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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Entzündung, Kp. Amo. 8u1k. usw," Es ist gut, darmi erinnert zu werden, daß
es auch auf der Mathildenhöhe menschliche Dinge giebt, daß das Leben doch
Recht behalten wird sogar gegenüber Dokumenten deutscher Kunst!


Georg Gabler


Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschast

in aufgeregte? Treiben herrschte in Pretoria, als die Thatsache
bekannt wurde, daß sich die Engländer der Hauptstadt näherten.
Die letzten Leute, die noch "kvmmandierfähig" waren, die es aber
durch ihre gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft nach "oben"
oder auf andre Weise vermocht hatten, sich noch von der Front
fernzuhalten, mußten dem strengen Befehle des Generalissimus Bodha, sich ihren
Kommandos unverzüglich anzuschließen, Folge leisten. Auch Tausenden, die
ihren zweiwöchigem Urlaub bei der bisherigen schlappen Handhabung des Kriegs¬
gesetzes ans zwei Monate ausgedehnt hatten, wurde der Besuch zu Hause durch
die neue verschärfte Maßregel jählings abgekürzt. So boten nun die Straßen
ein recht lebhaftes Bild, Von allen Seiten hörte man, wie sich die Leute
Abschiedsgrüße znriefe"; hier und dort sah mau auch weinende Frauen, doch
im allgemeinen machte der Abschied keinen tiefern Eindrnck mehr. Man schien
im Laufe der vergangnen acht Monate schon daran gewöhnt zu sein, es ge¬
hörte das Abschiednehmen schon zum Alltäglichen, Auch an scherzhaften Äuße¬
rungen über eine kleine, wenn anch unfreiwillige Reise nach Se. Helena fehlte
es nicht.

Der Mittelpunkt des ganzen Lebens in Pretoria war der Bahnhof, Fast
die ganze Bevölkerung war abends dort bei der Ankunft der Züge von Middel-
burg und Zoutpansberg versammelt. Die Züge wurde" durch die nach der
Front ziehende" Vnrcu so überfüllt, daß zuweilen noch Extrazüge die Zurück¬
gebliebnen befördern mußten. Nur mit Mühe und Not war mau imstande,
sich seinen Weg durch die dichtgedrängte Volksmenge zu bahnen. Die neusten
Nachrichten schienen den Buren wenig Mut einzuflößen. Fast täglich waren
denn auch einige Helden z" treffen, denen der Mut schon auf dem Bahnhof
gesunken war, die sich beschwerten, daß sie nicht erster Klasse befördert werden
sollten, so wie es guten Bürgern zukäme, nud die dann ohne weiteres den
Weg nach Hanse antraten. Andre wieder, die weniger anspruchsvoll waren,
suchten hinter dem Zuge so lauge nach einem Sitzplatz, bis das ersehnte Signal
Ma Abfahren gegeben wurde, das dann auch zugleich ein Zeichen für ihre
Heimreise war. Jeder Bur ist ja sein eigner General; mit einer Armee von
Generalen kann mau aber keine Schlachten schlagen. Die Ausländer, die es
sich erlaube" konnte", mit Kind und Kegel eine Reise nach Enropci zu machen,


Grenzboten IN 1901 54

Entzündung, Kp. Amo. 8u1k. usw," Es ist gut, darmi erinnert zu werden, daß
es auch auf der Mathildenhöhe menschliche Dinge giebt, daß das Leben doch
Recht behalten wird sogar gegenüber Dokumenten deutscher Kunst!


Georg Gabler


Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschast

in aufgeregte? Treiben herrschte in Pretoria, als die Thatsache
bekannt wurde, daß sich die Engländer der Hauptstadt näherten.
Die letzten Leute, die noch „kvmmandierfähig" waren, die es aber
durch ihre gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft nach „oben"
oder auf andre Weise vermocht hatten, sich noch von der Front
fernzuhalten, mußten dem strengen Befehle des Generalissimus Bodha, sich ihren
Kommandos unverzüglich anzuschließen, Folge leisten. Auch Tausenden, die
ihren zweiwöchigem Urlaub bei der bisherigen schlappen Handhabung des Kriegs¬
gesetzes ans zwei Monate ausgedehnt hatten, wurde der Besuch zu Hause durch
die neue verschärfte Maßregel jählings abgekürzt. So boten nun die Straßen
ein recht lebhaftes Bild, Von allen Seiten hörte man, wie sich die Leute
Abschiedsgrüße znriefe»; hier und dort sah mau auch weinende Frauen, doch
im allgemeinen machte der Abschied keinen tiefern Eindrnck mehr. Man schien
im Laufe der vergangnen acht Monate schon daran gewöhnt zu sein, es ge¬
hörte das Abschiednehmen schon zum Alltäglichen, Auch an scherzhaften Äuße¬
rungen über eine kleine, wenn anch unfreiwillige Reise nach Se. Helena fehlte
es nicht.

Der Mittelpunkt des ganzen Lebens in Pretoria war der Bahnhof, Fast
die ganze Bevölkerung war abends dort bei der Ankunft der Züge von Middel-
burg und Zoutpansberg versammelt. Die Züge wurde» durch die nach der
Front ziehende« Vnrcu so überfüllt, daß zuweilen noch Extrazüge die Zurück¬
gebliebnen befördern mußten. Nur mit Mühe und Not war mau imstande,
sich seinen Weg durch die dichtgedrängte Volksmenge zu bahnen. Die neusten
Nachrichten schienen den Buren wenig Mut einzuflößen. Fast täglich waren
denn auch einige Helden z» treffen, denen der Mut schon auf dem Bahnhof
gesunken war, die sich beschwerten, daß sie nicht erster Klasse befördert werden
sollten, so wie es guten Bürgern zukäme, nud die dann ohne weiteres den
Weg nach Hanse antraten. Andre wieder, die weniger anspruchsvoll waren,
suchten hinter dem Zuge so lauge nach einem Sitzplatz, bis das ersehnte Signal
Ma Abfahren gegeben wurde, das dann auch zugleich ein Zeichen für ihre
Heimreise war. Jeder Bur ist ja sein eigner General; mit einer Armee von
Generalen kann mau aber keine Schlachten schlagen. Die Ausländer, die es
sich erlaube» konnte», mit Kind und Kegel eine Reise nach Enropci zu machen,


Grenzboten IN 1901 54
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[0433] Entzündung, Kp. Amo. 8u1k. usw," Es ist gut, darmi erinnert zu werden, daß es auch auf der Mathildenhöhe menschliche Dinge giebt, daß das Leben doch Recht behalten wird sogar gegenüber Dokumenten deutscher Kunst! Georg Gabler Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschast in aufgeregte? Treiben herrschte in Pretoria, als die Thatsache bekannt wurde, daß sich die Engländer der Hauptstadt näherten. Die letzten Leute, die noch „kvmmandierfähig" waren, die es aber durch ihre gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft nach „oben" oder auf andre Weise vermocht hatten, sich noch von der Front fernzuhalten, mußten dem strengen Befehle des Generalissimus Bodha, sich ihren Kommandos unverzüglich anzuschließen, Folge leisten. Auch Tausenden, die ihren zweiwöchigem Urlaub bei der bisherigen schlappen Handhabung des Kriegs¬ gesetzes ans zwei Monate ausgedehnt hatten, wurde der Besuch zu Hause durch die neue verschärfte Maßregel jählings abgekürzt. So boten nun die Straßen ein recht lebhaftes Bild, Von allen Seiten hörte man, wie sich die Leute Abschiedsgrüße znriefe»; hier und dort sah mau auch weinende Frauen, doch im allgemeinen machte der Abschied keinen tiefern Eindrnck mehr. Man schien im Laufe der vergangnen acht Monate schon daran gewöhnt zu sein, es ge¬ hörte das Abschiednehmen schon zum Alltäglichen, Auch an scherzhaften Äuße¬ rungen über eine kleine, wenn anch unfreiwillige Reise nach Se. Helena fehlte es nicht. Der Mittelpunkt des ganzen Lebens in Pretoria war der Bahnhof, Fast die ganze Bevölkerung war abends dort bei der Ankunft der Züge von Middel- burg und Zoutpansberg versammelt. Die Züge wurde» durch die nach der Front ziehende« Vnrcu so überfüllt, daß zuweilen noch Extrazüge die Zurück¬ gebliebnen befördern mußten. Nur mit Mühe und Not war mau imstande, sich seinen Weg durch die dichtgedrängte Volksmenge zu bahnen. Die neusten Nachrichten schienen den Buren wenig Mut einzuflößen. Fast täglich waren denn auch einige Helden z» treffen, denen der Mut schon auf dem Bahnhof gesunken war, die sich beschwerten, daß sie nicht erster Klasse befördert werden sollten, so wie es guten Bürgern zukäme, nud die dann ohne weiteres den Weg nach Hanse antraten. Andre wieder, die weniger anspruchsvoll waren, suchten hinter dem Zuge so lauge nach einem Sitzplatz, bis das ersehnte Signal Ma Abfahren gegeben wurde, das dann auch zugleich ein Zeichen für ihre Heimreise war. Jeder Bur ist ja sein eigner General; mit einer Armee von Generalen kann mau aber keine Schlachten schlagen. Die Ausländer, die es sich erlaube» konnte», mit Kind und Kegel eine Reise nach Enropci zu machen, Grenzboten IN 1901 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/433>, abgerufen am 28.04.2024.