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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der wildsang

daß sie mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung über die Mündlichkeit
des Verfahrens unvereinbar sei. Denn diese Grundsätze müssen notwendiger¬
weise weichen für Teile des Verfahrens, wo sie unpraktisch oder gar schädlich,
mindestens unnötig sind. Noch weniger kann gegen die hier vorgcschlagne
Regelung die Rücksicht auf die beim Reichsgericht zugelassenen Rechtsanwälte
eingewandt werden; denn werden diese in ihrem bisherigen Wirkungskreise
unnötig, fo -- werden sie sich einen andern Wirkungskreis suchen müssen, der
ihnen ans Wunsch im Staatsdienst zu teil werden mag, wenn sie den Anwalts¬
beruf nicht fortsetzen wollen. Jedenfalls können derartige Erwägungen nicht
in Betracht kommen, wenn das Interesse der Rechtspflege, die Rücksicht auf
die Verbilliguug der Prozesse eine andre Regelung des Verfahrens als not¬
wendig erscheinen läßt.




Der Wildfang
Adolf Schmitthenner von(Fortsetzung)

unigunde und Valentin gingen langsam auf den Tisch zu. Die Augen
der Studenten waren auf das herrliche Paar gerichtet. Der Vorderste
stand ans, brachte einen Pokal, verneigte sich vor Kunigunde und
sagte: Dürfen wir die schöne Jnngfrnu und ihren Liebsten bieten,
uns Bescheid zu thun? Es kommt von Herzen und soll viel Glück
bringen.

Ich danke den Herren! sagte Kunigunde und hob deu Pokal mit anmutigen Gruße.

In diesem Augenblick war es mir, als ob ich Gerwig sähe, wie er am Ein¬
gange der Zeltgasse stand und herschaute; aber ehe ich ihm winken konnte, war er
hinter einer Bude verschwunden.

Seht die Pfalzgräfin! ließ sich eine Stimme hinter uns hören. Eine Gesell¬
schaft von Bürgersleuten drängte sich vorbei. Andre blieben stehn, und es bildete
sich allmählich ein Kreis um uns.

Kunigunde schaute spöttisch nach der Sprecherin. Dann nippte sie von dem
Wein und reichte den Becher ihrem Bräutigam.

Valentin that einen herzhaften Schluck und setzte den Pokal auf den Tisch
nieder. Das freundliche Erlebnis hatte jede Spur von Besorgnis aus seinem
Antlitz verscheucht.

Wir danken deu Herren, sagte er, und wir wünschen einem jeden viel Fortun
u> der Welt und deutsches Glück in der Liebe!

Wir danken euch! riefen die Studenten zurück.

Ihr habt eine schöne Klinge, sagte Valentin zu dem Sprecher. Erlaubt,
daß ich sie beschaue. Ich bin Schwertfeger und habe Freude an solchen Dingen.

Wir wollen gehn! drängte ich, aber die beiden waren ganz im Augenblick
verloren.

Während Valentin die Waffe betrachtete, sagte Kunigunde-


Der wildsang

daß sie mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung über die Mündlichkeit
des Verfahrens unvereinbar sei. Denn diese Grundsätze müssen notwendiger¬
weise weichen für Teile des Verfahrens, wo sie unpraktisch oder gar schädlich,
mindestens unnötig sind. Noch weniger kann gegen die hier vorgcschlagne
Regelung die Rücksicht auf die beim Reichsgericht zugelassenen Rechtsanwälte
eingewandt werden; denn werden diese in ihrem bisherigen Wirkungskreise
unnötig, fo — werden sie sich einen andern Wirkungskreis suchen müssen, der
ihnen ans Wunsch im Staatsdienst zu teil werden mag, wenn sie den Anwalts¬
beruf nicht fortsetzen wollen. Jedenfalls können derartige Erwägungen nicht
in Betracht kommen, wenn das Interesse der Rechtspflege, die Rücksicht auf
die Verbilliguug der Prozesse eine andre Regelung des Verfahrens als not¬
wendig erscheinen läßt.




Der Wildfang
Adolf Schmitthenner von(Fortsetzung)

unigunde und Valentin gingen langsam auf den Tisch zu. Die Augen
der Studenten waren auf das herrliche Paar gerichtet. Der Vorderste
stand ans, brachte einen Pokal, verneigte sich vor Kunigunde und
sagte: Dürfen wir die schöne Jnngfrnu und ihren Liebsten bieten,
uns Bescheid zu thun? Es kommt von Herzen und soll viel Glück
bringen.

Ich danke den Herren! sagte Kunigunde und hob deu Pokal mit anmutigen Gruße.

In diesem Augenblick war es mir, als ob ich Gerwig sähe, wie er am Ein¬
gange der Zeltgasse stand und herschaute; aber ehe ich ihm winken konnte, war er
hinter einer Bude verschwunden.

Seht die Pfalzgräfin! ließ sich eine Stimme hinter uns hören. Eine Gesell¬
schaft von Bürgersleuten drängte sich vorbei. Andre blieben stehn, und es bildete
sich allmählich ein Kreis um uns.

Kunigunde schaute spöttisch nach der Sprecherin. Dann nippte sie von dem
Wein und reichte den Becher ihrem Bräutigam.

Valentin that einen herzhaften Schluck und setzte den Pokal auf den Tisch
nieder. Das freundliche Erlebnis hatte jede Spur von Besorgnis aus seinem
Antlitz verscheucht.

Wir danken deu Herren, sagte er, und wir wünschen einem jeden viel Fortun
u> der Welt und deutsches Glück in der Liebe!

Wir danken euch! riefen die Studenten zurück.

Ihr habt eine schöne Klinge, sagte Valentin zu dem Sprecher. Erlaubt,
daß ich sie beschaue. Ich bin Schwertfeger und habe Freude an solchen Dingen.

Wir wollen gehn! drängte ich, aber die beiden waren ganz im Augenblick
verloren.

Während Valentin die Waffe betrachtete, sagte Kunigunde-


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[0239] Der wildsang daß sie mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung über die Mündlichkeit des Verfahrens unvereinbar sei. Denn diese Grundsätze müssen notwendiger¬ weise weichen für Teile des Verfahrens, wo sie unpraktisch oder gar schädlich, mindestens unnötig sind. Noch weniger kann gegen die hier vorgcschlagne Regelung die Rücksicht auf die beim Reichsgericht zugelassenen Rechtsanwälte eingewandt werden; denn werden diese in ihrem bisherigen Wirkungskreise unnötig, fo — werden sie sich einen andern Wirkungskreis suchen müssen, der ihnen ans Wunsch im Staatsdienst zu teil werden mag, wenn sie den Anwalts¬ beruf nicht fortsetzen wollen. Jedenfalls können derartige Erwägungen nicht in Betracht kommen, wenn das Interesse der Rechtspflege, die Rücksicht auf die Verbilliguug der Prozesse eine andre Regelung des Verfahrens als not¬ wendig erscheinen läßt. Der Wildfang Adolf Schmitthenner von(Fortsetzung) unigunde und Valentin gingen langsam auf den Tisch zu. Die Augen der Studenten waren auf das herrliche Paar gerichtet. Der Vorderste stand ans, brachte einen Pokal, verneigte sich vor Kunigunde und sagte: Dürfen wir die schöne Jnngfrnu und ihren Liebsten bieten, uns Bescheid zu thun? Es kommt von Herzen und soll viel Glück bringen. Ich danke den Herren! sagte Kunigunde und hob deu Pokal mit anmutigen Gruße. In diesem Augenblick war es mir, als ob ich Gerwig sähe, wie er am Ein¬ gange der Zeltgasse stand und herschaute; aber ehe ich ihm winken konnte, war er hinter einer Bude verschwunden. Seht die Pfalzgräfin! ließ sich eine Stimme hinter uns hören. Eine Gesell¬ schaft von Bürgersleuten drängte sich vorbei. Andre blieben stehn, und es bildete sich allmählich ein Kreis um uns. Kunigunde schaute spöttisch nach der Sprecherin. Dann nippte sie von dem Wein und reichte den Becher ihrem Bräutigam. Valentin that einen herzhaften Schluck und setzte den Pokal auf den Tisch nieder. Das freundliche Erlebnis hatte jede Spur von Besorgnis aus seinem Antlitz verscheucht. Wir danken deu Herren, sagte er, und wir wünschen einem jeden viel Fortun u> der Welt und deutsches Glück in der Liebe! Wir danken euch! riefen die Studenten zurück. Ihr habt eine schöne Klinge, sagte Valentin zu dem Sprecher. Erlaubt, daß ich sie beschaue. Ich bin Schwertfeger und habe Freude an solchen Dingen. Wir wollen gehn! drängte ich, aber die beiden waren ganz im Augenblick verloren. Während Valentin die Waffe betrachtete, sagte Kunigunde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/239>, abgerufen am 28.04.2024.