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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann

Spruch auf den König noch mit der Wendung auf das "Oberhaupt des deutschen
Kaiserreichs" begnügen. Als nun trotzdem der alte Herr in die Proklamation
am 18. Januar gewilligt hatte, da kam es uoch zu einem harten Kampfe
über die keineswegs gleichgiltige Form des Kaisertitels. König Wilhelm selbst
wollte "Kaiser von Deutschland" heißen, und das war auch der Wille aller
in Versailles versammelten deutschen Fürsten, was der König natürlich wußte.
Dagegen beharrte Bismarck auf dem "Deutschen Kaiser," weil die bayrischen
Unterhändler, vielleicht nicht einmal im Auftrage ihres Königs, das wünschten.
Darüber kam es noch am 17. zu einer erregten Auseinandersetzung. König
Wilhelm bestand auf seinem Willen und ließ noch am frühen Morgen des 18.
dem Großherzog sagen, es bleibe beim "Kaiser von Deutschland," obwohl
Bismarck dagegen sei. In peinlichster Lage benachrichtigte der Großherzog
davon den Kanzler unmittelbar vor der Proklamation; dieser war "ganz
außer sich vor Ärger" und überließ es dem Ermessen Friedrichs, zu thun, was
der schwierigen Situation entspreche. Als dieser nun den König auf die
Differenz hinwies, erhielt er die unmutige Antwort: "Dn kannst das machen,
wie dn willst." So brachte er mit kluger Wendung das Hoch schlichtweg auf
"Kaiser Wilhelm" aus (nach einer persönlichen Aufzeichnung des Großherzogs
bei Lorenz 44 ff.). Es war wohl der Höhepunkt seines politischen Lebens.
Das Ziel seiner langen, mühsamen und aufopferungsvollen Arbeit war ruhm¬
voll erreicht.

Wie er seit der Reichsgründung in dem Fürftenrate, der für das große
Publikum unsichtbar den Kaiser umgiebt, thätig gewesen ist, entzieht sich noch
genauerer Kenntnis. Mit dem Gange der innern Reichspolitik war er nicht
immer einverstanden, am wenigsten mit der gewaltsamen und planlosen Art,
mit der selbst uach Falls Klage der Kulturkampf geführt wurde. Aber er
trat doch vermittelnd ein, als der Reichskanzler im April 1877 die Entlassung
aus allen seinen Ämtern forderte, und wiederholte das, freilich vergeblich, im
März 1890. Er gab 1888 die Anregung zu der imposanten Kundgebung,
mit der die deutschen Reichsfürsten bei der Eröffnung des Reichstages am
L5. Juni den jungen Kaiser umringten; er schenkte der Kriegsmarine so warmes
Interesse, daß ihm der Kaiser dafür 1898 seineu besondern Dank aussprach
und ihn auch sonst mannigfach ehrte; er trat, namentlich als Protektor der
badischen Kriegervereiuc (seit 1880), bei jeder Gelegenheit öffentlich für das
nationale Interesse ein, auch hier die Forderung strenger Einordnung in das
Ganze und persönlicher Freiheit verbindend.

Will man die historische Stellung des Großherzogs Friedrich bezeichnen,
so wird man etwa sagen dürfen: er ist für Baden und in mancher Beziehung
anch für das Reich das geworden, was sein Schwager, der Kronprinz und
Kaiser Friedrich, in viel weiteren Kreise hätte werden können, der Vertreter
der Generation, die unter der Herrschaft der liberalen Idee angewachsen war
und auf dem Throne Preußens und deS Reichs nicht zur Geltung gelangt ist.
Er vertritt den Liberalismus, der seine Aufgabe in der Ausbildung einer
freiheitlichen, auf der freien Mitwirkung eines freien Volkes beruhenden
Staatsordnung sah, aber er verband damit die Einsicht, daß der Staat vor


Großherzog Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann

Spruch auf den König noch mit der Wendung auf das „Oberhaupt des deutschen
Kaiserreichs" begnügen. Als nun trotzdem der alte Herr in die Proklamation
am 18. Januar gewilligt hatte, da kam es uoch zu einem harten Kampfe
über die keineswegs gleichgiltige Form des Kaisertitels. König Wilhelm selbst
wollte „Kaiser von Deutschland" heißen, und das war auch der Wille aller
in Versailles versammelten deutschen Fürsten, was der König natürlich wußte.
Dagegen beharrte Bismarck auf dem „Deutschen Kaiser," weil die bayrischen
Unterhändler, vielleicht nicht einmal im Auftrage ihres Königs, das wünschten.
Darüber kam es noch am 17. zu einer erregten Auseinandersetzung. König
Wilhelm bestand auf seinem Willen und ließ noch am frühen Morgen des 18.
dem Großherzog sagen, es bleibe beim „Kaiser von Deutschland," obwohl
Bismarck dagegen sei. In peinlichster Lage benachrichtigte der Großherzog
davon den Kanzler unmittelbar vor der Proklamation; dieser war „ganz
außer sich vor Ärger" und überließ es dem Ermessen Friedrichs, zu thun, was
der schwierigen Situation entspreche. Als dieser nun den König auf die
Differenz hinwies, erhielt er die unmutige Antwort: „Dn kannst das machen,
wie dn willst." So brachte er mit kluger Wendung das Hoch schlichtweg auf
„Kaiser Wilhelm" aus (nach einer persönlichen Aufzeichnung des Großherzogs
bei Lorenz 44 ff.). Es war wohl der Höhepunkt seines politischen Lebens.
Das Ziel seiner langen, mühsamen und aufopferungsvollen Arbeit war ruhm¬
voll erreicht.

Wie er seit der Reichsgründung in dem Fürftenrate, der für das große
Publikum unsichtbar den Kaiser umgiebt, thätig gewesen ist, entzieht sich noch
genauerer Kenntnis. Mit dem Gange der innern Reichspolitik war er nicht
immer einverstanden, am wenigsten mit der gewaltsamen und planlosen Art,
mit der selbst uach Falls Klage der Kulturkampf geführt wurde. Aber er
trat doch vermittelnd ein, als der Reichskanzler im April 1877 die Entlassung
aus allen seinen Ämtern forderte, und wiederholte das, freilich vergeblich, im
März 1890. Er gab 1888 die Anregung zu der imposanten Kundgebung,
mit der die deutschen Reichsfürsten bei der Eröffnung des Reichstages am
L5. Juni den jungen Kaiser umringten; er schenkte der Kriegsmarine so warmes
Interesse, daß ihm der Kaiser dafür 1898 seineu besondern Dank aussprach
und ihn auch sonst mannigfach ehrte; er trat, namentlich als Protektor der
badischen Kriegervereiuc (seit 1880), bei jeder Gelegenheit öffentlich für das
nationale Interesse ein, auch hier die Forderung strenger Einordnung in das
Ganze und persönlicher Freiheit verbindend.

Will man die historische Stellung des Großherzogs Friedrich bezeichnen,
so wird man etwa sagen dürfen: er ist für Baden und in mancher Beziehung
anch für das Reich das geworden, was sein Schwager, der Kronprinz und
Kaiser Friedrich, in viel weiteren Kreise hätte werden können, der Vertreter
der Generation, die unter der Herrschaft der liberalen Idee angewachsen war
und auf dem Throne Preußens und deS Reichs nicht zur Geltung gelangt ist.
Er vertritt den Liberalismus, der seine Aufgabe in der Ausbildung einer
freiheitlichen, auf der freien Mitwirkung eines freien Volkes beruhenden
Staatsordnung sah, aber er verband damit die Einsicht, daß der Staat vor


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[0419] Großherzog Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann Spruch auf den König noch mit der Wendung auf das „Oberhaupt des deutschen Kaiserreichs" begnügen. Als nun trotzdem der alte Herr in die Proklamation am 18. Januar gewilligt hatte, da kam es uoch zu einem harten Kampfe über die keineswegs gleichgiltige Form des Kaisertitels. König Wilhelm selbst wollte „Kaiser von Deutschland" heißen, und das war auch der Wille aller in Versailles versammelten deutschen Fürsten, was der König natürlich wußte. Dagegen beharrte Bismarck auf dem „Deutschen Kaiser," weil die bayrischen Unterhändler, vielleicht nicht einmal im Auftrage ihres Königs, das wünschten. Darüber kam es noch am 17. zu einer erregten Auseinandersetzung. König Wilhelm bestand auf seinem Willen und ließ noch am frühen Morgen des 18. dem Großherzog sagen, es bleibe beim „Kaiser von Deutschland," obwohl Bismarck dagegen sei. In peinlichster Lage benachrichtigte der Großherzog davon den Kanzler unmittelbar vor der Proklamation; dieser war „ganz außer sich vor Ärger" und überließ es dem Ermessen Friedrichs, zu thun, was der schwierigen Situation entspreche. Als dieser nun den König auf die Differenz hinwies, erhielt er die unmutige Antwort: „Dn kannst das machen, wie dn willst." So brachte er mit kluger Wendung das Hoch schlichtweg auf „Kaiser Wilhelm" aus (nach einer persönlichen Aufzeichnung des Großherzogs bei Lorenz 44 ff.). Es war wohl der Höhepunkt seines politischen Lebens. Das Ziel seiner langen, mühsamen und aufopferungsvollen Arbeit war ruhm¬ voll erreicht. Wie er seit der Reichsgründung in dem Fürftenrate, der für das große Publikum unsichtbar den Kaiser umgiebt, thätig gewesen ist, entzieht sich noch genauerer Kenntnis. Mit dem Gange der innern Reichspolitik war er nicht immer einverstanden, am wenigsten mit der gewaltsamen und planlosen Art, mit der selbst uach Falls Klage der Kulturkampf geführt wurde. Aber er trat doch vermittelnd ein, als der Reichskanzler im April 1877 die Entlassung aus allen seinen Ämtern forderte, und wiederholte das, freilich vergeblich, im März 1890. Er gab 1888 die Anregung zu der imposanten Kundgebung, mit der die deutschen Reichsfürsten bei der Eröffnung des Reichstages am L5. Juni den jungen Kaiser umringten; er schenkte der Kriegsmarine so warmes Interesse, daß ihm der Kaiser dafür 1898 seineu besondern Dank aussprach und ihn auch sonst mannigfach ehrte; er trat, namentlich als Protektor der badischen Kriegervereiuc (seit 1880), bei jeder Gelegenheit öffentlich für das nationale Interesse ein, auch hier die Forderung strenger Einordnung in das Ganze und persönlicher Freiheit verbindend. Will man die historische Stellung des Großherzogs Friedrich bezeichnen, so wird man etwa sagen dürfen: er ist für Baden und in mancher Beziehung anch für das Reich das geworden, was sein Schwager, der Kronprinz und Kaiser Friedrich, in viel weiteren Kreise hätte werden können, der Vertreter der Generation, die unter der Herrschaft der liberalen Idee angewachsen war und auf dem Throne Preußens und deS Reichs nicht zur Geltung gelangt ist. Er vertritt den Liberalismus, der seine Aufgabe in der Ausbildung einer freiheitlichen, auf der freien Mitwirkung eines freien Volkes beruhenden Staatsordnung sah, aber er verband damit die Einsicht, daß der Staat vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/419>, abgerufen am 16.05.2024.