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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Aohlcnnot

die notwendigen neuen Organisationen mit der Demokratie vertragen. Das
nordamerikanische Volk hat sich also darüber zu entscheiden, ob es die Fort¬
" dauer der Demokratie oder die Weltmachtstellung will.




Unsre Kohlennot

KS>Elie Grenzboten haben kürzlich schon einen Aufsatz über die Kohlen¬
not gebracht, der namentlich wertvolle Angaben über die bis¬
herigen Leistungen der Bergwerke enthält. Wir wollen um diese
Frage auch einmal vom staatswissenschaftlicher und technischen
IStandpunkt ans beleuchten und versuchen, sie noch weiter zu klären.

Zunächst würde zu untersuchen sein, ob in Deutschland ernstlich von einer
Kohlennot gesprochen werden kauu. Es ist allerdings nicht zu bestreiten, daß
augenblicklich eine große Nachfrage nach Kohlen herrscht, die die Steinkohlen-
nnd Braunkohlenbergwerke scheinbar nicht befriedigen können. Leider wird eine
Statistik über die fehlenden Kohlen sogar von den zustündigen Stellen, der
Bergverwaltuug, den Handels- und landwirtschaftlichen Kammern kaum ge¬
liefert werden können. Man ist also auf persönliche Eindrücke angewiesen.
Und da scheint es dem, der den Verhältnissei: näher steht, als ob das Publikum
in diesem Jahre seine Einkäufe an Kohlen zu sehr überstürze. Aber zugegeben,
es sei eine Kohlennot wirklich vorhanden, so könnte sie doch nur aus folgenden
drei Umständen hervorgegangen sein. Erstens daraus, daß im vorigen Jahre durch
den Streik der böhmischen Bergarbeiter die großen Vorräte an böhmischer
und sonstiger Braunkohle, die in Mitteldeutschland jahraus jahrein bei den
Händlern zu lagern pflegen, aufgebraucht siud. Zweitens daraus, daß die
Eisenindustrie bei ihrem außerordentlichen Aufschwünge die jährlich übliche
Mchrförderung der Steinkohlengruben in Anspruch genommen hat. Und drittens
liegt der Schluß nahe, daß die englische Kohle, da sie zur Versorgung der
großen Panzerflotten in China herangezogen werden mußte, zur Zeit im Norden
Deutschlands weniger eingeführt worden ist, was die Haudelsstatistik des Jahres
später noch ausweisen wird.

Hierzu kommen eine stetige Zunahme der Bevölkerung in Deutschland,
also ein Zuwachs an Kohlenverbrauchern, ein Aufschwung der Industrie und
der Umstand, daß sich die Nachbarländer, die nicht in demselben Maße Stein¬
kohle haben, von Jahr zu Jahr mehr unserm Kohlenmarkte zuwenden. Da
aber von diesen Ursachen der Kohlennot der Streik der böhmischen Bergarbeiter
schon längst weggefallen ist, so dürften allmählich wieder normale Verhältnisse
auf dein Gebiete des Kohlenmarkts zurückkehren, denn Englands Steinkohlen-
gruben sind ungemein leistungsfähig. Und bei uns sind alle Steinkohlen-


Unsre Aohlcnnot

die notwendigen neuen Organisationen mit der Demokratie vertragen. Das
nordamerikanische Volk hat sich also darüber zu entscheiden, ob es die Fort¬
" dauer der Demokratie oder die Weltmachtstellung will.




Unsre Kohlennot

KS>Elie Grenzboten haben kürzlich schon einen Aufsatz über die Kohlen¬
not gebracht, der namentlich wertvolle Angaben über die bis¬
herigen Leistungen der Bergwerke enthält. Wir wollen um diese
Frage auch einmal vom staatswissenschaftlicher und technischen
IStandpunkt ans beleuchten und versuchen, sie noch weiter zu klären.

Zunächst würde zu untersuchen sein, ob in Deutschland ernstlich von einer
Kohlennot gesprochen werden kauu. Es ist allerdings nicht zu bestreiten, daß
augenblicklich eine große Nachfrage nach Kohlen herrscht, die die Steinkohlen-
nnd Braunkohlenbergwerke scheinbar nicht befriedigen können. Leider wird eine
Statistik über die fehlenden Kohlen sogar von den zustündigen Stellen, der
Bergverwaltuug, den Handels- und landwirtschaftlichen Kammern kaum ge¬
liefert werden können. Man ist also auf persönliche Eindrücke angewiesen.
Und da scheint es dem, der den Verhältnissei: näher steht, als ob das Publikum
in diesem Jahre seine Einkäufe an Kohlen zu sehr überstürze. Aber zugegeben,
es sei eine Kohlennot wirklich vorhanden, so könnte sie doch nur aus folgenden
drei Umständen hervorgegangen sein. Erstens daraus, daß im vorigen Jahre durch
den Streik der böhmischen Bergarbeiter die großen Vorräte an böhmischer
und sonstiger Braunkohle, die in Mitteldeutschland jahraus jahrein bei den
Händlern zu lagern pflegen, aufgebraucht siud. Zweitens daraus, daß die
Eisenindustrie bei ihrem außerordentlichen Aufschwünge die jährlich übliche
Mchrförderung der Steinkohlengruben in Anspruch genommen hat. Und drittens
liegt der Schluß nahe, daß die englische Kohle, da sie zur Versorgung der
großen Panzerflotten in China herangezogen werden mußte, zur Zeit im Norden
Deutschlands weniger eingeführt worden ist, was die Haudelsstatistik des Jahres
später noch ausweisen wird.

Hierzu kommen eine stetige Zunahme der Bevölkerung in Deutschland,
also ein Zuwachs an Kohlenverbrauchern, ein Aufschwung der Industrie und
der Umstand, daß sich die Nachbarländer, die nicht in demselben Maße Stein¬
kohle haben, von Jahr zu Jahr mehr unserm Kohlenmarkte zuwenden. Da
aber von diesen Ursachen der Kohlennot der Streik der böhmischen Bergarbeiter
schon längst weggefallen ist, so dürften allmählich wieder normale Verhältnisse
auf dein Gebiete des Kohlenmarkts zurückkehren, denn Englands Steinkohlen-
gruben sind ungemein leistungsfähig. Und bei uns sind alle Steinkohlen-


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[0075] Unsre Aohlcnnot die notwendigen neuen Organisationen mit der Demokratie vertragen. Das nordamerikanische Volk hat sich also darüber zu entscheiden, ob es die Fort¬ " dauer der Demokratie oder die Weltmachtstellung will. Unsre Kohlennot KS>Elie Grenzboten haben kürzlich schon einen Aufsatz über die Kohlen¬ not gebracht, der namentlich wertvolle Angaben über die bis¬ herigen Leistungen der Bergwerke enthält. Wir wollen um diese Frage auch einmal vom staatswissenschaftlicher und technischen IStandpunkt ans beleuchten und versuchen, sie noch weiter zu klären. Zunächst würde zu untersuchen sein, ob in Deutschland ernstlich von einer Kohlennot gesprochen werden kauu. Es ist allerdings nicht zu bestreiten, daß augenblicklich eine große Nachfrage nach Kohlen herrscht, die die Steinkohlen- nnd Braunkohlenbergwerke scheinbar nicht befriedigen können. Leider wird eine Statistik über die fehlenden Kohlen sogar von den zustündigen Stellen, der Bergverwaltuug, den Handels- und landwirtschaftlichen Kammern kaum ge¬ liefert werden können. Man ist also auf persönliche Eindrücke angewiesen. Und da scheint es dem, der den Verhältnissei: näher steht, als ob das Publikum in diesem Jahre seine Einkäufe an Kohlen zu sehr überstürze. Aber zugegeben, es sei eine Kohlennot wirklich vorhanden, so könnte sie doch nur aus folgenden drei Umständen hervorgegangen sein. Erstens daraus, daß im vorigen Jahre durch den Streik der böhmischen Bergarbeiter die großen Vorräte an böhmischer und sonstiger Braunkohle, die in Mitteldeutschland jahraus jahrein bei den Händlern zu lagern pflegen, aufgebraucht siud. Zweitens daraus, daß die Eisenindustrie bei ihrem außerordentlichen Aufschwünge die jährlich übliche Mchrförderung der Steinkohlengruben in Anspruch genommen hat. Und drittens liegt der Schluß nahe, daß die englische Kohle, da sie zur Versorgung der großen Panzerflotten in China herangezogen werden mußte, zur Zeit im Norden Deutschlands weniger eingeführt worden ist, was die Haudelsstatistik des Jahres später noch ausweisen wird. Hierzu kommen eine stetige Zunahme der Bevölkerung in Deutschland, also ein Zuwachs an Kohlenverbrauchern, ein Aufschwung der Industrie und der Umstand, daß sich die Nachbarländer, die nicht in demselben Maße Stein¬ kohle haben, von Jahr zu Jahr mehr unserm Kohlenmarkte zuwenden. Da aber von diesen Ursachen der Kohlennot der Streik der böhmischen Bergarbeiter schon längst weggefallen ist, so dürften allmählich wieder normale Verhältnisse auf dein Gebiete des Kohlenmarkts zurückkehren, denn Englands Steinkohlen- gruben sind ungemein leistungsfähig. Und bei uns sind alle Steinkohlen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/75>, abgerufen am 24.05.2024.