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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Latholica

rohen, dein bebrillten Blicke auch von der Welt, die jenseits des Chaussee¬
grabens liegt, nicht viel enthüllt -- was thuts, man ist desto mehr unter
sich; manches Wirtshaus mit schäumendem Biere lädt ein zur seßhaften Rast;
da fehlt es nie am dritten Mann zum Skat, und an Jnristenabendeu und
Juristen ballen ist auch kein Mangel. -- Einsam dagegen wird oft seine Pfade
ziehn müssen, wer den andern Weg erwühlt, den schweren, steilen, mühsamen.
Ihn sicher zu gehn, bedarf es eines guten Mutes, eines tapfern Herzens
und eines Leitsterns aus lichter Höhe. Mancher der Weggenossen strauchelte
im Waldesdickicht der Zweifel, aus denen er vergeblich den Ausgnng suchte;
mancher andre irrte an gefährlicher Stelle ab und stand plötzlich an steiler
Martinswand, wo das Vorwärts Wahnwitz und das Rückwärts Unmöglich-
keit war! Und wohl ihm, wenn er seine Lage erkannte und nicht etwa in
trauriger Blindheit glaubte, das Ziel erreicht zu haben und sich seines er¬
habnen Standpunkts rühmen zu dürfen! Wieder manchem wurde der Weg
zu rauh und die Mühsal zu groß, oder es übermannte ihn auf halber Höhe
die Furcht, einsam verschmachte" zu müssen, und in großen Sprüngen eilte
er den Berg hinunter, und nun sitzt er unten an der breiten Landstraße beim
kühlenden Pschorr und spielt Schafkopf mit den Kollegen.

Drum sieh dich wohl vor, wenn du um Grenzstein stehst, wo die Wege
sich scheiden! Schreitest du aber auf dem rauhen Pfade rüstig empor mit
sicherm Fuße -- wie weitet dir selbst sich die Brust, wie weitet sich deinem
Blick die Welt! Je höher du steigst, um so mehr überschaust du sie, und je
mehr du sie überschaust, um so mehr wirst du sie versteh", sie lieben. Am
Wege spendet manch sprudelnder Quell dir gesunden Trunk, aus dem ruhigen
Spiegel des Gebirgsees blinkt dein eignes Bild dir entgegen: schau dirs nur
recht an, in der einsamen Stille rings um dich her täusche dem Schlag deines
eignen Herzens -- lernst du es recht verstehn, so wirst du auch deinen
Mitmenschen ins Herz schauen können! Und nun rüstig weiter, hinauf --
empor -- empor zum Licht, zu den einsamen Höhen, uns denen die Pfade
aller Wissenschaften zusammenmünden, wo auch du in deiner Wissenschaft und
in deinem Beruf ihn findest, ihm gegenüberstehst, endlich -- dem Unend¬
lichen -- Gott. _




(Latholica
Joseph Mayer Von
6. Das päpstliche römische 5emiuar und sein Unterricht

!le jede Diözese, so hat anch das Bistum Rom seine eignen Unter¬
richtsanstalten, die mit dem Diözesanseminnr äußerlich verbunden
^sind. Diese Schulen dienen zwar in der Hauptsache uur den
Zöglingen des römischen Seminars und denen des Pius-Seminars
!für die römische Kirchenprovinz, doch stehn sie anf Grund beson¬
dern Privilegs sedermann offen, der gewillt ist, sich den bestehenden Vorschriften
zu unterwerfen, und den Nachweis der für seine Studien notwendigen Vorbil-c^M
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Latholica

rohen, dein bebrillten Blicke auch von der Welt, die jenseits des Chaussee¬
grabens liegt, nicht viel enthüllt — was thuts, man ist desto mehr unter
sich; manches Wirtshaus mit schäumendem Biere lädt ein zur seßhaften Rast;
da fehlt es nie am dritten Mann zum Skat, und an Jnristenabendeu und
Juristen ballen ist auch kein Mangel. — Einsam dagegen wird oft seine Pfade
ziehn müssen, wer den andern Weg erwühlt, den schweren, steilen, mühsamen.
Ihn sicher zu gehn, bedarf es eines guten Mutes, eines tapfern Herzens
und eines Leitsterns aus lichter Höhe. Mancher der Weggenossen strauchelte
im Waldesdickicht der Zweifel, aus denen er vergeblich den Ausgnng suchte;
mancher andre irrte an gefährlicher Stelle ab und stand plötzlich an steiler
Martinswand, wo das Vorwärts Wahnwitz und das Rückwärts Unmöglich-
keit war! Und wohl ihm, wenn er seine Lage erkannte und nicht etwa in
trauriger Blindheit glaubte, das Ziel erreicht zu haben und sich seines er¬
habnen Standpunkts rühmen zu dürfen! Wieder manchem wurde der Weg
zu rauh und die Mühsal zu groß, oder es übermannte ihn auf halber Höhe
die Furcht, einsam verschmachte» zu müssen, und in großen Sprüngen eilte
er den Berg hinunter, und nun sitzt er unten an der breiten Landstraße beim
kühlenden Pschorr und spielt Schafkopf mit den Kollegen.

Drum sieh dich wohl vor, wenn du um Grenzstein stehst, wo die Wege
sich scheiden! Schreitest du aber auf dem rauhen Pfade rüstig empor mit
sicherm Fuße — wie weitet dir selbst sich die Brust, wie weitet sich deinem
Blick die Welt! Je höher du steigst, um so mehr überschaust du sie, und je
mehr du sie überschaust, um so mehr wirst du sie versteh», sie lieben. Am
Wege spendet manch sprudelnder Quell dir gesunden Trunk, aus dem ruhigen
Spiegel des Gebirgsees blinkt dein eignes Bild dir entgegen: schau dirs nur
recht an, in der einsamen Stille rings um dich her täusche dem Schlag deines
eignen Herzens — lernst du es recht verstehn, so wirst du auch deinen
Mitmenschen ins Herz schauen können! Und nun rüstig weiter, hinauf —
empor — empor zum Licht, zu den einsamen Höhen, uns denen die Pfade
aller Wissenschaften zusammenmünden, wo auch du in deiner Wissenschaft und
in deinem Beruf ihn findest, ihm gegenüberstehst, endlich — dem Unend¬
lichen — Gott. _




(Latholica
Joseph Mayer Von
6. Das päpstliche römische 5emiuar und sein Unterricht

!le jede Diözese, so hat anch das Bistum Rom seine eignen Unter¬
richtsanstalten, die mit dem Diözesanseminnr äußerlich verbunden
^sind. Diese Schulen dienen zwar in der Hauptsache uur den
Zöglingen des römischen Seminars und denen des Pius-Seminars
!für die römische Kirchenprovinz, doch stehn sie anf Grund beson¬
dern Privilegs sedermann offen, der gewillt ist, sich den bestehenden Vorschriften
zu unterwerfen, und den Nachweis der für seine Studien notwendigen Vorbil-c^M
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/538>, abgerufen am 29.04.2024.