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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

haben in urvordmklichen Zeiten genau dieselben Zellen gebaut wie heute. Die
Tiere können für ihr Leben in der freien Natur nichts lernen; alle ihre Hand¬
lungen sind instinktiv.

Versteht: können wir das Wesen des Instinkts nicht; das kann aber nicht
befremden, denn bei unserm Studium der Naturerscheinungen stoßen wir überall
ans eine Grenze, wo es heißt: Bis hierher und uicht weiter. Man hat
die Erscheinungen der Elektrizität kennen lernen, man erzeugt elektrische Kraft
durch das Experiment und gebraucht sie zur Erzeugung von Licht, Wärme,
Kraft, zum Telegraphiere!:, zum Telephonieren, zur Elektrolyse; aber das
Wesen der Elektrizität ist völlig unbekannt. Welche Veränderungen in dem
Leitungsdrahte während des Telephoniereus vor sich gehn, weiß man nicht,
issnoramus et ig'norMinus.

Im Gegensatz zum Tier hat der Mensch kein angebornes Wissen und
Können; ein junges Menschenkind ist, allein in die Welt gesetzt, vollkommen
hilflos. Es muß, um besteh" zu können, von den ältern und erfahrnen
Menschen jahrelang lernen. Die Menschheit hat eine Geschichte ihres Wissens
und Könnens; zur alten Steinzeit lebte sie in Höhlungen, hatte keine Haus¬
tiere, trieb keinen Ackerbau und lebte nur von der Jagd; der Gebrauch der
Metalle war unbekannt, die Waffen bestanden aus Fliutstein, Horn und Knochen.
Von da an ist das Wissen und Können langsam aber stündig gewachsen, und
eine Generation überträgt es auf die folgende, die ihrerseits wieder neues
hinzufügt. Daraus erkennen wir, daß der Mensch geistige Fähigkeiten hat,
die das Tier nie erlernt, und andrerseits das Tier angeborne, instinktive
Fähigkeiten hat, die dem Menschen fremd sind. Die seelischen Eigenschaften
der Menschen und der Tiere sind also nicht nur quantitativ, sondern qualitativ
verschiede", und darum ist der Mensch kein höher entwickeltes Tier; das
Darwin-Häckelsche Affenevangelium, das solches lehrt, muß demnach als ein
unbewiesenes, irrtümliches Dogma zurückgewiesen werden.


Dedo von Linstow


Doktor Duttmüller und sein Freund
n Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart vo
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Das Schiff wird flott

> cihrend die Totenopfer für die tote Tote-Asse-Ausbeutnngsgesellschaft
in Form mehrerer Pursche dargebracht wurden, saßen Wandrer und
Drillhose im Hintergründe bei einander. Drillhose hatte keine Freude
I ein Pokulieren, sondern sah sorgenvoll in die Zukunft.

Herr Wandrer, sagte er, es geht nicht. Ich kann meine Leute
^! nicht beisammen behalten. Der Verdienst mit dem Musikmachen allein
ist zu klein. Wenn man nur sonst noch etwas hätte.

Ich habe etwas, antwortete Wandrer und erzählte sein Projekt, eine Zement-
f"brik zu erbauen. Dus Material liege da, Kohlen seien in der Nähe zu habe",


Grenz boten I I 1902 91
Doktor Duttmüller und sein Freund

haben in urvordmklichen Zeiten genau dieselben Zellen gebaut wie heute. Die
Tiere können für ihr Leben in der freien Natur nichts lernen; alle ihre Hand¬
lungen sind instinktiv.

Versteht: können wir das Wesen des Instinkts nicht; das kann aber nicht
befremden, denn bei unserm Studium der Naturerscheinungen stoßen wir überall
ans eine Grenze, wo es heißt: Bis hierher und uicht weiter. Man hat
die Erscheinungen der Elektrizität kennen lernen, man erzeugt elektrische Kraft
durch das Experiment und gebraucht sie zur Erzeugung von Licht, Wärme,
Kraft, zum Telegraphiere!:, zum Telephonieren, zur Elektrolyse; aber das
Wesen der Elektrizität ist völlig unbekannt. Welche Veränderungen in dem
Leitungsdrahte während des Telephoniereus vor sich gehn, weiß man nicht,
issnoramus et ig'norMinus.

Im Gegensatz zum Tier hat der Mensch kein angebornes Wissen und
Können; ein junges Menschenkind ist, allein in die Welt gesetzt, vollkommen
hilflos. Es muß, um besteh» zu können, von den ältern und erfahrnen
Menschen jahrelang lernen. Die Menschheit hat eine Geschichte ihres Wissens
und Könnens; zur alten Steinzeit lebte sie in Höhlungen, hatte keine Haus¬
tiere, trieb keinen Ackerbau und lebte nur von der Jagd; der Gebrauch der
Metalle war unbekannt, die Waffen bestanden aus Fliutstein, Horn und Knochen.
Von da an ist das Wissen und Können langsam aber stündig gewachsen, und
eine Generation überträgt es auf die folgende, die ihrerseits wieder neues
hinzufügt. Daraus erkennen wir, daß der Mensch geistige Fähigkeiten hat,
die das Tier nie erlernt, und andrerseits das Tier angeborne, instinktive
Fähigkeiten hat, die dem Menschen fremd sind. Die seelischen Eigenschaften
der Menschen und der Tiere sind also nicht nur quantitativ, sondern qualitativ
verschiede», und darum ist der Mensch kein höher entwickeltes Tier; das
Darwin-Häckelsche Affenevangelium, das solches lehrt, muß demnach als ein
unbewiesenes, irrtümliches Dogma zurückgewiesen werden.


Dedo von Linstow


Doktor Duttmüller und sein Freund
n Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart vo
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Das Schiff wird flott

> cihrend die Totenopfer für die tote Tote-Asse-Ausbeutnngsgesellschaft
in Form mehrerer Pursche dargebracht wurden, saßen Wandrer und
Drillhose im Hintergründe bei einander. Drillhose hatte keine Freude
I ein Pokulieren, sondern sah sorgenvoll in die Zukunft.

Herr Wandrer, sagte er, es geht nicht. Ich kann meine Leute
^! nicht beisammen behalten. Der Verdienst mit dem Musikmachen allein
ist zu klein. Wenn man nur sonst noch etwas hätte.

Ich habe etwas, antwortete Wandrer und erzählte sein Projekt, eine Zement-
f"brik zu erbauen. Dus Material liege da, Kohlen seien in der Nähe zu habe»,


Grenz boten I I 1902 91
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[0731] Doktor Duttmüller und sein Freund haben in urvordmklichen Zeiten genau dieselben Zellen gebaut wie heute. Die Tiere können für ihr Leben in der freien Natur nichts lernen; alle ihre Hand¬ lungen sind instinktiv. Versteht: können wir das Wesen des Instinkts nicht; das kann aber nicht befremden, denn bei unserm Studium der Naturerscheinungen stoßen wir überall ans eine Grenze, wo es heißt: Bis hierher und uicht weiter. Man hat die Erscheinungen der Elektrizität kennen lernen, man erzeugt elektrische Kraft durch das Experiment und gebraucht sie zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kraft, zum Telegraphiere!:, zum Telephonieren, zur Elektrolyse; aber das Wesen der Elektrizität ist völlig unbekannt. Welche Veränderungen in dem Leitungsdrahte während des Telephoniereus vor sich gehn, weiß man nicht, issnoramus et ig'norMinus. Im Gegensatz zum Tier hat der Mensch kein angebornes Wissen und Können; ein junges Menschenkind ist, allein in die Welt gesetzt, vollkommen hilflos. Es muß, um besteh» zu können, von den ältern und erfahrnen Menschen jahrelang lernen. Die Menschheit hat eine Geschichte ihres Wissens und Könnens; zur alten Steinzeit lebte sie in Höhlungen, hatte keine Haus¬ tiere, trieb keinen Ackerbau und lebte nur von der Jagd; der Gebrauch der Metalle war unbekannt, die Waffen bestanden aus Fliutstein, Horn und Knochen. Von da an ist das Wissen und Können langsam aber stündig gewachsen, und eine Generation überträgt es auf die folgende, die ihrerseits wieder neues hinzufügt. Daraus erkennen wir, daß der Mensch geistige Fähigkeiten hat, die das Tier nie erlernt, und andrerseits das Tier angeborne, instinktive Fähigkeiten hat, die dem Menschen fremd sind. Die seelischen Eigenschaften der Menschen und der Tiere sind also nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verschiede», und darum ist der Mensch kein höher entwickeltes Tier; das Darwin-Häckelsche Affenevangelium, das solches lehrt, muß demnach als ein unbewiesenes, irrtümliches Dogma zurückgewiesen werden. Dedo von Linstow Doktor Duttmüller und sein Freund n Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart vo Fünfundzwanzigstes Kapitel Das Schiff wird flott > cihrend die Totenopfer für die tote Tote-Asse-Ausbeutnngsgesellschaft in Form mehrerer Pursche dargebracht wurden, saßen Wandrer und Drillhose im Hintergründe bei einander. Drillhose hatte keine Freude I ein Pokulieren, sondern sah sorgenvoll in die Zukunft. Herr Wandrer, sagte er, es geht nicht. Ich kann meine Leute ^! nicht beisammen behalten. Der Verdienst mit dem Musikmachen allein ist zu klein. Wenn man nur sonst noch etwas hätte. Ich habe etwas, antwortete Wandrer und erzählte sein Projekt, eine Zement- f"brik zu erbauen. Dus Material liege da, Kohlen seien in der Nähe zu habe», Grenz boten I I 1902 91

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/731>, abgerufen am 29.04.2024.