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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Latholica

Bodenfrucht. Damit eine Ware gut verkauft werden kann, braucht sie einen
aufnahmefähigen, sichern und nahen Markt. Zum guten Markt gehört dreierlei:
erstens zahlreiche Käufer, zweitens ein Platz, wo unter der Kenntnisnahme aller
die Käufe abgeschlossen werden -- das ist eine Börse; und drittens bequeme und vor
allem billige Verkehrswege zum Markt. Sonst geht der auf dem Markt zu ge¬
winnende Vorteil schon auf dem Wege zum Markt verloren. Man glaubt gewiß
vielfach, das deutsche Korn brauche keine Verkehrsvorteile, weil es sozusagen auf
dem Markte selbst, nämlich in Deutschland wächst. Sollte das nicht ein Irrtum
sein? Denn nach Mark und Pfennig berechnet wächst das deutsche Korn zum
größten Teil nicht näher an den großen Verbrauchsorten Mitteleuropas, als
manches amerikanische und südrussische. Das Weltmeer macht keine Entfernung,
sondern Annäherung. Deutsche Eisenbahnwege aber nähern nicht, sondern ent¬
fernen. In ein Verhältnis zu audern Verkehrswegen gesetzt verteuern sie das
deutsche Korn, während es doch gerade nötig ist, es zu verbilligen, damit es
zukünftig auch ohne die Krücken des Zollschutzes den Markt halten kann. Daß
die Bahnen so hohe Tarife ansetzen, geschieht nicht, weil sie um ihres Ge¬
schäfts willen so müssen, sondern weil die allzu radikale Verkehrsfeindschaft
der Agrarier es so verlangt hat, die zuweilen des Glaubens zu sein scheinen,
daß des Handels Nachteil ihr Vorteil sein müsse, als ob sie nicht selbst etwas
zu verhandeln Hütten, die Allerweltsware Brotkorn.

Ich bin überzeugt, daß es Leute giebt, die in diesen Fragen gründlicher
Bescheid wissen müssen als ich. Vielleicht veranlaßt sie dieser Aufsatz, ihre
bessere Sachkenntnis vor den Lesern der Grenzboten auszubreiten.


G. w. Schiele


Latholica
von Joseph Mayer
2. Das Staatssekretariat

le diplomatischen Angelegenheiten des heiligen Stuhls werden
! geschäftsmäßig erledigt im dritten Stockwerk des apostolischen
Palastes des Vatikans, wenn man die Stockwerke vom Damasus-
Ihos aus rechnet. Teils in dem Nord-, teils in dem Südflügel
! liegen die Arbeitsräume; jedoch ist, was man mit dem Worte
"Staatssekretariat" als amtliche Stelle bezeichnet, lediglich in dem Nord¬
bau, an der (Zg-IIerm äsllo oarts Zso^rallolrö, unmittelbar über den Il0Mo
61 NaügMo untergebracht. Dort wohnt auch der Unterstaatssekretär oder,
wie er im Kurialstile heißt, substitue und Sekretär der Chiffre. Im Süd¬
bau wohnt der Kardinalstaatssekretär, an dessen Wohnung einige der Bureaus
anstoßen.!M
chM^

Für den Geschäftsbetrieb ist im allgemeinen das folgende auf Grund ur-


Latholica

Bodenfrucht. Damit eine Ware gut verkauft werden kann, braucht sie einen
aufnahmefähigen, sichern und nahen Markt. Zum guten Markt gehört dreierlei:
erstens zahlreiche Käufer, zweitens ein Platz, wo unter der Kenntnisnahme aller
die Käufe abgeschlossen werden — das ist eine Börse; und drittens bequeme und vor
allem billige Verkehrswege zum Markt. Sonst geht der auf dem Markt zu ge¬
winnende Vorteil schon auf dem Wege zum Markt verloren. Man glaubt gewiß
vielfach, das deutsche Korn brauche keine Verkehrsvorteile, weil es sozusagen auf
dem Markte selbst, nämlich in Deutschland wächst. Sollte das nicht ein Irrtum
sein? Denn nach Mark und Pfennig berechnet wächst das deutsche Korn zum
größten Teil nicht näher an den großen Verbrauchsorten Mitteleuropas, als
manches amerikanische und südrussische. Das Weltmeer macht keine Entfernung,
sondern Annäherung. Deutsche Eisenbahnwege aber nähern nicht, sondern ent¬
fernen. In ein Verhältnis zu audern Verkehrswegen gesetzt verteuern sie das
deutsche Korn, während es doch gerade nötig ist, es zu verbilligen, damit es
zukünftig auch ohne die Krücken des Zollschutzes den Markt halten kann. Daß
die Bahnen so hohe Tarife ansetzen, geschieht nicht, weil sie um ihres Ge¬
schäfts willen so müssen, sondern weil die allzu radikale Verkehrsfeindschaft
der Agrarier es so verlangt hat, die zuweilen des Glaubens zu sein scheinen,
daß des Handels Nachteil ihr Vorteil sein müsse, als ob sie nicht selbst etwas
zu verhandeln Hütten, die Allerweltsware Brotkorn.

Ich bin überzeugt, daß es Leute giebt, die in diesen Fragen gründlicher
Bescheid wissen müssen als ich. Vielleicht veranlaßt sie dieser Aufsatz, ihre
bessere Sachkenntnis vor den Lesern der Grenzboten auszubreiten.


G. w. Schiele


Latholica
von Joseph Mayer
2. Das Staatssekretariat

le diplomatischen Angelegenheiten des heiligen Stuhls werden
! geschäftsmäßig erledigt im dritten Stockwerk des apostolischen
Palastes des Vatikans, wenn man die Stockwerke vom Damasus-
Ihos aus rechnet. Teils in dem Nord-, teils in dem Südflügel
! liegen die Arbeitsräume; jedoch ist, was man mit dem Worte
„Staatssekretariat" als amtliche Stelle bezeichnet, lediglich in dem Nord¬
bau, an der (Zg-IIerm äsllo oarts Zso^rallolrö, unmittelbar über den Il0Mo
61 NaügMo untergebracht. Dort wohnt auch der Unterstaatssekretär oder,
wie er im Kurialstile heißt, substitue und Sekretär der Chiffre. Im Süd¬
bau wohnt der Kardinalstaatssekretär, an dessen Wohnung einige der Bureaus
anstoßen.!M
chM^

Für den Geschäftsbetrieb ist im allgemeinen das folgende auf Grund ur-


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[0538] Latholica Bodenfrucht. Damit eine Ware gut verkauft werden kann, braucht sie einen aufnahmefähigen, sichern und nahen Markt. Zum guten Markt gehört dreierlei: erstens zahlreiche Käufer, zweitens ein Platz, wo unter der Kenntnisnahme aller die Käufe abgeschlossen werden — das ist eine Börse; und drittens bequeme und vor allem billige Verkehrswege zum Markt. Sonst geht der auf dem Markt zu ge¬ winnende Vorteil schon auf dem Wege zum Markt verloren. Man glaubt gewiß vielfach, das deutsche Korn brauche keine Verkehrsvorteile, weil es sozusagen auf dem Markte selbst, nämlich in Deutschland wächst. Sollte das nicht ein Irrtum sein? Denn nach Mark und Pfennig berechnet wächst das deutsche Korn zum größten Teil nicht näher an den großen Verbrauchsorten Mitteleuropas, als manches amerikanische und südrussische. Das Weltmeer macht keine Entfernung, sondern Annäherung. Deutsche Eisenbahnwege aber nähern nicht, sondern ent¬ fernen. In ein Verhältnis zu audern Verkehrswegen gesetzt verteuern sie das deutsche Korn, während es doch gerade nötig ist, es zu verbilligen, damit es zukünftig auch ohne die Krücken des Zollschutzes den Markt halten kann. Daß die Bahnen so hohe Tarife ansetzen, geschieht nicht, weil sie um ihres Ge¬ schäfts willen so müssen, sondern weil die allzu radikale Verkehrsfeindschaft der Agrarier es so verlangt hat, die zuweilen des Glaubens zu sein scheinen, daß des Handels Nachteil ihr Vorteil sein müsse, als ob sie nicht selbst etwas zu verhandeln Hütten, die Allerweltsware Brotkorn. Ich bin überzeugt, daß es Leute giebt, die in diesen Fragen gründlicher Bescheid wissen müssen als ich. Vielleicht veranlaßt sie dieser Aufsatz, ihre bessere Sachkenntnis vor den Lesern der Grenzboten auszubreiten. G. w. Schiele Latholica von Joseph Mayer 2. Das Staatssekretariat le diplomatischen Angelegenheiten des heiligen Stuhls werden ! geschäftsmäßig erledigt im dritten Stockwerk des apostolischen Palastes des Vatikans, wenn man die Stockwerke vom Damasus- Ihos aus rechnet. Teils in dem Nord-, teils in dem Südflügel ! liegen die Arbeitsräume; jedoch ist, was man mit dem Worte „Staatssekretariat" als amtliche Stelle bezeichnet, lediglich in dem Nord¬ bau, an der (Zg-IIerm äsllo oarts Zso^rallolrö, unmittelbar über den Il0Mo 61 NaügMo untergebracht. Dort wohnt auch der Unterstaatssekretär oder, wie er im Kurialstile heißt, substitue und Sekretär der Chiffre. Im Süd¬ bau wohnt der Kardinalstaatssekretär, an dessen Wohnung einige der Bureaus anstoßen.!M chM^ Für den Geschäftsbetrieb ist im allgemeinen das folgende auf Grund ur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/538>, abgerufen am 29.04.2024.