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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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die schweizerischen Zeitungspolitiker für die Erhaltung dieses friedlichen Gegen¬
satzes wirken wollten -- zum Besten beider Länder --, so würde man ihnen
den politisch weiten Blick zuerkennen müssen, der dem schweizerischen Bundes¬
rate nachgerühmt wird, und dessen Thätigkeit im Verkehr mit den befreundeten
A.-p. Nachbarstaaten auf diese Weise erleichtert und unterstützt würde.




Panama oder Nicaragua?

l e letzten Nachrichten über den neuen Hab-Pauneefote-Vertrag,
der vor wenig Wochen zustande gekommen ist, lassen keinen
Zweifel mehr darüber aufkommen, daß den Amerikanern nun¬
mehr auch das Recht der Befestigung des mittelamerikanischen
Kanals zugestanden worden ist. Bekanntlich hatten die Eng¬
länder im ersten Hay-Pauucefote-Abkommen vom Februar 1900*) ihren Gegnern
dieses Recht verweigert, was die Verwerfung des Vertrags durch den ameri¬
kanischen Senat zur Folge hatte. Jetzt endlich nach funfzigjährigen Wider¬
stande haben sie dem energischen Willen des amerikanischen Volkes nachgegeben
und damit eine Niederlage erlitten, über die alle Verbeugungen der englischen
Presse vor dem Staatssekretär John Hay und alle Versicherungen, daß es nun
doch so am besten und natürlichsten sei, nicht wegtäuschen können. Nach dem
Jangtsevertrag mit uus ist dies die zweite bittere Frucht der Gewaltpolitik,
die Salisbury und Chamberlain in Südafrika verfolgen. Und wie gut die
Amerikaner die bedrängte Lage der lieben Vettern auszunutzen verstanden
haben, das ergiebt sich am besten daraus, daß die englische Regierung als
Gegendienst nicht einmal eine günstige Regelung der Alaskafragc erreichen
konnte, worüber ihr gegenwärtig in kanadischen Blättern die bittersten Vor¬
würfe gemacht werden. Für die Vereinigten Staaten aber ist jetzt die Bahn
frei: wenigstens soweit äußere Hindernisse in Frage kommeu, steht dem Bau
des mittelamerikanischen Kanals nichts mehr im Wege. Aber es darf nicht
vergessen werden, daß es in den Staaten selbst eine mächtige Partei giebt,
die die allgemeine Kanalbegeisterung aus geschäftlichen Gründen niemals ge¬
teilt hat: die großen Überlandbahnen nach dein Stillen Ozean, deren Kapital¬
kraft durch die gewaltigen Konsolidationen der letzten Jahre ins Ungeheure
gewachsen ist und einen bedeutenden Einfluß auf die gesetzgebenden Körper¬
schaften des Staates ausübt. Vor allem aber -- und das ist zunächst das
Wichtigste -- ist man sich immer noch nicht klar darüber, welchen Weg die
neue Wasserstraße über die mittelamerikauische Landenge einschlagen soll.

Bekanntlich stehn sich, nachdem der Plan eines Kanals über den Isthmus
von Tehuantepec allerseits aufgegeben worden ist, gegenwärtig zwei Projekte



-) Vergl. Grenzboten I!)00, Ur. 30.

die schweizerischen Zeitungspolitiker für die Erhaltung dieses friedlichen Gegen¬
satzes wirken wollten — zum Besten beider Länder —, so würde man ihnen
den politisch weiten Blick zuerkennen müssen, der dem schweizerischen Bundes¬
rate nachgerühmt wird, und dessen Thätigkeit im Verkehr mit den befreundeten
A.-p. Nachbarstaaten auf diese Weise erleichtert und unterstützt würde.




Panama oder Nicaragua?

l e letzten Nachrichten über den neuen Hab-Pauneefote-Vertrag,
der vor wenig Wochen zustande gekommen ist, lassen keinen
Zweifel mehr darüber aufkommen, daß den Amerikanern nun¬
mehr auch das Recht der Befestigung des mittelamerikanischen
Kanals zugestanden worden ist. Bekanntlich hatten die Eng¬
länder im ersten Hay-Pauucefote-Abkommen vom Februar 1900*) ihren Gegnern
dieses Recht verweigert, was die Verwerfung des Vertrags durch den ameri¬
kanischen Senat zur Folge hatte. Jetzt endlich nach funfzigjährigen Wider¬
stande haben sie dem energischen Willen des amerikanischen Volkes nachgegeben
und damit eine Niederlage erlitten, über die alle Verbeugungen der englischen
Presse vor dem Staatssekretär John Hay und alle Versicherungen, daß es nun
doch so am besten und natürlichsten sei, nicht wegtäuschen können. Nach dem
Jangtsevertrag mit uus ist dies die zweite bittere Frucht der Gewaltpolitik,
die Salisbury und Chamberlain in Südafrika verfolgen. Und wie gut die
Amerikaner die bedrängte Lage der lieben Vettern auszunutzen verstanden
haben, das ergiebt sich am besten daraus, daß die englische Regierung als
Gegendienst nicht einmal eine günstige Regelung der Alaskafragc erreichen
konnte, worüber ihr gegenwärtig in kanadischen Blättern die bittersten Vor¬
würfe gemacht werden. Für die Vereinigten Staaten aber ist jetzt die Bahn
frei: wenigstens soweit äußere Hindernisse in Frage kommeu, steht dem Bau
des mittelamerikanischen Kanals nichts mehr im Wege. Aber es darf nicht
vergessen werden, daß es in den Staaten selbst eine mächtige Partei giebt,
die die allgemeine Kanalbegeisterung aus geschäftlichen Gründen niemals ge¬
teilt hat: die großen Überlandbahnen nach dein Stillen Ozean, deren Kapital¬
kraft durch die gewaltigen Konsolidationen der letzten Jahre ins Ungeheure
gewachsen ist und einen bedeutenden Einfluß auf die gesetzgebenden Körper¬
schaften des Staates ausübt. Vor allem aber — und das ist zunächst das
Wichtigste — ist man sich immer noch nicht klar darüber, welchen Weg die
neue Wasserstraße über die mittelamerikauische Landenge einschlagen soll.

Bekanntlich stehn sich, nachdem der Plan eines Kanals über den Isthmus
von Tehuantepec allerseits aufgegeben worden ist, gegenwärtig zwei Projekte



-) Vergl. Grenzboten I!)00, Ur. 30.
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[0252] die schweizerischen Zeitungspolitiker für die Erhaltung dieses friedlichen Gegen¬ satzes wirken wollten — zum Besten beider Länder —, so würde man ihnen den politisch weiten Blick zuerkennen müssen, der dem schweizerischen Bundes¬ rate nachgerühmt wird, und dessen Thätigkeit im Verkehr mit den befreundeten A.-p. Nachbarstaaten auf diese Weise erleichtert und unterstützt würde. Panama oder Nicaragua? l e letzten Nachrichten über den neuen Hab-Pauneefote-Vertrag, der vor wenig Wochen zustande gekommen ist, lassen keinen Zweifel mehr darüber aufkommen, daß den Amerikanern nun¬ mehr auch das Recht der Befestigung des mittelamerikanischen Kanals zugestanden worden ist. Bekanntlich hatten die Eng¬ länder im ersten Hay-Pauucefote-Abkommen vom Februar 1900*) ihren Gegnern dieses Recht verweigert, was die Verwerfung des Vertrags durch den ameri¬ kanischen Senat zur Folge hatte. Jetzt endlich nach funfzigjährigen Wider¬ stande haben sie dem energischen Willen des amerikanischen Volkes nachgegeben und damit eine Niederlage erlitten, über die alle Verbeugungen der englischen Presse vor dem Staatssekretär John Hay und alle Versicherungen, daß es nun doch so am besten und natürlichsten sei, nicht wegtäuschen können. Nach dem Jangtsevertrag mit uus ist dies die zweite bittere Frucht der Gewaltpolitik, die Salisbury und Chamberlain in Südafrika verfolgen. Und wie gut die Amerikaner die bedrängte Lage der lieben Vettern auszunutzen verstanden haben, das ergiebt sich am besten daraus, daß die englische Regierung als Gegendienst nicht einmal eine günstige Regelung der Alaskafragc erreichen konnte, worüber ihr gegenwärtig in kanadischen Blättern die bittersten Vor¬ würfe gemacht werden. Für die Vereinigten Staaten aber ist jetzt die Bahn frei: wenigstens soweit äußere Hindernisse in Frage kommeu, steht dem Bau des mittelamerikanischen Kanals nichts mehr im Wege. Aber es darf nicht vergessen werden, daß es in den Staaten selbst eine mächtige Partei giebt, die die allgemeine Kanalbegeisterung aus geschäftlichen Gründen niemals ge¬ teilt hat: die großen Überlandbahnen nach dein Stillen Ozean, deren Kapital¬ kraft durch die gewaltigen Konsolidationen der letzten Jahre ins Ungeheure gewachsen ist und einen bedeutenden Einfluß auf die gesetzgebenden Körper¬ schaften des Staates ausübt. Vor allem aber — und das ist zunächst das Wichtigste — ist man sich immer noch nicht klar darüber, welchen Weg die neue Wasserstraße über die mittelamerikauische Landenge einschlagen soll. Bekanntlich stehn sich, nachdem der Plan eines Kanals über den Isthmus von Tehuantepec allerseits aufgegeben worden ist, gegenwärtig zwei Projekte -) Vergl. Grenzboten I!)00, Ur. 30.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/252>, abgerufen am 29.04.2024.