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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

für kriegerischen Ruhm ihren letzten Blutstropfen hingeben würden, und da es so ist,
so ist es ein Segen, daß wir die mit einigen Atmosphären zuviel arbeitenden haben.

Von diesen Erwägungen muß man auch ausgehn, wenn man sich über die
Heimsendung der unseligen Instrumente ein Urteil verschaffen will. Mit solchen
Leuten geht das kriegerische Gefühl durch. Was sind für sie Konventionen und
Fiktionen, wenn es Gelegenheit zum Zuhauen giebt, und wenn vor ihnen in den
Reihen ihrer Bataillone und Schwadronen der eine um den andern vom mörderischen,
nicht nach Konvention und Fiktion fragenden Geschoß erreicht wird? Wir können nicht
finden, daß sie so gar Unrecht haben, denn da, wo zugehauen wird, gehören solche
diplomatische Verschmitztheiten nicht hin, und es wird begreiflicherweise gehandelt, als
gäbe es dergleichen nicht. Aber mit dem Zuhauen kommt auch gleich der alte
Obotriteneifer wieder in Thätigkeit: Beutemachen, Trophäen heimschicken, die heimat¬
lichen Fluren mit Beweisen der anererbten militärischen Tapferkeit bedecken, das
liegt ihnen im Blut, wie den Füchsen das Jagen, und da jedermann bekanntlich die
mit seinen guten Eigenschaften zusammenhängenden Schwächen hat, so darf man sich
mich darüber nicht wundern. Trophäe ist ihnen alles, womit sich der Gegner groß-
thun könnte, und was ihnen für das besetzte Land bezeichnend erscheint. Es war darum
im Buche des Schicksals geschrieben, daß jemand die großen, absonderlichen, unge¬
fügen Dinger angehn heißen mußte. Ein ganz klein wenig sind wir freilich damit
"reingefallen," aber so etwas kommt in den besten Familien vor. Wenn man nur
höhern Orts aus dein Vorgefallnen die Lehre ziehn will, daß man den Mehr-
atmosphärischen die Zügel nicht zu locker lassen darf, so ist mit dieser auf Kosten
unsers Rufs für Uneigennützigst und Vorsicht gemachten Erfahrung schon viel ge¬
wonnen, und wir grollen deshalb den Instrumenten nicht: rsciuissoemt in xaoe.


Brügge und Apern.

Wir erfüllen eine bisher versäumte Pflicht, wenn
wir hier ans ein anziehendes Buch aufmerksam machen, das ans der Sammlung
der von E. A. Seemann in Leipzig herausgegebnen "Berühmten Kunststätten"
durch zwei eigentümliche Vorzüge hervorsticht. Der hochverdiente Brüsseler Kunst¬
forscher Henri Hymnus lebt mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz in den Gegen¬
ständen seiner Schilderung, und er ist zugleich ein so vollendeter Schriftsteller, daß
er uns in knappen, alle Ermüdung fern haltenden Worten nicht etwa Beschreibungen,
sondern wirkliche Bilder zu geben versteht. Die flandrische Stadt Brügge, etwas
abgelegen und heute viel weniger bekannt als etwa Venedig oder Nürnberg, mit
denen sie oft verglichen worden ist, hat einen großen Teil ihrer beweglichen Kunst¬
schätze abgeben müssen, zuerst im sechzehnten Jahrhundert an die plündernden
spanischen Herren, dann im achtzehnten nach der Aufhebung der geistlichen Orden,
der großen Bewahrer künstlerischer Werke, an die Kommissare der französischen
Republik, und endlich an die ausländischen Händler nach der Auflösung der Zünfte,
deren Gildenhänser und Kapellen nun ihres innern Schmucks beraubt wurde".
Aber die Bauwerke selbst sind geblieben, vier Thore, eine Unmenge schöner Kirchen,
Klöster und Altersnsyle, dazu alte Paläste, Kaufhäuser und ganze Straßen mit den
Wohnungen der kleinern Bürger. Seine höchste Blüte hatte Brügge im fünfzehnte"
Jahrhundert unter der Regierung Philipps des Guten von Burgund, dann, rin
demi Beginn des sechzehnten, begann der Niedergang, der zum Meere führende
Kanal versandete, die fremden Kaufleute zogen weg, ihre Behausungen verödeten,
und die einst 150 (>()() Einwohner sind heute auf "veniger als ein Drittel zusammen¬
geschmolzen. Aber ohne gerade noch eine blühende Stadt zu sein, hat Brügge doch
während des ganzen sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts an dem allgemeinen
Leben der Niederlande teilgenommen, und diese spätere Zeit hat noch viel zu dem
Stadtbilde, so wie es jetzt ist, beigetragen. Im Gegensatz zu der verkehrsreichen
Nachbarstadt Gent, wo Handel und Gewerbe die belebten Straßen durchfluten, liegt
Brügge, dessen stille Wasserläufe einstmals Seeschiffe heranführten, wie im Schlummer,
das versteinerte Bild seiner Vergangenheit. Ein altertümliches und einheitliches


Grenzboten I 1902 94
Maßgebliches und Unmaßgebliches

für kriegerischen Ruhm ihren letzten Blutstropfen hingeben würden, und da es so ist,
so ist es ein Segen, daß wir die mit einigen Atmosphären zuviel arbeitenden haben.

Von diesen Erwägungen muß man auch ausgehn, wenn man sich über die
Heimsendung der unseligen Instrumente ein Urteil verschaffen will. Mit solchen
Leuten geht das kriegerische Gefühl durch. Was sind für sie Konventionen und
Fiktionen, wenn es Gelegenheit zum Zuhauen giebt, und wenn vor ihnen in den
Reihen ihrer Bataillone und Schwadronen der eine um den andern vom mörderischen,
nicht nach Konvention und Fiktion fragenden Geschoß erreicht wird? Wir können nicht
finden, daß sie so gar Unrecht haben, denn da, wo zugehauen wird, gehören solche
diplomatische Verschmitztheiten nicht hin, und es wird begreiflicherweise gehandelt, als
gäbe es dergleichen nicht. Aber mit dem Zuhauen kommt auch gleich der alte
Obotriteneifer wieder in Thätigkeit: Beutemachen, Trophäen heimschicken, die heimat¬
lichen Fluren mit Beweisen der anererbten militärischen Tapferkeit bedecken, das
liegt ihnen im Blut, wie den Füchsen das Jagen, und da jedermann bekanntlich die
mit seinen guten Eigenschaften zusammenhängenden Schwächen hat, so darf man sich
mich darüber nicht wundern. Trophäe ist ihnen alles, womit sich der Gegner groß-
thun könnte, und was ihnen für das besetzte Land bezeichnend erscheint. Es war darum
im Buche des Schicksals geschrieben, daß jemand die großen, absonderlichen, unge¬
fügen Dinger angehn heißen mußte. Ein ganz klein wenig sind wir freilich damit
„reingefallen," aber so etwas kommt in den besten Familien vor. Wenn man nur
höhern Orts aus dein Vorgefallnen die Lehre ziehn will, daß man den Mehr-
atmosphärischen die Zügel nicht zu locker lassen darf, so ist mit dieser auf Kosten
unsers Rufs für Uneigennützigst und Vorsicht gemachten Erfahrung schon viel ge¬
wonnen, und wir grollen deshalb den Instrumenten nicht: rsciuissoemt in xaoe.


Brügge und Apern.

Wir erfüllen eine bisher versäumte Pflicht, wenn
wir hier ans ein anziehendes Buch aufmerksam machen, das ans der Sammlung
der von E. A. Seemann in Leipzig herausgegebnen „Berühmten Kunststätten"
durch zwei eigentümliche Vorzüge hervorsticht. Der hochverdiente Brüsseler Kunst¬
forscher Henri Hymnus lebt mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz in den Gegen¬
ständen seiner Schilderung, und er ist zugleich ein so vollendeter Schriftsteller, daß
er uns in knappen, alle Ermüdung fern haltenden Worten nicht etwa Beschreibungen,
sondern wirkliche Bilder zu geben versteht. Die flandrische Stadt Brügge, etwas
abgelegen und heute viel weniger bekannt als etwa Venedig oder Nürnberg, mit
denen sie oft verglichen worden ist, hat einen großen Teil ihrer beweglichen Kunst¬
schätze abgeben müssen, zuerst im sechzehnten Jahrhundert an die plündernden
spanischen Herren, dann im achtzehnten nach der Aufhebung der geistlichen Orden,
der großen Bewahrer künstlerischer Werke, an die Kommissare der französischen
Republik, und endlich an die ausländischen Händler nach der Auflösung der Zünfte,
deren Gildenhänser und Kapellen nun ihres innern Schmucks beraubt wurde».
Aber die Bauwerke selbst sind geblieben, vier Thore, eine Unmenge schöner Kirchen,
Klöster und Altersnsyle, dazu alte Paläste, Kaufhäuser und ganze Straßen mit den
Wohnungen der kleinern Bürger. Seine höchste Blüte hatte Brügge im fünfzehnte»
Jahrhundert unter der Regierung Philipps des Guten von Burgund, dann, rin
demi Beginn des sechzehnten, begann der Niedergang, der zum Meere führende
Kanal versandete, die fremden Kaufleute zogen weg, ihre Behausungen verödeten,
und die einst 150 (>()() Einwohner sind heute auf »veniger als ein Drittel zusammen¬
geschmolzen. Aber ohne gerade noch eine blühende Stadt zu sein, hat Brügge doch
während des ganzen sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts an dem allgemeinen
Leben der Niederlande teilgenommen, und diese spätere Zeit hat noch viel zu dem
Stadtbilde, so wie es jetzt ist, beigetragen. Im Gegensatz zu der verkehrsreichen
Nachbarstadt Gent, wo Handel und Gewerbe die belebten Straßen durchfluten, liegt
Brügge, dessen stille Wasserläufe einstmals Seeschiffe heranführten, wie im Schlummer,
das versteinerte Bild seiner Vergangenheit. Ein altertümliches und einheitliches


Grenzboten I 1902 94
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[0753] Maßgebliches und Unmaßgebliches für kriegerischen Ruhm ihren letzten Blutstropfen hingeben würden, und da es so ist, so ist es ein Segen, daß wir die mit einigen Atmosphären zuviel arbeitenden haben. Von diesen Erwägungen muß man auch ausgehn, wenn man sich über die Heimsendung der unseligen Instrumente ein Urteil verschaffen will. Mit solchen Leuten geht das kriegerische Gefühl durch. Was sind für sie Konventionen und Fiktionen, wenn es Gelegenheit zum Zuhauen giebt, und wenn vor ihnen in den Reihen ihrer Bataillone und Schwadronen der eine um den andern vom mörderischen, nicht nach Konvention und Fiktion fragenden Geschoß erreicht wird? Wir können nicht finden, daß sie so gar Unrecht haben, denn da, wo zugehauen wird, gehören solche diplomatische Verschmitztheiten nicht hin, und es wird begreiflicherweise gehandelt, als gäbe es dergleichen nicht. Aber mit dem Zuhauen kommt auch gleich der alte Obotriteneifer wieder in Thätigkeit: Beutemachen, Trophäen heimschicken, die heimat¬ lichen Fluren mit Beweisen der anererbten militärischen Tapferkeit bedecken, das liegt ihnen im Blut, wie den Füchsen das Jagen, und da jedermann bekanntlich die mit seinen guten Eigenschaften zusammenhängenden Schwächen hat, so darf man sich mich darüber nicht wundern. Trophäe ist ihnen alles, womit sich der Gegner groß- thun könnte, und was ihnen für das besetzte Land bezeichnend erscheint. Es war darum im Buche des Schicksals geschrieben, daß jemand die großen, absonderlichen, unge¬ fügen Dinger angehn heißen mußte. Ein ganz klein wenig sind wir freilich damit „reingefallen," aber so etwas kommt in den besten Familien vor. Wenn man nur höhern Orts aus dein Vorgefallnen die Lehre ziehn will, daß man den Mehr- atmosphärischen die Zügel nicht zu locker lassen darf, so ist mit dieser auf Kosten unsers Rufs für Uneigennützigst und Vorsicht gemachten Erfahrung schon viel ge¬ wonnen, und wir grollen deshalb den Instrumenten nicht: rsciuissoemt in xaoe. Brügge und Apern. Wir erfüllen eine bisher versäumte Pflicht, wenn wir hier ans ein anziehendes Buch aufmerksam machen, das ans der Sammlung der von E. A. Seemann in Leipzig herausgegebnen „Berühmten Kunststätten" durch zwei eigentümliche Vorzüge hervorsticht. Der hochverdiente Brüsseler Kunst¬ forscher Henri Hymnus lebt mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz in den Gegen¬ ständen seiner Schilderung, und er ist zugleich ein so vollendeter Schriftsteller, daß er uns in knappen, alle Ermüdung fern haltenden Worten nicht etwa Beschreibungen, sondern wirkliche Bilder zu geben versteht. Die flandrische Stadt Brügge, etwas abgelegen und heute viel weniger bekannt als etwa Venedig oder Nürnberg, mit denen sie oft verglichen worden ist, hat einen großen Teil ihrer beweglichen Kunst¬ schätze abgeben müssen, zuerst im sechzehnten Jahrhundert an die plündernden spanischen Herren, dann im achtzehnten nach der Aufhebung der geistlichen Orden, der großen Bewahrer künstlerischer Werke, an die Kommissare der französischen Republik, und endlich an die ausländischen Händler nach der Auflösung der Zünfte, deren Gildenhänser und Kapellen nun ihres innern Schmucks beraubt wurde». Aber die Bauwerke selbst sind geblieben, vier Thore, eine Unmenge schöner Kirchen, Klöster und Altersnsyle, dazu alte Paläste, Kaufhäuser und ganze Straßen mit den Wohnungen der kleinern Bürger. Seine höchste Blüte hatte Brügge im fünfzehnte» Jahrhundert unter der Regierung Philipps des Guten von Burgund, dann, rin demi Beginn des sechzehnten, begann der Niedergang, der zum Meere führende Kanal versandete, die fremden Kaufleute zogen weg, ihre Behausungen verödeten, und die einst 150 (>()() Einwohner sind heute auf »veniger als ein Drittel zusammen¬ geschmolzen. Aber ohne gerade noch eine blühende Stadt zu sein, hat Brügge doch während des ganzen sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts an dem allgemeinen Leben der Niederlande teilgenommen, und diese spätere Zeit hat noch viel zu dem Stadtbilde, so wie es jetzt ist, beigetragen. Im Gegensatz zu der verkehrsreichen Nachbarstadt Gent, wo Handel und Gewerbe die belebten Straßen durchfluten, liegt Brügge, dessen stille Wasserläufe einstmals Seeschiffe heranführten, wie im Schlummer, das versteinerte Bild seiner Vergangenheit. Ein altertümliches und einheitliches Grenzboten I 1902 94

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/753>, abgerufen am 28.04.2024.