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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Line Übersiedlung vor hundert Jahren

bauen ließ; es war 1488 fertig und stand bis zum Jahre 1529, in dessen
Stürmen es spurlos zu Grunde ging. Der gute Fra Mariano,war nur ein
schwaches Licht gegen den Feuergeist Snvvnarolci, dem das Volk wie besessen
zulief, und während seine Brandreden das Haus der Medici umzüngelten,
mußte Lorenzo noch erleben, daß die Dominikaner von S. Marco ihn zu
ihrem Prior wühlten (1491).

Der Magnifico war erst 42 Jahre alt, aber er lag meistens krank mit
vielen Schmerzen danieder, denn seine Kräfte waren vor der Zeit aufgebraucht.
Ein Jahr noch, da trat ungerufen in die Tür seines Sterbezimmers die
hagere Gestalt des Bußpredigcrs zu einer Unterredung, die die Umstehenden
undeutlich hörten, und die nicht sehr lauge gewährt hat. Sie soll von dem
Blute der Volterrcmer und der Pazzi gehandelt haben, von den angegriffnen
Mitgiftgelderu und der den Florentinern geuommueu Freiheit, aber die Be¬
richte, die von beiden Seiten kommen, weichen über das Einzelne ab, und
fest steht nur, was wir uns ohnehin sagen können, daß die zwei nicht einig
geworden sind.

In ziemlich scharfen Umrissen mag das Bild der allernächsten Zukunft
vor den tiefliegenden Augen des glaubeusstnrteu Mönchs gestanden haben,
während Lorenzo nur das eine sicher wußte, daß die Florentiner seinem Erst¬
gebornen die Nachfolge zugesagt hatten, und daß der Papst und Ferrantc von
Neapel und sogar der Moro dafür gut standen. Piero war ein Sport¬
jüngling mit Riesenkräften, aber povo eorveUo. Zwar war er auch geistig
von Poliziauo musterhaft erzogen und in eleganter Rede und Versen gleich
gewandt, aber er war aufgeblasen und hochfahrend und hatte kein größeres
Verlangen als nach dem Fürstentitel. Was ließ sich da erwarten in dieser
unheimlich ungewissen Zeit, wo rings am Himmel die Wolken bedrohlich auf-
stiegen? Angstvoll hatte mau dem Tode Lorenzos entgegengesehen, nnter
Ahnungen und wunderbaren Vorzeichen: der Blitz schlug in die höchste Spitze
des Doms, und im Löwenzwinger hinter dem Palazzo Vecchio wurden die
Bestien wild und zerfleischten sich. Nun, da er verschieden war, hatte man
das deutliche Gefühl, daß dieser Tod das Ende eines großen Glücks sei.




(Line Übersiedlung vor hundert Jahren

er durch seinen Lebensberuf zu häufigen und weiten Reisen ge¬
nötigt ist und bei diesen Reisen all die herrlichen Verkehrs-
einrichtungen der Neuzeit, die alle Länder und Gegenden ver¬
bindenden Schienenstraßen, die mit Blitzeseile dahinbrnuscndcn
! Schnellzuge, die Einrichtung der durchgehenden Wagen, der
Restaurntions- und Schlafwagen hat kennen und schätzen lernen, der wird sich
wohl kaum eine Vorstellung machen können von der umständlichen, unbequemen
und kostspielige"! Art, wie solche größere Reisen uoch am Anfang des vorigen^M^A


Line Übersiedlung vor hundert Jahren

bauen ließ; es war 1488 fertig und stand bis zum Jahre 1529, in dessen
Stürmen es spurlos zu Grunde ging. Der gute Fra Mariano,war nur ein
schwaches Licht gegen den Feuergeist Snvvnarolci, dem das Volk wie besessen
zulief, und während seine Brandreden das Haus der Medici umzüngelten,
mußte Lorenzo noch erleben, daß die Dominikaner von S. Marco ihn zu
ihrem Prior wühlten (1491).

Der Magnifico war erst 42 Jahre alt, aber er lag meistens krank mit
vielen Schmerzen danieder, denn seine Kräfte waren vor der Zeit aufgebraucht.
Ein Jahr noch, da trat ungerufen in die Tür seines Sterbezimmers die
hagere Gestalt des Bußpredigcrs zu einer Unterredung, die die Umstehenden
undeutlich hörten, und die nicht sehr lauge gewährt hat. Sie soll von dem
Blute der Volterrcmer und der Pazzi gehandelt haben, von den angegriffnen
Mitgiftgelderu und der den Florentinern geuommueu Freiheit, aber die Be¬
richte, die von beiden Seiten kommen, weichen über das Einzelne ab, und
fest steht nur, was wir uns ohnehin sagen können, daß die zwei nicht einig
geworden sind.

In ziemlich scharfen Umrissen mag das Bild der allernächsten Zukunft
vor den tiefliegenden Augen des glaubeusstnrteu Mönchs gestanden haben,
während Lorenzo nur das eine sicher wußte, daß die Florentiner seinem Erst¬
gebornen die Nachfolge zugesagt hatten, und daß der Papst und Ferrantc von
Neapel und sogar der Moro dafür gut standen. Piero war ein Sport¬
jüngling mit Riesenkräften, aber povo eorveUo. Zwar war er auch geistig
von Poliziauo musterhaft erzogen und in eleganter Rede und Versen gleich
gewandt, aber er war aufgeblasen und hochfahrend und hatte kein größeres
Verlangen als nach dem Fürstentitel. Was ließ sich da erwarten in dieser
unheimlich ungewissen Zeit, wo rings am Himmel die Wolken bedrohlich auf-
stiegen? Angstvoll hatte mau dem Tode Lorenzos entgegengesehen, nnter
Ahnungen und wunderbaren Vorzeichen: der Blitz schlug in die höchste Spitze
des Doms, und im Löwenzwinger hinter dem Palazzo Vecchio wurden die
Bestien wild und zerfleischten sich. Nun, da er verschieden war, hatte man
das deutliche Gefühl, daß dieser Tod das Ende eines großen Glücks sei.




(Line Übersiedlung vor hundert Jahren

er durch seinen Lebensberuf zu häufigen und weiten Reisen ge¬
nötigt ist und bei diesen Reisen all die herrlichen Verkehrs-
einrichtungen der Neuzeit, die alle Länder und Gegenden ver¬
bindenden Schienenstraßen, die mit Blitzeseile dahinbrnuscndcn
! Schnellzuge, die Einrichtung der durchgehenden Wagen, der
Restaurntions- und Schlafwagen hat kennen und schätzen lernen, der wird sich
wohl kaum eine Vorstellung machen können von der umständlichen, unbequemen
und kostspielige»! Art, wie solche größere Reisen uoch am Anfang des vorigen^M^A


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[0673] Line Übersiedlung vor hundert Jahren bauen ließ; es war 1488 fertig und stand bis zum Jahre 1529, in dessen Stürmen es spurlos zu Grunde ging. Der gute Fra Mariano,war nur ein schwaches Licht gegen den Feuergeist Snvvnarolci, dem das Volk wie besessen zulief, und während seine Brandreden das Haus der Medici umzüngelten, mußte Lorenzo noch erleben, daß die Dominikaner von S. Marco ihn zu ihrem Prior wühlten (1491). Der Magnifico war erst 42 Jahre alt, aber er lag meistens krank mit vielen Schmerzen danieder, denn seine Kräfte waren vor der Zeit aufgebraucht. Ein Jahr noch, da trat ungerufen in die Tür seines Sterbezimmers die hagere Gestalt des Bußpredigcrs zu einer Unterredung, die die Umstehenden undeutlich hörten, und die nicht sehr lauge gewährt hat. Sie soll von dem Blute der Volterrcmer und der Pazzi gehandelt haben, von den angegriffnen Mitgiftgelderu und der den Florentinern geuommueu Freiheit, aber die Be¬ richte, die von beiden Seiten kommen, weichen über das Einzelne ab, und fest steht nur, was wir uns ohnehin sagen können, daß die zwei nicht einig geworden sind. In ziemlich scharfen Umrissen mag das Bild der allernächsten Zukunft vor den tiefliegenden Augen des glaubeusstnrteu Mönchs gestanden haben, während Lorenzo nur das eine sicher wußte, daß die Florentiner seinem Erst¬ gebornen die Nachfolge zugesagt hatten, und daß der Papst und Ferrantc von Neapel und sogar der Moro dafür gut standen. Piero war ein Sport¬ jüngling mit Riesenkräften, aber povo eorveUo. Zwar war er auch geistig von Poliziauo musterhaft erzogen und in eleganter Rede und Versen gleich gewandt, aber er war aufgeblasen und hochfahrend und hatte kein größeres Verlangen als nach dem Fürstentitel. Was ließ sich da erwarten in dieser unheimlich ungewissen Zeit, wo rings am Himmel die Wolken bedrohlich auf- stiegen? Angstvoll hatte mau dem Tode Lorenzos entgegengesehen, nnter Ahnungen und wunderbaren Vorzeichen: der Blitz schlug in die höchste Spitze des Doms, und im Löwenzwinger hinter dem Palazzo Vecchio wurden die Bestien wild und zerfleischten sich. Nun, da er verschieden war, hatte man das deutliche Gefühl, daß dieser Tod das Ende eines großen Glücks sei. (Line Übersiedlung vor hundert Jahren er durch seinen Lebensberuf zu häufigen und weiten Reisen ge¬ nötigt ist und bei diesen Reisen all die herrlichen Verkehrs- einrichtungen der Neuzeit, die alle Länder und Gegenden ver¬ bindenden Schienenstraßen, die mit Blitzeseile dahinbrnuscndcn ! Schnellzuge, die Einrichtung der durchgehenden Wagen, der Restaurntions- und Schlafwagen hat kennen und schätzen lernen, der wird sich wohl kaum eine Vorstellung machen können von der umständlichen, unbequemen und kostspielige»! Art, wie solche größere Reisen uoch am Anfang des vorigen^M^A

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/673>, abgerufen am 04.05.2024.