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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Prachtwort auf der Seite, die man zufällig getroffen hat. Und nach der An¬
wendung, der es unterworfen wird, erscheint es so dehnbar, so drehbar, wie
der schmiegsamste Kautschukmann. Es geht aller Welt mit ihm, wie dem
Juristen mit dem groben Unfug und dem Kaufmann mit dem Konto-Korrent-
Konto; was anderswo nicht unterzubringen ist, das kommt da hinein. Das
reine Mädchen für alles. Und da soll nun hier der Individualismus als
ganz besondres, als ganz alleiniges seelisches Eigentum deutscher Menschen
angesprochen werden? Unbedingt, und ich denke mit dem allerbesten
Grunde.

Was ist denn eigentlich Individualismus? Was soll der Begriff be¬
deuten? Was denken sich moderne Menschen darunter? Hundertfach, tausendfach
verschieden kann die Antwort ausfallen. Jede davon wird aber Eins als Kern¬
gehalt ihrer Ausführung geben, und das wird die Erklärung sein, der Indi¬
vidualismus lebe und webe in der Hochhaltung der eignen Art. Das zu¬
gegeben und das festgehalten, ist der Schritt zur Feststellung, daß sich die
Begriffe Deutschtum und Individualismus decken, nicht mehr groß.

(Schluß folgt)




In.eicZ.it in Lo^H^in....

einrieb von Treitschke hat in seiner "Deutschen Geschichte im neun¬
zehnten Jahrhundert" Band IV Seite 516 die von dem Grafen
Maltzan berichtete Äußerung des Fürsten Metternich, daß es,
wenn sich der Herzog vou Orleans um die Hemd der Prinzessin
Helene von Mecklenburg-Schwerin bewerben wolle, für eine
Prinzessin in politischer Beziehung unmöglich sei als rmmir plus as cirmlitös
imoclinsL, dahin wiedergegeben, daß er sagt, "Metternich habe höhnisch gemeint,
die Braut sei politisch geruchlos."

Der große Publizist hat allerdings, das kann nicht geleugnet werden, in
diesem einen Falle weder mit dem gewählten Ausdruck "geruchlos" uoch mit
der Metternich beigemessenen höhnischen Absicht das Rechte getroffen, aber ein
Dr. F., der durch die anscheinend irrige Wiedergabe der Metternichschen Äuße¬
rung stutzig geworden, dem Mißverständnis auf den Grund zu gehn versucht
und das Ergebnis seiner Bemühungen in einem durch mehrere Zeitungen ge-
gangnen Artikel veröffentlicht hat, ist dabei recht, wie man zu sagen pflegt,
aus der Scylla in die Charybdis geraten.

Er vermutet, Heinrich von Treitschke "und Graf Maltzan" seien durch
das Wort oclor auf falsche Führte geleitet worden. "Hätte Metternich, sagt
Dr. F., diesen trivialen Gedanken (den einer politisch geruchlosen Braut) aus¬
sprechen wollen, würde er jedenfalls den Ausdruck inoävrs gebraucht haben."


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Prachtwort auf der Seite, die man zufällig getroffen hat. Und nach der An¬
wendung, der es unterworfen wird, erscheint es so dehnbar, so drehbar, wie
der schmiegsamste Kautschukmann. Es geht aller Welt mit ihm, wie dem
Juristen mit dem groben Unfug und dem Kaufmann mit dem Konto-Korrent-
Konto; was anderswo nicht unterzubringen ist, das kommt da hinein. Das
reine Mädchen für alles. Und da soll nun hier der Individualismus als
ganz besondres, als ganz alleiniges seelisches Eigentum deutscher Menschen
angesprochen werden? Unbedingt, und ich denke mit dem allerbesten
Grunde.

Was ist denn eigentlich Individualismus? Was soll der Begriff be¬
deuten? Was denken sich moderne Menschen darunter? Hundertfach, tausendfach
verschieden kann die Antwort ausfallen. Jede davon wird aber Eins als Kern¬
gehalt ihrer Ausführung geben, und das wird die Erklärung sein, der Indi¬
vidualismus lebe und webe in der Hochhaltung der eignen Art. Das zu¬
gegeben und das festgehalten, ist der Schritt zur Feststellung, daß sich die
Begriffe Deutschtum und Individualismus decken, nicht mehr groß.

(Schluß folgt)




In.eicZ.it in Lo^H^in....

einrieb von Treitschke hat in seiner „Deutschen Geschichte im neun¬
zehnten Jahrhundert" Band IV Seite 516 die von dem Grafen
Maltzan berichtete Äußerung des Fürsten Metternich, daß es,
wenn sich der Herzog vou Orleans um die Hemd der Prinzessin
Helene von Mecklenburg-Schwerin bewerben wolle, für eine
Prinzessin in politischer Beziehung unmöglich sei als rmmir plus as cirmlitös
imoclinsL, dahin wiedergegeben, daß er sagt, „Metternich habe höhnisch gemeint,
die Braut sei politisch geruchlos."

Der große Publizist hat allerdings, das kann nicht geleugnet werden, in
diesem einen Falle weder mit dem gewählten Ausdruck „geruchlos" uoch mit
der Metternich beigemessenen höhnischen Absicht das Rechte getroffen, aber ein
Dr. F., der durch die anscheinend irrige Wiedergabe der Metternichschen Äuße¬
rung stutzig geworden, dem Mißverständnis auf den Grund zu gehn versucht
und das Ergebnis seiner Bemühungen in einem durch mehrere Zeitungen ge-
gangnen Artikel veröffentlicht hat, ist dabei recht, wie man zu sagen pflegt,
aus der Scylla in die Charybdis geraten.

Er vermutet, Heinrich von Treitschke „und Graf Maltzan" seien durch
das Wort oclor auf falsche Führte geleitet worden. „Hätte Metternich, sagt
Dr. F., diesen trivialen Gedanken (den einer politisch geruchlosen Braut) aus¬
sprechen wollen, würde er jedenfalls den Ausdruck inoävrs gebraucht haben."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/610>, abgerufen am 29.04.2024.