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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Die Papyrusschätzt: Ägyptens

gepredigt und gelehrt in der Sprache, die auch dem einfältigen Menschen ver¬
stündlich war; heute aber drohen die strenggläubigen Athener denen Mord und
Fluch, die nichts andres wollen, als was die Apostel und ihre Schiller wollten,
und sie sind überzeugt, daß auch das -- Christentum sei.




Die papyrusschätze Ägyptens

uter den Vortrügen der vorjährigen Straßburger Philologen-
Versammlung fesselte besonders Wilckens Vortrag über die Papyrns-
forschnng der letzten Jahre die Aufmerksamkeit der Zuhörer; den"
thatsächlich ist unsre Kenntnis des klassischen Altertums in dein
letzten Jahrzehnt durch nichts mehr gefördert worden als dnrch
die in Ägypten zahlreich gefundnen griechischen Papyri, die nicht nur für die
Litteraturgeschichte von großer Bedeutung sind, sondern auch über die staat¬
lichen Einrichtungen, über das wirtschaftliche und das gesellige Leben der
griechischen und der römischen Periode Ägyptens wertvolle Aufschlüsse geben.
Es dürfte deshalb auch für solche, die der philologische" Arbeit fern stehn, von
Interesse sei", über diese Papyrusfunde, ihre Sammlungen und ihren Inhalt
näheres zu erfahren.

Die ersten wichtigern Papyrusfunde wurden schon um die Mitte des acht¬
zehnten Jahrhunderts in Herkulaucum gemacht. Aber die dort in ziemlich
großer Anzahl gefundnen Rollen waren von dem heißen Lavaströme, der die
Stadt einst verschüttet hatte, nicht unberührt geblieben: sie waren in einem
halbverkohlter Zustande, und es bedürfte unendlicher Mühe und besondrer
mechanischer Vorrichtungen, sie lesbar zu machen. Etwa mit dem dritten
Teile ist das bis jetzt gelungen, doch ist der Inhalt dieser Rollen ohne all¬
gemeineres Interesse, da es fast ausschließlich Schriften griechischer Philosophen
aus der Schule Epikurs, namentlich von Philodemos, sind.

In Ägypten kam der erste Papyrus, die sogenannte OnArtg, Lorg'iiMÄ,
1778 zum Vorschein; alsdann wurden hier seit dem Beginn des neunzehnten
Jahrhunderts dann und wann in Grübern Papyri gefunden, mit denen die
Leichen an Stelle der gewöhnlich verwandten Byssvsstrcifen umwunden waren,
oder die aus Gründen der Pietät den Toten in thönernen Krügen mit in das
Grab gegeben waren. Aber in größerer Menge kamen Papyrusstücke erst an
das Tageslicht, als die Fellahs anfingen, in Mittelügyvten die antiken oft
bis zu mehr als 20 Metern emvorgetürmten Schutthaufen der Stüdte des
Nilthals abzugraben, um die Salz- und natrvnhnltige Erde -- von den Ein-
gebornen at^it genannt -- für die seit der englischen Okkupation in größerm
Maßstabe bctriebne Baumwollen- und Znckerknltnr zu gewinnen. Die Land¬
schaft el Faijum, wo insbesondre diese Arbeiten vorgenommen wurden, lxKcht


Die Papyrusschätzt: Ägyptens

gepredigt und gelehrt in der Sprache, die auch dem einfältigen Menschen ver¬
stündlich war; heute aber drohen die strenggläubigen Athener denen Mord und
Fluch, die nichts andres wollen, als was die Apostel und ihre Schiller wollten,
und sie sind überzeugt, daß auch das — Christentum sei.




Die papyrusschätze Ägyptens

uter den Vortrügen der vorjährigen Straßburger Philologen-
Versammlung fesselte besonders Wilckens Vortrag über die Papyrns-
forschnng der letzten Jahre die Aufmerksamkeit der Zuhörer; den»
thatsächlich ist unsre Kenntnis des klassischen Altertums in dein
letzten Jahrzehnt durch nichts mehr gefördert worden als dnrch
die in Ägypten zahlreich gefundnen griechischen Papyri, die nicht nur für die
Litteraturgeschichte von großer Bedeutung sind, sondern auch über die staat¬
lichen Einrichtungen, über das wirtschaftliche und das gesellige Leben der
griechischen und der römischen Periode Ägyptens wertvolle Aufschlüsse geben.
Es dürfte deshalb auch für solche, die der philologische» Arbeit fern stehn, von
Interesse sei», über diese Papyrusfunde, ihre Sammlungen und ihren Inhalt
näheres zu erfahren.

Die ersten wichtigern Papyrusfunde wurden schon um die Mitte des acht¬
zehnten Jahrhunderts in Herkulaucum gemacht. Aber die dort in ziemlich
großer Anzahl gefundnen Rollen waren von dem heißen Lavaströme, der die
Stadt einst verschüttet hatte, nicht unberührt geblieben: sie waren in einem
halbverkohlter Zustande, und es bedürfte unendlicher Mühe und besondrer
mechanischer Vorrichtungen, sie lesbar zu machen. Etwa mit dem dritten
Teile ist das bis jetzt gelungen, doch ist der Inhalt dieser Rollen ohne all¬
gemeineres Interesse, da es fast ausschließlich Schriften griechischer Philosophen
aus der Schule Epikurs, namentlich von Philodemos, sind.

In Ägypten kam der erste Papyrus, die sogenannte OnArtg, Lorg'iiMÄ,
1778 zum Vorschein; alsdann wurden hier seit dem Beginn des neunzehnten
Jahrhunderts dann und wann in Grübern Papyri gefunden, mit denen die
Leichen an Stelle der gewöhnlich verwandten Byssvsstrcifen umwunden waren,
oder die aus Gründen der Pietät den Toten in thönernen Krügen mit in das
Grab gegeben waren. Aber in größerer Menge kamen Papyrusstücke erst an
das Tageslicht, als die Fellahs anfingen, in Mittelügyvten die antiken oft
bis zu mehr als 20 Metern emvorgetürmten Schutthaufen der Stüdte des
Nilthals abzugraben, um die Salz- und natrvnhnltige Erde — von den Ein-
gebornen at^it genannt — für die seit der englischen Okkupation in größerm
Maßstabe bctriebne Baumwollen- und Znckerknltnr zu gewinnen. Die Land¬
schaft el Faijum, wo insbesondre diese Arbeiten vorgenommen wurden, lxKcht


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[0152] Die Papyrusschätzt: Ägyptens gepredigt und gelehrt in der Sprache, die auch dem einfältigen Menschen ver¬ stündlich war; heute aber drohen die strenggläubigen Athener denen Mord und Fluch, die nichts andres wollen, als was die Apostel und ihre Schiller wollten, und sie sind überzeugt, daß auch das — Christentum sei. Die papyrusschätze Ägyptens uter den Vortrügen der vorjährigen Straßburger Philologen- Versammlung fesselte besonders Wilckens Vortrag über die Papyrns- forschnng der letzten Jahre die Aufmerksamkeit der Zuhörer; den» thatsächlich ist unsre Kenntnis des klassischen Altertums in dein letzten Jahrzehnt durch nichts mehr gefördert worden als dnrch die in Ägypten zahlreich gefundnen griechischen Papyri, die nicht nur für die Litteraturgeschichte von großer Bedeutung sind, sondern auch über die staat¬ lichen Einrichtungen, über das wirtschaftliche und das gesellige Leben der griechischen und der römischen Periode Ägyptens wertvolle Aufschlüsse geben. Es dürfte deshalb auch für solche, die der philologische» Arbeit fern stehn, von Interesse sei», über diese Papyrusfunde, ihre Sammlungen und ihren Inhalt näheres zu erfahren. Die ersten wichtigern Papyrusfunde wurden schon um die Mitte des acht¬ zehnten Jahrhunderts in Herkulaucum gemacht. Aber die dort in ziemlich großer Anzahl gefundnen Rollen waren von dem heißen Lavaströme, der die Stadt einst verschüttet hatte, nicht unberührt geblieben: sie waren in einem halbverkohlter Zustande, und es bedürfte unendlicher Mühe und besondrer mechanischer Vorrichtungen, sie lesbar zu machen. Etwa mit dem dritten Teile ist das bis jetzt gelungen, doch ist der Inhalt dieser Rollen ohne all¬ gemeineres Interesse, da es fast ausschließlich Schriften griechischer Philosophen aus der Schule Epikurs, namentlich von Philodemos, sind. In Ägypten kam der erste Papyrus, die sogenannte OnArtg, Lorg'iiMÄ, 1778 zum Vorschein; alsdann wurden hier seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts dann und wann in Grübern Papyri gefunden, mit denen die Leichen an Stelle der gewöhnlich verwandten Byssvsstrcifen umwunden waren, oder die aus Gründen der Pietät den Toten in thönernen Krügen mit in das Grab gegeben waren. Aber in größerer Menge kamen Papyrusstücke erst an das Tageslicht, als die Fellahs anfingen, in Mittelügyvten die antiken oft bis zu mehr als 20 Metern emvorgetürmten Schutthaufen der Stüdte des Nilthals abzugraben, um die Salz- und natrvnhnltige Erde — von den Ein- gebornen at^it genannt — für die seit der englischen Okkupation in größerm Maßstabe bctriebne Baumwollen- und Znckerknltnr zu gewinnen. Die Land¬ schaft el Faijum, wo insbesondre diese Arbeiten vorgenommen wurden, lxKcht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/152>, abgerufen am 28.04.2024.