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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

staatliche Mittel unterstützt, reger noch als bisher daran beteilige, damit das
Ziel, für jede deutsche Universität eine Papyrussammlnng zu schaffen, in nicht
zu langer Frist erreicht werde.


K. Busche


Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte ans der Gegenwart von
Drittes Aapitel
Auf der Kegelbahn

THWZ^lin Sommer war alle Mittwoch auf dem Kirschberge zu Holzweißig
Kegeltag. Dieser Tag war in der ganzen Gegend bekannt und
beliebt -- schon von alten Zeiten her, wo der Herr Pastor noch
seine sanftmütige Kugel schob, und der alte Poplitz noch lebte, und
die Kegelbahn noch neu und gut war. Seitdem hatte die Kegelbahn
! unter Regen und Sonnenschein viel ausstehn müssen, die Bretter
waren morsch geworden, und die Bohle hatte Berg und Thal bekommen, sodaß
nur alte Kegler, die die Mucken der Bahn kannten, ihre Kugeln mit Erfolg hinans-
brachten. Man hatte jedes Jahr von einer Reparatur geredet, Andreas Happich
hatte philosophische Betrachtungen über den Gegenstand angestellt, und Fritze Poplitz
hatte geschimpft wie ein Rohrspatz. Damit war aber die Angelegenheit erledigt
gewesen, und alles war geblieben wie zuvor. Die Bahn war es also nicht, die
die Anziehungskraft ausübte, auch Happichs Bier nicht, das oft zu wünschen übrig
ließ, sondern die schöne Lage und die "gute" Gesellschaft. Die Bahn lag mit ihrem
Kegelhause unter einer Gruppe alter Buchen nahe an dem Gipfel des Berges; vorn
die Bahn, und dahinter etwas erhöht Bänke und Tische. Während sich nnn die
Kegler über das Spiel aufregten, den Kegeljnngen schalten und über geheimnis¬
volle Tücken von Brett und Kugel klagten, saßen die Zuschauer an, den Tischen
und führten bedächtige Gespräche. Auch eine Laterne hing an einer Kette von
einem Aste herab, und diese Laterne wurde auch bisweilen angesteckt, wenn gerade
Öl auf der Lampe war.

Hier waltete Andreas Happich als Mensch, Land- und Gastwirt, und zwar
gleichfalls mit Bedacht. Erstens besann er sich jedesmal eine halbe Stunde, ob
er das Faß, das er im Kegelhanse aufgelegt hatte, auch anstecken sollte, denn er
fürchtete immer an etwaigen Resten bankrott zu werden; und zweitens hätte er es
für eine Versündigung gehalten, überhaupt etwas mit Anstrengung seiner Kräfte
zu thun. Er war doch der Wirt, und Kirschberg und Kegelbahn waren sein Eigen¬
tum. Wenn er also jemand bediente, so that er es mit der Würde, die ihm als
Menschen, Land- und Gastwirt zukam. Daß er sichs bezahlen ließ, kam dabei
weiter nicht in Betracht. Leider hatte sich die Wandlung der Zeit schon in seinem
Gasthause unten im Dorfe spürbar gemacht. Dort fingen die Gäste an, sich als
Herren zu betrachte!? und zu schelten, wenn das Glas eine zu große Mütze hatte,
oder wenn sie zu lange warten mußten; aber ans dem Kirschberge verkehrte nur
gute Gesellschaft, die sich etwas gefallen ließ, keine Schächter, die weder vor Gott
im Himmel noch vor dem Wirt auf Erden Achtung hatten, dn herrschte noch ein
guter Ton, höchstens daß Fritze Poplitz bisweilen einmal ungeduldig wurde, von


Doktor Duttmüller und sein Freund

staatliche Mittel unterstützt, reger noch als bisher daran beteilige, damit das
Ziel, für jede deutsche Universität eine Papyrussammlnng zu schaffen, in nicht
zu langer Frist erreicht werde.


K. Busche


Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte ans der Gegenwart von
Drittes Aapitel
Auf der Kegelbahn

THWZ^lin Sommer war alle Mittwoch auf dem Kirschberge zu Holzweißig
Kegeltag. Dieser Tag war in der ganzen Gegend bekannt und
beliebt — schon von alten Zeiten her, wo der Herr Pastor noch
seine sanftmütige Kugel schob, und der alte Poplitz noch lebte, und
die Kegelbahn noch neu und gut war. Seitdem hatte die Kegelbahn
! unter Regen und Sonnenschein viel ausstehn müssen, die Bretter
waren morsch geworden, und die Bohle hatte Berg und Thal bekommen, sodaß
nur alte Kegler, die die Mucken der Bahn kannten, ihre Kugeln mit Erfolg hinans-
brachten. Man hatte jedes Jahr von einer Reparatur geredet, Andreas Happich
hatte philosophische Betrachtungen über den Gegenstand angestellt, und Fritze Poplitz
hatte geschimpft wie ein Rohrspatz. Damit war aber die Angelegenheit erledigt
gewesen, und alles war geblieben wie zuvor. Die Bahn war es also nicht, die
die Anziehungskraft ausübte, auch Happichs Bier nicht, das oft zu wünschen übrig
ließ, sondern die schöne Lage und die „gute" Gesellschaft. Die Bahn lag mit ihrem
Kegelhause unter einer Gruppe alter Buchen nahe an dem Gipfel des Berges; vorn
die Bahn, und dahinter etwas erhöht Bänke und Tische. Während sich nnn die
Kegler über das Spiel aufregten, den Kegeljnngen schalten und über geheimnis¬
volle Tücken von Brett und Kugel klagten, saßen die Zuschauer an, den Tischen
und führten bedächtige Gespräche. Auch eine Laterne hing an einer Kette von
einem Aste herab, und diese Laterne wurde auch bisweilen angesteckt, wenn gerade
Öl auf der Lampe war.

Hier waltete Andreas Happich als Mensch, Land- und Gastwirt, und zwar
gleichfalls mit Bedacht. Erstens besann er sich jedesmal eine halbe Stunde, ob
er das Faß, das er im Kegelhanse aufgelegt hatte, auch anstecken sollte, denn er
fürchtete immer an etwaigen Resten bankrott zu werden; und zweitens hätte er es
für eine Versündigung gehalten, überhaupt etwas mit Anstrengung seiner Kräfte
zu thun. Er war doch der Wirt, und Kirschberg und Kegelbahn waren sein Eigen¬
tum. Wenn er also jemand bediente, so that er es mit der Würde, die ihm als
Menschen, Land- und Gastwirt zukam. Daß er sichs bezahlen ließ, kam dabei
weiter nicht in Betracht. Leider hatte sich die Wandlung der Zeit schon in seinem
Gasthause unten im Dorfe spürbar gemacht. Dort fingen die Gäste an, sich als
Herren zu betrachte!? und zu schelten, wenn das Glas eine zu große Mütze hatte,
oder wenn sie zu lange warten mußten; aber ans dem Kirschberge verkehrte nur
gute Gesellschaft, die sich etwas gefallen ließ, keine Schächter, die weder vor Gott
im Himmel noch vor dem Wirt auf Erden Achtung hatten, dn herrschte noch ein
guter Ton, höchstens daß Fritze Poplitz bisweilen einmal ungeduldig wurde, von


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[0160] Doktor Duttmüller und sein Freund staatliche Mittel unterstützt, reger noch als bisher daran beteilige, damit das Ziel, für jede deutsche Universität eine Papyrussammlnng zu schaffen, in nicht zu langer Frist erreicht werde. K. Busche Doktor Duttmüller und sein Freund Fritz Anders (Max Allahn) Line Geschichte ans der Gegenwart von Drittes Aapitel Auf der Kegelbahn THWZ^lin Sommer war alle Mittwoch auf dem Kirschberge zu Holzweißig Kegeltag. Dieser Tag war in der ganzen Gegend bekannt und beliebt — schon von alten Zeiten her, wo der Herr Pastor noch seine sanftmütige Kugel schob, und der alte Poplitz noch lebte, und die Kegelbahn noch neu und gut war. Seitdem hatte die Kegelbahn ! unter Regen und Sonnenschein viel ausstehn müssen, die Bretter waren morsch geworden, und die Bohle hatte Berg und Thal bekommen, sodaß nur alte Kegler, die die Mucken der Bahn kannten, ihre Kugeln mit Erfolg hinans- brachten. Man hatte jedes Jahr von einer Reparatur geredet, Andreas Happich hatte philosophische Betrachtungen über den Gegenstand angestellt, und Fritze Poplitz hatte geschimpft wie ein Rohrspatz. Damit war aber die Angelegenheit erledigt gewesen, und alles war geblieben wie zuvor. Die Bahn war es also nicht, die die Anziehungskraft ausübte, auch Happichs Bier nicht, das oft zu wünschen übrig ließ, sondern die schöne Lage und die „gute" Gesellschaft. Die Bahn lag mit ihrem Kegelhause unter einer Gruppe alter Buchen nahe an dem Gipfel des Berges; vorn die Bahn, und dahinter etwas erhöht Bänke und Tische. Während sich nnn die Kegler über das Spiel aufregten, den Kegeljnngen schalten und über geheimnis¬ volle Tücken von Brett und Kugel klagten, saßen die Zuschauer an, den Tischen und führten bedächtige Gespräche. Auch eine Laterne hing an einer Kette von einem Aste herab, und diese Laterne wurde auch bisweilen angesteckt, wenn gerade Öl auf der Lampe war. Hier waltete Andreas Happich als Mensch, Land- und Gastwirt, und zwar gleichfalls mit Bedacht. Erstens besann er sich jedesmal eine halbe Stunde, ob er das Faß, das er im Kegelhanse aufgelegt hatte, auch anstecken sollte, denn er fürchtete immer an etwaigen Resten bankrott zu werden; und zweitens hätte er es für eine Versündigung gehalten, überhaupt etwas mit Anstrengung seiner Kräfte zu thun. Er war doch der Wirt, und Kirschberg und Kegelbahn waren sein Eigen¬ tum. Wenn er also jemand bediente, so that er es mit der Würde, die ihm als Menschen, Land- und Gastwirt zukam. Daß er sichs bezahlen ließ, kam dabei weiter nicht in Betracht. Leider hatte sich die Wandlung der Zeit schon in seinem Gasthause unten im Dorfe spürbar gemacht. Dort fingen die Gäste an, sich als Herren zu betrachte!? und zu schelten, wenn das Glas eine zu große Mütze hatte, oder wenn sie zu lange warten mußten; aber ans dem Kirschberge verkehrte nur gute Gesellschaft, die sich etwas gefallen ließ, keine Schächter, die weder vor Gott im Himmel noch vor dem Wirt auf Erden Achtung hatten, dn herrschte noch ein guter Ton, höchstens daß Fritze Poplitz bisweilen einmal ungeduldig wurde, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/160>, abgerufen am 29.04.2024.