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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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KursLchsische Streifzüge

schaffen sucht" -- behüte Gott, da klingeln wir nicht heran! Wir wollen
nur noch für unsre Leser zum Nachdenken die eben betrachtete Stelle in der
Übersetzung des Königs Johann ausschreiben:


Die Stunde wars, die Schiffenden das Sehnen
Heim wendet und ihr Herz erweicht am Tage,
Da sie "Lebewohl" gesagt den süßen Freunden,
Und die mit Liebe quält den neuen Pilgrim,
Wenn er von fern ein Glbcklein hört, des Halle"
Den Tag scheint zu beweinen, der dahin stirbt.

Hier merkt man den Zwang einer Übersetzung, die treu sein will, dafür giebt
sie aber auch viel mehr von dem wirklichen Dante als die schönere Über¬
tragung Kohlers, weswegen sie durch diese keineswegs überflüssig gemacht
wird. Es sind zwei Bücher von ganz verschiednen Absichten; zu dem Zwecke,
für den wir das eine unsern Lesern vorgeschlagen haben, würden sie das andre
nicht brauchen können.

Zum Schlich empfehlen wir noch ein neues italienisches Wörterbuch in
zwei kleinen, sehr handlichen Bänden von O. Hecker, Lektor an der Universität
Berlin (Braunschweig, Westermann), praktisch kurz gefaßt, gut gedruckt und
mit Accenten Versehen, für deu täglichen Gebrauch nach unserm Dafürhalten
das zweckmäßigste nnter allen bis jetzt vorhandnen.




Kursächsische Htreifzüge
von O.L.Schmidt 6. Torgau

i on welcher Seite her man auch der alten Stadt Torgau nacht,
mmer macht sie einen bedeutenden Eindruck. Kommt man von
Norden oder von Osten her an das der Stadt gegenüberliegende
Elbufer, so fesselt unsern Blick das hart am Wasser aufragende
gewaltige Schloß Hartenfels, kommt man von Süden oder von
Westen her, so hebt sich schon in weiter Ferne die mit zahlreichen Türmen
geschmückte Silhouette der Stadt scharf und kräftig aus der Ebne empor.
Überschreitet man die Stadtgrenze, so gewahrt man, daß Torgau in einem merk¬
würdigen Umwandlungsprozeß begriffen ist. Es war bis 1392 Festung, jetzt
aber zersprengt es in rüstiger Kraft deu engen Gürtel, und so stößt man
überall an der Peripherie auf halbverschüttete Wassergräben, halb ein gerissene
Wälle und Kasematten, zwischen denen, namentlich nach dem Bahnhöfe zu,
ein elegantes Villenviertel im Entstehn ist. Aber sowie man auf einer der
breiten Straßen zum Markte emporsteigt, grüßen uns Bauten aus dem sech¬
zehnten Jahrhundert, das der innern Stadt mehr als jedes andre sein Ge¬
präge gegeben hat. Der Markt bildet ein Viereck auf der höchsten Fläche


KursLchsische Streifzüge

schaffen sucht" — behüte Gott, da klingeln wir nicht heran! Wir wollen
nur noch für unsre Leser zum Nachdenken die eben betrachtete Stelle in der
Übersetzung des Königs Johann ausschreiben:


Die Stunde wars, die Schiffenden das Sehnen
Heim wendet und ihr Herz erweicht am Tage,
Da sie „Lebewohl" gesagt den süßen Freunden,
Und die mit Liebe quält den neuen Pilgrim,
Wenn er von fern ein Glbcklein hört, des Halle»
Den Tag scheint zu beweinen, der dahin stirbt.

Hier merkt man den Zwang einer Übersetzung, die treu sein will, dafür giebt
sie aber auch viel mehr von dem wirklichen Dante als die schönere Über¬
tragung Kohlers, weswegen sie durch diese keineswegs überflüssig gemacht
wird. Es sind zwei Bücher von ganz verschiednen Absichten; zu dem Zwecke,
für den wir das eine unsern Lesern vorgeschlagen haben, würden sie das andre
nicht brauchen können.

Zum Schlich empfehlen wir noch ein neues italienisches Wörterbuch in
zwei kleinen, sehr handlichen Bänden von O. Hecker, Lektor an der Universität
Berlin (Braunschweig, Westermann), praktisch kurz gefaßt, gut gedruckt und
mit Accenten Versehen, für deu täglichen Gebrauch nach unserm Dafürhalten
das zweckmäßigste nnter allen bis jetzt vorhandnen.




Kursächsische Htreifzüge
von O.L.Schmidt 6. Torgau

i on welcher Seite her man auch der alten Stadt Torgau nacht,
mmer macht sie einen bedeutenden Eindruck. Kommt man von
Norden oder von Osten her an das der Stadt gegenüberliegende
Elbufer, so fesselt unsern Blick das hart am Wasser aufragende
gewaltige Schloß Hartenfels, kommt man von Süden oder von
Westen her, so hebt sich schon in weiter Ferne die mit zahlreichen Türmen
geschmückte Silhouette der Stadt scharf und kräftig aus der Ebne empor.
Überschreitet man die Stadtgrenze, so gewahrt man, daß Torgau in einem merk¬
würdigen Umwandlungsprozeß begriffen ist. Es war bis 1392 Festung, jetzt
aber zersprengt es in rüstiger Kraft deu engen Gürtel, und so stößt man
überall an der Peripherie auf halbverschüttete Wassergräben, halb ein gerissene
Wälle und Kasematten, zwischen denen, namentlich nach dem Bahnhöfe zu,
ein elegantes Villenviertel im Entstehn ist. Aber sowie man auf einer der
breiten Straßen zum Markte emporsteigt, grüßen uns Bauten aus dem sech¬
zehnten Jahrhundert, das der innern Stadt mehr als jedes andre sein Ge¬
präge gegeben hat. Der Markt bildet ein Viereck auf der höchsten Fläche


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[0614] KursLchsische Streifzüge schaffen sucht" — behüte Gott, da klingeln wir nicht heran! Wir wollen nur noch für unsre Leser zum Nachdenken die eben betrachtete Stelle in der Übersetzung des Königs Johann ausschreiben: Die Stunde wars, die Schiffenden das Sehnen Heim wendet und ihr Herz erweicht am Tage, Da sie „Lebewohl" gesagt den süßen Freunden, Und die mit Liebe quält den neuen Pilgrim, Wenn er von fern ein Glbcklein hört, des Halle» Den Tag scheint zu beweinen, der dahin stirbt. Hier merkt man den Zwang einer Übersetzung, die treu sein will, dafür giebt sie aber auch viel mehr von dem wirklichen Dante als die schönere Über¬ tragung Kohlers, weswegen sie durch diese keineswegs überflüssig gemacht wird. Es sind zwei Bücher von ganz verschiednen Absichten; zu dem Zwecke, für den wir das eine unsern Lesern vorgeschlagen haben, würden sie das andre nicht brauchen können. Zum Schlich empfehlen wir noch ein neues italienisches Wörterbuch in zwei kleinen, sehr handlichen Bänden von O. Hecker, Lektor an der Universität Berlin (Braunschweig, Westermann), praktisch kurz gefaßt, gut gedruckt und mit Accenten Versehen, für deu täglichen Gebrauch nach unserm Dafürhalten das zweckmäßigste nnter allen bis jetzt vorhandnen. Kursächsische Htreifzüge von O.L.Schmidt 6. Torgau i on welcher Seite her man auch der alten Stadt Torgau nacht, mmer macht sie einen bedeutenden Eindruck. Kommt man von Norden oder von Osten her an das der Stadt gegenüberliegende Elbufer, so fesselt unsern Blick das hart am Wasser aufragende gewaltige Schloß Hartenfels, kommt man von Süden oder von Westen her, so hebt sich schon in weiter Ferne die mit zahlreichen Türmen geschmückte Silhouette der Stadt scharf und kräftig aus der Ebne empor. Überschreitet man die Stadtgrenze, so gewahrt man, daß Torgau in einem merk¬ würdigen Umwandlungsprozeß begriffen ist. Es war bis 1392 Festung, jetzt aber zersprengt es in rüstiger Kraft deu engen Gürtel, und so stößt man überall an der Peripherie auf halbverschüttete Wassergräben, halb ein gerissene Wälle und Kasematten, zwischen denen, namentlich nach dem Bahnhöfe zu, ein elegantes Villenviertel im Entstehn ist. Aber sowie man auf einer der breiten Straßen zum Markte emporsteigt, grüßen uns Bauten aus dem sech¬ zehnten Jahrhundert, das der innern Stadt mehr als jedes andre sein Ge¬ präge gegeben hat. Der Markt bildet ein Viereck auf der höchsten Fläche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/614>, abgerufen am 28.04.2024.