärgerlich.

Die Weiber sind unausstehlich, diese wie jene. — Er stand also
wieder allein jenseits der schmalen Loggia und des kleinen Gärtchens
unten an der Thür, die nach der Straße führte. Neben der Thür
bewohnten Esterina und ihr Mann einen kleinen Raum, und die
Alte war gegangen, um Kurtcheu eine Droschke zu holen. Er wollte am Korso
einen Rahmen für die Kopie kaufen. Außerdem hielt er noch etwas in Papier
verhülltes in den Händen, wovon er vergessen hatte, was es war.

Während er aber mit Groll im Herzen wartete, bereitete das Schicksal mit
seinem Reichtum an Zufälligkeiten ihm schon eine unerwartete Begegnung mit Trude
Bredow vor.

Trude war nach dem Spaziergang, den man nnffallenderweise ohne Herrn
Giesicke gemacht hatte, ausgeschickt worden, um in der Nähe eines der Schächtelchen
zu holen, in denen die Fremden Blumen oder auch Schmuggelware als „Muster
ohne Wert" in die Heimat schicken. Sie hatte sich aber verlaufen und war in
die Nähe des Korso gerate», ziemlich um dieselbe Zeit, wo Kurtchen mit seiner
Droschke vor der Kunsthandlung hielt.

Kurtcheu war mit dem Bild und dem Päckchen aufgestiegen. Da er die
Hände voll hatte, machte es ihm einige Schwierigkeit, in seiner Brieftasche das Geld
zu suchen, um deu Kutscher zu bezahlen. Die Droschke wartete, Vorübergehende
wurden aufmerksam, und die fliegenden Verkäufer, die hartnäckiger als die Zanzaren
im Sommer die Fremden verfolgen, witterten einen Forcstiere. In weniger als
zwei Augenblicken war er von ihnen umringt, die seine wehrlose Lage benutzten und
ihn mit gleichzeitigem Reden vollends verwirrt machten. Vuols, v»vie>, das war der
Kehrreim, das einzige, was er verstand, während eine braune Faust lange Reihen
von römischen Ansichten wie Bänder vor ihm niederflattern ließ, ein Mosaikhändler
mit seinem Kasten auf thu eindrang, und schließlich ein junger verwegner Bursche
ihm über die Schultern der andern weg einen jungen Hund dicht vor die Augen hielt.
Vuols, vunig! wollt Ihr, wollt Ihr?

Dieses Geschöpf, kaum mehr als eine Woche alt, lag wie ein ungeformter
weißwollner Ball auf der flachen Hand des Jtalieners. Daß es an einer Stelle,
die den Kopf bedeuten mochte, eine blauseidne Schleife trug, und daß hie und da
zuckende Bewegungen durch das weißflockige Knäuel gingen, machte es für Kurtchen
nicht klarer, mit was für einer Art Ding er es da zu thun hatte. Trotz seiner
Bedrängnis ließ er die Augen eine Sekunde lang gespannt darauf ruhen. Das
aber genügte dem Italiener als Aufforderung. Er stieß seine Nebenbuhler rechts
und links auf die Seite. Seht Ihr denn nicht, daß der Signorino meinen Hund
sehen will? — Er kann schon gehn, Herr, seht — und dabei ließ er das Ding
auf die freie Stelle des Pflasters nieder, wo ihm sogleich die ungeübten Beinchen


Grenzboten IV 1900 72
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[0623] [Abbildung] Aus klassischem Boden Beate Borns-I^ep Novelle von(Fortsetzung) a soll ich sie wohl gar mitschleppen, sagte Kurtchen und lachte ärgerlich. Die Weiber sind unausstehlich, diese wie jene. — Er stand also wieder allein jenseits der schmalen Loggia und des kleinen Gärtchens unten an der Thür, die nach der Straße führte. Neben der Thür bewohnten Esterina und ihr Mann einen kleinen Raum, und die Alte war gegangen, um Kurtcheu eine Droschke zu holen. Er wollte am Korso einen Rahmen für die Kopie kaufen. Außerdem hielt er noch etwas in Papier verhülltes in den Händen, wovon er vergessen hatte, was es war. Während er aber mit Groll im Herzen wartete, bereitete das Schicksal mit seinem Reichtum an Zufälligkeiten ihm schon eine unerwartete Begegnung mit Trude Bredow vor. Trude war nach dem Spaziergang, den man nnffallenderweise ohne Herrn Giesicke gemacht hatte, ausgeschickt worden, um in der Nähe eines der Schächtelchen zu holen, in denen die Fremden Blumen oder auch Schmuggelware als „Muster ohne Wert" in die Heimat schicken. Sie hatte sich aber verlaufen und war in die Nähe des Korso gerate», ziemlich um dieselbe Zeit, wo Kurtchen mit seiner Droschke vor der Kunsthandlung hielt. Kurtcheu war mit dem Bild und dem Päckchen aufgestiegen. Da er die Hände voll hatte, machte es ihm einige Schwierigkeit, in seiner Brieftasche das Geld zu suchen, um deu Kutscher zu bezahlen. Die Droschke wartete, Vorübergehende wurden aufmerksam, und die fliegenden Verkäufer, die hartnäckiger als die Zanzaren im Sommer die Fremden verfolgen, witterten einen Forcstiere. In weniger als zwei Augenblicken war er von ihnen umringt, die seine wehrlose Lage benutzten und ihn mit gleichzeitigem Reden vollends verwirrt machten. Vuols, v»vie>, das war der Kehrreim, das einzige, was er verstand, während eine braune Faust lange Reihen von römischen Ansichten wie Bänder vor ihm niederflattern ließ, ein Mosaikhändler mit seinem Kasten auf thu eindrang, und schließlich ein junger verwegner Bursche ihm über die Schultern der andern weg einen jungen Hund dicht vor die Augen hielt. Vuols, vunig! wollt Ihr, wollt Ihr? Dieses Geschöpf, kaum mehr als eine Woche alt, lag wie ein ungeformter weißwollner Ball auf der flachen Hand des Jtalieners. Daß es an einer Stelle, die den Kopf bedeuten mochte, eine blauseidne Schleife trug, und daß hie und da zuckende Bewegungen durch das weißflockige Knäuel gingen, machte es für Kurtchen nicht klarer, mit was für einer Art Ding er es da zu thun hatte. Trotz seiner Bedrängnis ließ er die Augen eine Sekunde lang gespannt darauf ruhen. Das aber genügte dem Italiener als Aufforderung. Er stieß seine Nebenbuhler rechts und links auf die Seite. Seht Ihr denn nicht, daß der Signorino meinen Hund sehen will? — Er kann schon gehn, Herr, seht — und dabei ließ er das Ding auf die freie Stelle des Pflasters nieder, wo ihm sogleich die ungeübten Beinchen Grenzboten IV 1900 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/623>, abgerufen am 24.05.2024.