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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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als einen Gott anzurufen. Der Sinn dieses Geschichtchens ist deutlich genug: die
Einwohner von Karrhä haben die italische I^una, nnter dem Einfluß ihrer über¬
lieferten Anschauungen in eine männliche Gottheit verwandelt. Die Begründung
dieser Metamorphose aber ist recht originell und stellt dem Humor der Leutchen
von Karrhä ein günstiges Zeugnis aus.


F- Auntze


Auf klassischem Boden
Beate Borns-Jeep Novelle von (Schluß)

urtchen brachte bis dahin lange Zeiten zu. Er faßte Pläne über
Pläne, wie er am andern Tage dem Schicksal sein Glück ablisten sollte,
wie er den Bredows so viel Zeit abgewinnen möchte, daß er sein
Wort bei Will anbringen könnte, wie er sich selber schlitzen wollte,
daß nicht in dem Augenblick, wo das Gespräch eine Handhabe böte,
ihm das Herz bis an den Hals schlüge, sodaß er den Erstickungs¬
anfall und den günstigen Augenblick miteinander vorübergehn lassen müßte.

Schließlich hatte er sich seinen Schlachtplan folgendermaßen gemacht: Er wollte
ganz früh um halb sieben Uhr mit einer Droschke bei ihr halten und wollte sie
zum Bahnhof abholen. Sie würde noch nicht gefrühstückt haben, vielleicht, man
würde irgendwo zusammen einen Kaffee nehmen, die Droschke konnte solange
warten -- dabei konnte er sein Wort anbringen, er erinnerte sich ja an die Stadtende
Wirkung, die die Morgenluft jenes erste mal auf ihn gehabt hatte.

Mit welchem Bewußtsein würde er dann den Bredows begegnen! Wie ein
Fürst, der sich noch nicht zu erkennen giebt -- weil es ihm gefällt, seine Krone
noch verborgen zu halten.

Natürlich würde er ihr viel Blumen mitbringen -- und dann lief er, um Blumen
zu kaufen, raffte ganze Arme von früh blühenden Rosen zusammen, versäumte die
Tafel und wurde, als er verspätet eintrat, von den Bredows geneckt: Wenn er
morgen so vergeßlich sein würde, käme er sicher nicht zur Zeit zur Bahn; und sie
malten sich aus, was er indessen in Rom treiben würde, um sich zu trösten.
Kurtchen war aber so durchdrungen von dem Bewußtsein, ein goldnes Geheimnis
zu eigen zu haben, das diese Augen uicht erreichen konnten, wenn sie auch Privat¬
gebiet nicht sonderlich achteten, daß er übermütig antwortete. Er erntete dafür
einen beifälligen Blick von Trude. Heute war ja mit Herrn Giesicke ordentlich
etwas anzufangen. Fräulein Willeboer war ohnehin unterhaltend genug, so würde
die Reise nach Castelgandolfo wenigstens kein Trauergeleite werden.

Kurtchen hatte sich eine Droschke bestellt. Um aber weder von Giovanni noch
von der Cammeriera und vor allem nicht von den Bredows in seiner Absicht
durchschaut zu werden, hatte er bestimmt, daß sie an der Ecke von Via Sistina,
wo es nach eapo Is viz.se> hinuntergehe, warten sollte.

Giovanni sah also an dem bestimmten Morgen Herrn Giesicke mit einem un¬
gefügen Bündel, das ihn halb verdeckte, aus der Thür eilen. Es waren die
Blumen, die Kurtchen mit großer Mühe unter Papierhüllen versteckt hatte. Er


Grenzboten IV 1900 79
Auf klassischem Boden

als einen Gott anzurufen. Der Sinn dieses Geschichtchens ist deutlich genug: die
Einwohner von Karrhä haben die italische I^una, nnter dem Einfluß ihrer über¬
lieferten Anschauungen in eine männliche Gottheit verwandelt. Die Begründung
dieser Metamorphose aber ist recht originell und stellt dem Humor der Leutchen
von Karrhä ein günstiges Zeugnis aus.


F- Auntze


Auf klassischem Boden
Beate Borns-Jeep Novelle von (Schluß)

urtchen brachte bis dahin lange Zeiten zu. Er faßte Pläne über
Pläne, wie er am andern Tage dem Schicksal sein Glück ablisten sollte,
wie er den Bredows so viel Zeit abgewinnen möchte, daß er sein
Wort bei Will anbringen könnte, wie er sich selber schlitzen wollte,
daß nicht in dem Augenblick, wo das Gespräch eine Handhabe böte,
ihm das Herz bis an den Hals schlüge, sodaß er den Erstickungs¬
anfall und den günstigen Augenblick miteinander vorübergehn lassen müßte.

Schließlich hatte er sich seinen Schlachtplan folgendermaßen gemacht: Er wollte
ganz früh um halb sieben Uhr mit einer Droschke bei ihr halten und wollte sie
zum Bahnhof abholen. Sie würde noch nicht gefrühstückt haben, vielleicht, man
würde irgendwo zusammen einen Kaffee nehmen, die Droschke konnte solange
warten — dabei konnte er sein Wort anbringen, er erinnerte sich ja an die Stadtende
Wirkung, die die Morgenluft jenes erste mal auf ihn gehabt hatte.

Mit welchem Bewußtsein würde er dann den Bredows begegnen! Wie ein
Fürst, der sich noch nicht zu erkennen giebt — weil es ihm gefällt, seine Krone
noch verborgen zu halten.

Natürlich würde er ihr viel Blumen mitbringen — und dann lief er, um Blumen
zu kaufen, raffte ganze Arme von früh blühenden Rosen zusammen, versäumte die
Tafel und wurde, als er verspätet eintrat, von den Bredows geneckt: Wenn er
morgen so vergeßlich sein würde, käme er sicher nicht zur Zeit zur Bahn; und sie
malten sich aus, was er indessen in Rom treiben würde, um sich zu trösten.
Kurtchen war aber so durchdrungen von dem Bewußtsein, ein goldnes Geheimnis
zu eigen zu haben, das diese Augen uicht erreichen konnten, wenn sie auch Privat¬
gebiet nicht sonderlich achteten, daß er übermütig antwortete. Er erntete dafür
einen beifälligen Blick von Trude. Heute war ja mit Herrn Giesicke ordentlich
etwas anzufangen. Fräulein Willeboer war ohnehin unterhaltend genug, so würde
die Reise nach Castelgandolfo wenigstens kein Trauergeleite werden.

Kurtchen hatte sich eine Droschke bestellt. Um aber weder von Giovanni noch
von der Cammeriera und vor allem nicht von den Bredows in seiner Absicht
durchschaut zu werden, hatte er bestimmt, daß sie an der Ecke von Via Sistina,
wo es nach eapo Is viz.se> hinuntergehe, warten sollte.

Giovanni sah also an dem bestimmten Morgen Herrn Giesicke mit einem un¬
gefügen Bündel, das ihn halb verdeckte, aus der Thür eilen. Es waren die
Blumen, die Kurtchen mit großer Mühe unter Papierhüllen versteckt hatte. Er


Grenzboten IV 1900 79
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[0683] Auf klassischem Boden als einen Gott anzurufen. Der Sinn dieses Geschichtchens ist deutlich genug: die Einwohner von Karrhä haben die italische I^una, nnter dem Einfluß ihrer über¬ lieferten Anschauungen in eine männliche Gottheit verwandelt. Die Begründung dieser Metamorphose aber ist recht originell und stellt dem Humor der Leutchen von Karrhä ein günstiges Zeugnis aus. F- Auntze Auf klassischem Boden Beate Borns-Jeep Novelle von (Schluß) urtchen brachte bis dahin lange Zeiten zu. Er faßte Pläne über Pläne, wie er am andern Tage dem Schicksal sein Glück ablisten sollte, wie er den Bredows so viel Zeit abgewinnen möchte, daß er sein Wort bei Will anbringen könnte, wie er sich selber schlitzen wollte, daß nicht in dem Augenblick, wo das Gespräch eine Handhabe böte, ihm das Herz bis an den Hals schlüge, sodaß er den Erstickungs¬ anfall und den günstigen Augenblick miteinander vorübergehn lassen müßte. Schließlich hatte er sich seinen Schlachtplan folgendermaßen gemacht: Er wollte ganz früh um halb sieben Uhr mit einer Droschke bei ihr halten und wollte sie zum Bahnhof abholen. Sie würde noch nicht gefrühstückt haben, vielleicht, man würde irgendwo zusammen einen Kaffee nehmen, die Droschke konnte solange warten — dabei konnte er sein Wort anbringen, er erinnerte sich ja an die Stadtende Wirkung, die die Morgenluft jenes erste mal auf ihn gehabt hatte. Mit welchem Bewußtsein würde er dann den Bredows begegnen! Wie ein Fürst, der sich noch nicht zu erkennen giebt — weil es ihm gefällt, seine Krone noch verborgen zu halten. Natürlich würde er ihr viel Blumen mitbringen — und dann lief er, um Blumen zu kaufen, raffte ganze Arme von früh blühenden Rosen zusammen, versäumte die Tafel und wurde, als er verspätet eintrat, von den Bredows geneckt: Wenn er morgen so vergeßlich sein würde, käme er sicher nicht zur Zeit zur Bahn; und sie malten sich aus, was er indessen in Rom treiben würde, um sich zu trösten. Kurtchen war aber so durchdrungen von dem Bewußtsein, ein goldnes Geheimnis zu eigen zu haben, das diese Augen uicht erreichen konnten, wenn sie auch Privat¬ gebiet nicht sonderlich achteten, daß er übermütig antwortete. Er erntete dafür einen beifälligen Blick von Trude. Heute war ja mit Herrn Giesicke ordentlich etwas anzufangen. Fräulein Willeboer war ohnehin unterhaltend genug, so würde die Reise nach Castelgandolfo wenigstens kein Trauergeleite werden. Kurtchen hatte sich eine Droschke bestellt. Um aber weder von Giovanni noch von der Cammeriera und vor allem nicht von den Bredows in seiner Absicht durchschaut zu werden, hatte er bestimmt, daß sie an der Ecke von Via Sistina, wo es nach eapo Is viz.se> hinuntergehe, warten sollte. Giovanni sah also an dem bestimmten Morgen Herrn Giesicke mit einem un¬ gefügen Bündel, das ihn halb verdeckte, aus der Thür eilen. Es waren die Blumen, die Kurtchen mit großer Mühe unter Papierhüllen versteckt hatte. Er Grenzboten IV 1900 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/683>, abgerufen am 24.05.2024.