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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Latholica

allem Macht, also seine Selbstbehauptung seine höchste Pflicht ist, und daß
diese unendlich viel höher steht als die Erfüllung des einen oder des andern
liberalen Parteiwunsches. Daher der große nationale Zug in seiner deutschen
Politik, daher im Lande die Richtung auf eine wohlwollende, umfassende, sorg¬
fältige Pflege der Volkswohlfahrt. So wird er auch in die Zukunft als ein
Musterbild modernen deutschen Fürstentums hinüberleuchten.




(Latholica Joseph Mayer von
5. Die gregorianische Universität

W
Mun Jahre 1550 gründeten die Jesuiten eine Hochschule in Rom,
für die Gregor XIII. Boncompagni (1572 bis 1585) einen ge¬
waltigen Palazzo baute, der noch heute mit dem alten Namen
Collegium Romanum genannt wird. Von diesem Papst erhielt
I die Hochschule den Namen Gregorianische Universität. Ich darf
als bekannt voraussetzen, daß an dieser Bildungsanstalt zahlreiche Männer
gewirkt haben, deren Namen für alle Zeiten mit dem von ihnen betriebnen
Wissensgebiete unlöslich verbunden bleiben; der bekanntesten einer ist ?. Scachi,
dessen Studien zur Sonnenphysik und andern Problemen ein Merkstein in der
astronomischen Wissenschaft sind.

Die Universität mit ihren Vorschulen konnte sich ungestört entwickeln bis
zum Wintersemester 1870/71. Unmittelbar nachdem die Italiener durch die
Bresche der Poren Pia am 20. September 1870 in Rom eingezogen waren,
wurde das Gymnasium der Jesuiten geschlossen, und die philosophischen und
die theologischen Vorlesungen mußten in privater Weise gehalten werden. Im
Wintersemester 1873/74 wurden die Jesuiten aus dem Collegio Romano Ver¬
trieben, und sie siedelten dann in den naheliegenden Palazzo Borromeo über,
wo sie die Philosophie und die Theologie weiter lehrten. In diesem Palazzo
wohnte das deutsch-ungarische Kolleg, bekannter unter dem. Namen Germanieum,
sodaß Kolleg und Universität unter einem Dache weilten. Daher kommt es,
daß auch heute noch viele Menschen glauben, beide Begriffe deckten sich voll¬
ständig, obschon es sich um zwei völlig getrennte Einrichtungen handelt. Als
im Jahre 1880 das Germanieum auszog und sich im frühern Hotel Costanzi
einrichtete, wurde der ganze Palazzo Borromev für die Zwecke der Universität
in Benutzung genommen. Eine solche Scheidung war auch schon wegen des
unerträglich gewordnen Raummangels notwendig geworden. Wenn man be¬
denkt, daß 187Z/74 die Gesamtzahl der Studenten 202 und 1886 schon 570
betrug, so begreift man, daß Kolleg und Universität nicht mehr unter einem
Dache leben konnten. Von 1886 bis 1902 hat sich uun die Zahl der
Studenten wiederum verdoppelt, indem sie von 570 auf 1020 anwuchs.

Nachdem Pius IX. im Lauf des Schuljahres 1870/77 deu bestehenden
beiden Fakultäten für Philosophie und Theologie die für das kanonische Recht
angegliedert hatte, konnten die Jesuiten in diesen drei Fächern die sämtlichen


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allem Macht, also seine Selbstbehauptung seine höchste Pflicht ist, und daß
diese unendlich viel höher steht als die Erfüllung des einen oder des andern
liberalen Parteiwunsches. Daher der große nationale Zug in seiner deutschen
Politik, daher im Lande die Richtung auf eine wohlwollende, umfassende, sorg¬
fältige Pflege der Volkswohlfahrt. So wird er auch in die Zukunft als ein
Musterbild modernen deutschen Fürstentums hinüberleuchten.




(Latholica Joseph Mayer von
5. Die gregorianische Universität

W
Mun Jahre 1550 gründeten die Jesuiten eine Hochschule in Rom,
für die Gregor XIII. Boncompagni (1572 bis 1585) einen ge¬
waltigen Palazzo baute, der noch heute mit dem alten Namen
Collegium Romanum genannt wird. Von diesem Papst erhielt
I die Hochschule den Namen Gregorianische Universität. Ich darf
als bekannt voraussetzen, daß an dieser Bildungsanstalt zahlreiche Männer
gewirkt haben, deren Namen für alle Zeiten mit dem von ihnen betriebnen
Wissensgebiete unlöslich verbunden bleiben; der bekanntesten einer ist ?. Scachi,
dessen Studien zur Sonnenphysik und andern Problemen ein Merkstein in der
astronomischen Wissenschaft sind.

Die Universität mit ihren Vorschulen konnte sich ungestört entwickeln bis
zum Wintersemester 1870/71. Unmittelbar nachdem die Italiener durch die
Bresche der Poren Pia am 20. September 1870 in Rom eingezogen waren,
wurde das Gymnasium der Jesuiten geschlossen, und die philosophischen und
die theologischen Vorlesungen mußten in privater Weise gehalten werden. Im
Wintersemester 1873/74 wurden die Jesuiten aus dem Collegio Romano Ver¬
trieben, und sie siedelten dann in den naheliegenden Palazzo Borromeo über,
wo sie die Philosophie und die Theologie weiter lehrten. In diesem Palazzo
wohnte das deutsch-ungarische Kolleg, bekannter unter dem. Namen Germanieum,
sodaß Kolleg und Universität unter einem Dache weilten. Daher kommt es,
daß auch heute noch viele Menschen glauben, beide Begriffe deckten sich voll¬
ständig, obschon es sich um zwei völlig getrennte Einrichtungen handelt. Als
im Jahre 1880 das Germanieum auszog und sich im frühern Hotel Costanzi
einrichtete, wurde der ganze Palazzo Borromev für die Zwecke der Universität
in Benutzung genommen. Eine solche Scheidung war auch schon wegen des
unerträglich gewordnen Raummangels notwendig geworden. Wenn man be¬
denkt, daß 187Z/74 die Gesamtzahl der Studenten 202 und 1886 schon 570
betrug, so begreift man, daß Kolleg und Universität nicht mehr unter einem
Dache leben konnten. Von 1886 bis 1902 hat sich uun die Zahl der
Studenten wiederum verdoppelt, indem sie von 570 auf 1020 anwuchs.

Nachdem Pius IX. im Lauf des Schuljahres 1870/77 deu bestehenden
beiden Fakultäten für Philosophie und Theologie die für das kanonische Recht
angegliedert hatte, konnten die Jesuiten in diesen drei Fächern die sämtlichen


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[0420] Latholica allem Macht, also seine Selbstbehauptung seine höchste Pflicht ist, und daß diese unendlich viel höher steht als die Erfüllung des einen oder des andern liberalen Parteiwunsches. Daher der große nationale Zug in seiner deutschen Politik, daher im Lande die Richtung auf eine wohlwollende, umfassende, sorg¬ fältige Pflege der Volkswohlfahrt. So wird er auch in die Zukunft als ein Musterbild modernen deutschen Fürstentums hinüberleuchten. (Latholica Joseph Mayer von 5. Die gregorianische Universität W Mun Jahre 1550 gründeten die Jesuiten eine Hochschule in Rom, für die Gregor XIII. Boncompagni (1572 bis 1585) einen ge¬ waltigen Palazzo baute, der noch heute mit dem alten Namen Collegium Romanum genannt wird. Von diesem Papst erhielt I die Hochschule den Namen Gregorianische Universität. Ich darf als bekannt voraussetzen, daß an dieser Bildungsanstalt zahlreiche Männer gewirkt haben, deren Namen für alle Zeiten mit dem von ihnen betriebnen Wissensgebiete unlöslich verbunden bleiben; der bekanntesten einer ist ?. Scachi, dessen Studien zur Sonnenphysik und andern Problemen ein Merkstein in der astronomischen Wissenschaft sind. Die Universität mit ihren Vorschulen konnte sich ungestört entwickeln bis zum Wintersemester 1870/71. Unmittelbar nachdem die Italiener durch die Bresche der Poren Pia am 20. September 1870 in Rom eingezogen waren, wurde das Gymnasium der Jesuiten geschlossen, und die philosophischen und die theologischen Vorlesungen mußten in privater Weise gehalten werden. Im Wintersemester 1873/74 wurden die Jesuiten aus dem Collegio Romano Ver¬ trieben, und sie siedelten dann in den naheliegenden Palazzo Borromeo über, wo sie die Philosophie und die Theologie weiter lehrten. In diesem Palazzo wohnte das deutsch-ungarische Kolleg, bekannter unter dem. Namen Germanieum, sodaß Kolleg und Universität unter einem Dache weilten. Daher kommt es, daß auch heute noch viele Menschen glauben, beide Begriffe deckten sich voll¬ ständig, obschon es sich um zwei völlig getrennte Einrichtungen handelt. Als im Jahre 1880 das Germanieum auszog und sich im frühern Hotel Costanzi einrichtete, wurde der ganze Palazzo Borromev für die Zwecke der Universität in Benutzung genommen. Eine solche Scheidung war auch schon wegen des unerträglich gewordnen Raummangels notwendig geworden. Wenn man be¬ denkt, daß 187Z/74 die Gesamtzahl der Studenten 202 und 1886 schon 570 betrug, so begreift man, daß Kolleg und Universität nicht mehr unter einem Dache leben konnten. Von 1886 bis 1902 hat sich uun die Zahl der Studenten wiederum verdoppelt, indem sie von 570 auf 1020 anwuchs. Nachdem Pius IX. im Lauf des Schuljahres 1870/77 deu bestehenden beiden Fakultäten für Philosophie und Theologie die für das kanonische Recht angegliedert hatte, konnten die Jesuiten in diesen drei Fächern die sämtlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/420>, abgerufen am 29.04.2024.