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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands

mit Gehalt bewilligt werden könnte, sodaß sie in der Lage wären, sich zu¬
vörderst wieder in den landwirtschaftlichen Beruf einzuarbeiten. Doch ist dies
mir eine sich bei der Unteroffizieransiedlung von selbst ergebende Nebenfrage;
die Hauptsache bleibt, daß gutgedienten Unteroffizieren, die aus der Dorf¬
bevölkerung hervorgegangen sind, die Möglichkeit einer Körper, Herz und Geist
befriedigenden Thätigkeit eröffnet wird, und sie, die noch im allerkräftigsten
Mannesalter stehn, nicht allein darauf angewiesen bleiben, in Beschäftigungen
als Boten, Wärter, Hausdiener, Pförtner, Aufseher, Schließer, Wächter u. tgi.
zu verkümmern, in denen sie weder ihre körperliche Rüstigkeit noch ihre sittliche
Thatkraft zur Geltung zu bringen vermögen.

Man mache nnr einmal einen Anfang mit der Unteroffizieransiedlung,
und man wird sehen, wie von Jahr zu Jahr die Lust zu dieser Art Zivil¬
versorgung zunehmen, und welcher Segen daraus in politischer wie in volks¬
Richard Geest, wirtschaftlicher Richtung erwachsen wird.




Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands
(Schluß)

ir hatten eine starke Flotte nötig, und es wurde, weil der
Reichstag die Gelder nicht bewilligen wollte, der Vorschlag ge¬
macht, das deutsche Kapital solle sich in diesem Falle einmal selbst'
besteuern. Noch klingt dem Patrioten das Hohngelächter in den
Ohren, das sein guter Wille wach rief, und den Schaden
fühlt er auch noch in seiner Tasche. Außer der starken Flotte, die setzt von
den Volksvertretern bewilligt, aber noch lange nicht fertig ist, bedürfen
wir, wie der Hungrige des Brots, ausreichender Kolonien, um dahin den
Überschuß unsrer Bevölkerung absetzen zu können. Das, was wir an über¬
seeischen Besitzungen haben, genügt für den Zweck nicht; trotzdem ist es
immerhin etwas, woran sich im stetigen Wechsel der Dinge andres, was besser
lst, anschließen kann. An dieser Stelle möge nochmals eindringlich wiederholt
werden, was schon einmal anderswo gesagt worden ist: zu den vielen Ver¬
schrobenheiten, die uns in unserm obersten Parlament zu einem unerträglichen
Ohrenschmaus hergerichtet werden, gehört auch das Thema von der Wertlosig-
keit unsers Kolonialbesitzes. Unsre Besitzungen in Südafrika taugten zu nichts
und verschlängen ungeheure Summen. Anstatt von Jahr zu Jahr neue Millionen
ni diesen unersättlichen Schlund zu werfen, sollte unsre Regierung sie lieber
den Meistbietenden verknusen; auch mit dem geringsten Preise würde sie
immer noch ein gutes Geschäft machen- Das ist dieselbe kurzsichtige Politik,
die um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts veranlaßte, daß der reiche
holländische Besitz in Brasilien an die Portugiesen zurückfiel. Immerhin mag
das zugegeben werden, daß, von Samoa abgesehen, kaum in einer unsrer An-


Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands

mit Gehalt bewilligt werden könnte, sodaß sie in der Lage wären, sich zu¬
vörderst wieder in den landwirtschaftlichen Beruf einzuarbeiten. Doch ist dies
mir eine sich bei der Unteroffizieransiedlung von selbst ergebende Nebenfrage;
die Hauptsache bleibt, daß gutgedienten Unteroffizieren, die aus der Dorf¬
bevölkerung hervorgegangen sind, die Möglichkeit einer Körper, Herz und Geist
befriedigenden Thätigkeit eröffnet wird, und sie, die noch im allerkräftigsten
Mannesalter stehn, nicht allein darauf angewiesen bleiben, in Beschäftigungen
als Boten, Wärter, Hausdiener, Pförtner, Aufseher, Schließer, Wächter u. tgi.
zu verkümmern, in denen sie weder ihre körperliche Rüstigkeit noch ihre sittliche
Thatkraft zur Geltung zu bringen vermögen.

Man mache nnr einmal einen Anfang mit der Unteroffizieransiedlung,
und man wird sehen, wie von Jahr zu Jahr die Lust zu dieser Art Zivil¬
versorgung zunehmen, und welcher Segen daraus in politischer wie in volks¬
Richard Geest, wirtschaftlicher Richtung erwachsen wird.




Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands
(Schluß)

ir hatten eine starke Flotte nötig, und es wurde, weil der
Reichstag die Gelder nicht bewilligen wollte, der Vorschlag ge¬
macht, das deutsche Kapital solle sich in diesem Falle einmal selbst'
besteuern. Noch klingt dem Patrioten das Hohngelächter in den
Ohren, das sein guter Wille wach rief, und den Schaden
fühlt er auch noch in seiner Tasche. Außer der starken Flotte, die setzt von
den Volksvertretern bewilligt, aber noch lange nicht fertig ist, bedürfen
wir, wie der Hungrige des Brots, ausreichender Kolonien, um dahin den
Überschuß unsrer Bevölkerung absetzen zu können. Das, was wir an über¬
seeischen Besitzungen haben, genügt für den Zweck nicht; trotzdem ist es
immerhin etwas, woran sich im stetigen Wechsel der Dinge andres, was besser
lst, anschließen kann. An dieser Stelle möge nochmals eindringlich wiederholt
werden, was schon einmal anderswo gesagt worden ist: zu den vielen Ver¬
schrobenheiten, die uns in unserm obersten Parlament zu einem unerträglichen
Ohrenschmaus hergerichtet werden, gehört auch das Thema von der Wertlosig-
keit unsers Kolonialbesitzes. Unsre Besitzungen in Südafrika taugten zu nichts
und verschlängen ungeheure Summen. Anstatt von Jahr zu Jahr neue Millionen
ni diesen unersättlichen Schlund zu werfen, sollte unsre Regierung sie lieber
den Meistbietenden verknusen; auch mit dem geringsten Preise würde sie
immer noch ein gutes Geschäft machen- Das ist dieselbe kurzsichtige Politik,
die um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts veranlaßte, daß der reiche
holländische Besitz in Brasilien an die Portugiesen zurückfiel. Immerhin mag
das zugegeben werden, daß, von Samoa abgesehen, kaum in einer unsrer An-


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[0475] Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands mit Gehalt bewilligt werden könnte, sodaß sie in der Lage wären, sich zu¬ vörderst wieder in den landwirtschaftlichen Beruf einzuarbeiten. Doch ist dies mir eine sich bei der Unteroffizieransiedlung von selbst ergebende Nebenfrage; die Hauptsache bleibt, daß gutgedienten Unteroffizieren, die aus der Dorf¬ bevölkerung hervorgegangen sind, die Möglichkeit einer Körper, Herz und Geist befriedigenden Thätigkeit eröffnet wird, und sie, die noch im allerkräftigsten Mannesalter stehn, nicht allein darauf angewiesen bleiben, in Beschäftigungen als Boten, Wärter, Hausdiener, Pförtner, Aufseher, Schließer, Wächter u. tgi. zu verkümmern, in denen sie weder ihre körperliche Rüstigkeit noch ihre sittliche Thatkraft zur Geltung zu bringen vermögen. Man mache nnr einmal einen Anfang mit der Unteroffizieransiedlung, und man wird sehen, wie von Jahr zu Jahr die Lust zu dieser Art Zivil¬ versorgung zunehmen, und welcher Segen daraus in politischer wie in volks¬ Richard Geest, wirtschaftlicher Richtung erwachsen wird. Die Lehren der Geschichte Hollands und Englands (Schluß) ir hatten eine starke Flotte nötig, und es wurde, weil der Reichstag die Gelder nicht bewilligen wollte, der Vorschlag ge¬ macht, das deutsche Kapital solle sich in diesem Falle einmal selbst' besteuern. Noch klingt dem Patrioten das Hohngelächter in den Ohren, das sein guter Wille wach rief, und den Schaden fühlt er auch noch in seiner Tasche. Außer der starken Flotte, die setzt von den Volksvertretern bewilligt, aber noch lange nicht fertig ist, bedürfen wir, wie der Hungrige des Brots, ausreichender Kolonien, um dahin den Überschuß unsrer Bevölkerung absetzen zu können. Das, was wir an über¬ seeischen Besitzungen haben, genügt für den Zweck nicht; trotzdem ist es immerhin etwas, woran sich im stetigen Wechsel der Dinge andres, was besser lst, anschließen kann. An dieser Stelle möge nochmals eindringlich wiederholt werden, was schon einmal anderswo gesagt worden ist: zu den vielen Ver¬ schrobenheiten, die uns in unserm obersten Parlament zu einem unerträglichen Ohrenschmaus hergerichtet werden, gehört auch das Thema von der Wertlosig- keit unsers Kolonialbesitzes. Unsre Besitzungen in Südafrika taugten zu nichts und verschlängen ungeheure Summen. Anstatt von Jahr zu Jahr neue Millionen ni diesen unersättlichen Schlund zu werfen, sollte unsre Regierung sie lieber den Meistbietenden verknusen; auch mit dem geringsten Preise würde sie immer noch ein gutes Geschäft machen- Das ist dieselbe kurzsichtige Politik, die um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts veranlaßte, daß der reiche holländische Besitz in Brasilien an die Portugiesen zurückfiel. Immerhin mag das zugegeben werden, daß, von Samoa abgesehen, kaum in einer unsrer An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/475>, abgerufen am 29.04.2024.