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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihm hier sicher den Rang abzulaufen. Daher erklärt sich der Zorn der russischen
Presse, als der Bahnbau, der sich doch ganz auf englischem Territorium hält, be¬
gann. Von Erfolg konnte der Zeitungsprotest natürlich nicht sein.

England hat einen günstigen Zeitpunkt getroffen, diese Angelegenheit zu ver¬
folgen. Rußland ist im fernen Osten engagiert und kann nicht gut ein zweites
Eisen in Persien ins Feuer stecken. Es gibt sogar Leute, die der Ansicht sind,
England habe gar nicht die Absicht, die ostasiatische Verwicklung zu einer Entscheidung
zu benahm, sondern von dort aus Rußland Persien, Afghanistan und Indien
gegenüber in Schach zu halten.


Zu dem Thema der Soldatenmißhandlungen.

Schon die ersten Tage
der neuen Reichstagssession haben gezeigt, daß wie vorauszusehen war, militärische
Angelegenheiten und Vorkommnisse reichen Stoff zu Debatten bieten werden. Den
bis jetzt schon gehaltnen Reden werden bei den einzelnen Positionen noch viele
andre folgen, da besonders die sozialdemokratische Partei die Gelegenheit nicht
vorübergehn lassen wird, auf diese Weise gegen die Armee und namentlich gegen
das Offizierkorps zu agitieren. Wegen dieser öfters wiederkehrenden Verhandlungen
und Redekümpfe sei es einem alten Soldaten, der dreißig Jahre der Armee an¬
gehört hat, erlaubt, an dieser Stelle über das im Vordergrunde stehende Thema
der "Soldatenmißhandlungen" seine Ansichten auszusprechen, die durch vieljährige
Erfahrungen begründet und berechtigt sein dürften.

Daß die planmäßigen Mißhandlungen, wie sie leider öfters zutage getreten
sind, in der allerschärfsten Weise verurteilt und mit den strengsten Strafen belegt
werden müssen, versteht sich von selbst, und alle Kommandostellen, alle Militär¬
gerichte handeln hiernach. In einer Hinsicht wird aber, unsrer Meinung nach,
vielfach zu weit gegangen: man bezeichnet oft als Mißhandlung, was durchaus
keine ist, und was weder vom Vorgesetzten noch vom Untergebnen als solche be¬
trachtet und empfunden wird -- es sei denn, man habe schon vor dem Eintritt
zum Militärdienst die jungen Leute aufgestachelt, jedes kräftige oder scharfe
Wort als "Beleidigung," jede Berührung ihrer Person als "Mißhandlung" an¬
zusehen. Solche Klagen erklingen dann im Reichstag oder in den Spalten des
Vorwärts und machen im Lande Eindruck, aber sie entsprechen in keiner Weise
dem wirklichen Leben und dem praktischen Militärdienst. Herr Bebel oder einer
seiner verehrten Genossen sollten nur erst einmal eine Rekrutenabteilnng ausbilden,
und dann wollten wir sie fragen, wie oft sie die Geduld verloren haben, wie oft
ihnen ein Schimpfwort oder ein Fluch entfahren ist, wie oft sie einen dummen oder
faulen Rekruten angefaßt haben, um ihm den erteilten Befehl verständlich zu
macheu. Wir, die wir seit einer Reihe von Jahren verabschiedet sind, haben es gar
nicht für möglich gehalten, daß man heutzutage dem Vorgesetzten jedes Schimpfwort
und jede Hilfeleistung verbieten wolle; aber nach dem, was wir in der letzten Zeit
gehört und gelesen haben, scheint es wirklich so zu sein. Es hat sich ja in der letzten
kriegsgerichtlichen Verhandlung über den Unteroffizier Breitenbach der Leutnant
von Hellermann förmlich gegen den Vorwurf verteidigen müssen, daß er bei der
Ausbildung der Rekruten die Leute ab und zu angefaßt habe! Da hört eigent¬
lich alles ans! Wie soll zum Beispiel einem Rekruten das Reiten oder das Turnen
beigebracht werden, wenn es dem Lehrer verboten ist, den Mann dabei anzufassen?
Der junge Mann müßte dankbar sein, wenn ihm in dieser Weise geholfen wird;
auch im Zivilverhältnisse wird kein Reit- und kein Turnlehrer ohne solche Hilfen
auskommen können. Man wird uns hierauf vielleicht erwidern, daß es keinem
Soldaten einfallen werde, sich über solche Hilfen zu beschweren, im Falle Heller¬
mann scheint es aber doch geschehen zu sein. Ebenso scheint mit den sogenannten
Beleidigungen ein arger Unfug getrieben zu werden. Welchem jungen Mann in
irgend einem bürgerlichen Berufe wird es als eine Sühne erheischende Beleidigung
erscheinen, wenn ihn sein Dienstherr einmal bei einer Dummheit oder Nachlässig-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihm hier sicher den Rang abzulaufen. Daher erklärt sich der Zorn der russischen
Presse, als der Bahnbau, der sich doch ganz auf englischem Territorium hält, be¬
gann. Von Erfolg konnte der Zeitungsprotest natürlich nicht sein.

England hat einen günstigen Zeitpunkt getroffen, diese Angelegenheit zu ver¬
folgen. Rußland ist im fernen Osten engagiert und kann nicht gut ein zweites
Eisen in Persien ins Feuer stecken. Es gibt sogar Leute, die der Ansicht sind,
England habe gar nicht die Absicht, die ostasiatische Verwicklung zu einer Entscheidung
zu benahm, sondern von dort aus Rußland Persien, Afghanistan und Indien
gegenüber in Schach zu halten.


Zu dem Thema der Soldatenmißhandlungen.

Schon die ersten Tage
der neuen Reichstagssession haben gezeigt, daß wie vorauszusehen war, militärische
Angelegenheiten und Vorkommnisse reichen Stoff zu Debatten bieten werden. Den
bis jetzt schon gehaltnen Reden werden bei den einzelnen Positionen noch viele
andre folgen, da besonders die sozialdemokratische Partei die Gelegenheit nicht
vorübergehn lassen wird, auf diese Weise gegen die Armee und namentlich gegen
das Offizierkorps zu agitieren. Wegen dieser öfters wiederkehrenden Verhandlungen
und Redekümpfe sei es einem alten Soldaten, der dreißig Jahre der Armee an¬
gehört hat, erlaubt, an dieser Stelle über das im Vordergrunde stehende Thema
der „Soldatenmißhandlungen" seine Ansichten auszusprechen, die durch vieljährige
Erfahrungen begründet und berechtigt sein dürften.

Daß die planmäßigen Mißhandlungen, wie sie leider öfters zutage getreten
sind, in der allerschärfsten Weise verurteilt und mit den strengsten Strafen belegt
werden müssen, versteht sich von selbst, und alle Kommandostellen, alle Militär¬
gerichte handeln hiernach. In einer Hinsicht wird aber, unsrer Meinung nach,
vielfach zu weit gegangen: man bezeichnet oft als Mißhandlung, was durchaus
keine ist, und was weder vom Vorgesetzten noch vom Untergebnen als solche be¬
trachtet und empfunden wird — es sei denn, man habe schon vor dem Eintritt
zum Militärdienst die jungen Leute aufgestachelt, jedes kräftige oder scharfe
Wort als „Beleidigung," jede Berührung ihrer Person als „Mißhandlung" an¬
zusehen. Solche Klagen erklingen dann im Reichstag oder in den Spalten des
Vorwärts und machen im Lande Eindruck, aber sie entsprechen in keiner Weise
dem wirklichen Leben und dem praktischen Militärdienst. Herr Bebel oder einer
seiner verehrten Genossen sollten nur erst einmal eine Rekrutenabteilnng ausbilden,
und dann wollten wir sie fragen, wie oft sie die Geduld verloren haben, wie oft
ihnen ein Schimpfwort oder ein Fluch entfahren ist, wie oft sie einen dummen oder
faulen Rekruten angefaßt haben, um ihm den erteilten Befehl verständlich zu
macheu. Wir, die wir seit einer Reihe von Jahren verabschiedet sind, haben es gar
nicht für möglich gehalten, daß man heutzutage dem Vorgesetzten jedes Schimpfwort
und jede Hilfeleistung verbieten wolle; aber nach dem, was wir in der letzten Zeit
gehört und gelesen haben, scheint es wirklich so zu sein. Es hat sich ja in der letzten
kriegsgerichtlichen Verhandlung über den Unteroffizier Breitenbach der Leutnant
von Hellermann förmlich gegen den Vorwurf verteidigen müssen, daß er bei der
Ausbildung der Rekruten die Leute ab und zu angefaßt habe! Da hört eigent¬
lich alles ans! Wie soll zum Beispiel einem Rekruten das Reiten oder das Turnen
beigebracht werden, wenn es dem Lehrer verboten ist, den Mann dabei anzufassen?
Der junge Mann müßte dankbar sein, wenn ihm in dieser Weise geholfen wird;
auch im Zivilverhältnisse wird kein Reit- und kein Turnlehrer ohne solche Hilfen
auskommen können. Man wird uns hierauf vielleicht erwidern, daß es keinem
Soldaten einfallen werde, sich über solche Hilfen zu beschweren, im Falle Heller¬
mann scheint es aber doch geschehen zu sein. Ebenso scheint mit den sogenannten
Beleidigungen ein arger Unfug getrieben zu werden. Welchem jungen Mann in
irgend einem bürgerlichen Berufe wird es als eine Sühne erheischende Beleidigung
erscheinen, wenn ihn sein Dienstherr einmal bei einer Dummheit oder Nachlässig-


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[0131] Maßgebliches und Unmaßgebliches ihm hier sicher den Rang abzulaufen. Daher erklärt sich der Zorn der russischen Presse, als der Bahnbau, der sich doch ganz auf englischem Territorium hält, be¬ gann. Von Erfolg konnte der Zeitungsprotest natürlich nicht sein. England hat einen günstigen Zeitpunkt getroffen, diese Angelegenheit zu ver¬ folgen. Rußland ist im fernen Osten engagiert und kann nicht gut ein zweites Eisen in Persien ins Feuer stecken. Es gibt sogar Leute, die der Ansicht sind, England habe gar nicht die Absicht, die ostasiatische Verwicklung zu einer Entscheidung zu benahm, sondern von dort aus Rußland Persien, Afghanistan und Indien gegenüber in Schach zu halten. Zu dem Thema der Soldatenmißhandlungen. Schon die ersten Tage der neuen Reichstagssession haben gezeigt, daß wie vorauszusehen war, militärische Angelegenheiten und Vorkommnisse reichen Stoff zu Debatten bieten werden. Den bis jetzt schon gehaltnen Reden werden bei den einzelnen Positionen noch viele andre folgen, da besonders die sozialdemokratische Partei die Gelegenheit nicht vorübergehn lassen wird, auf diese Weise gegen die Armee und namentlich gegen das Offizierkorps zu agitieren. Wegen dieser öfters wiederkehrenden Verhandlungen und Redekümpfe sei es einem alten Soldaten, der dreißig Jahre der Armee an¬ gehört hat, erlaubt, an dieser Stelle über das im Vordergrunde stehende Thema der „Soldatenmißhandlungen" seine Ansichten auszusprechen, die durch vieljährige Erfahrungen begründet und berechtigt sein dürften. Daß die planmäßigen Mißhandlungen, wie sie leider öfters zutage getreten sind, in der allerschärfsten Weise verurteilt und mit den strengsten Strafen belegt werden müssen, versteht sich von selbst, und alle Kommandostellen, alle Militär¬ gerichte handeln hiernach. In einer Hinsicht wird aber, unsrer Meinung nach, vielfach zu weit gegangen: man bezeichnet oft als Mißhandlung, was durchaus keine ist, und was weder vom Vorgesetzten noch vom Untergebnen als solche be¬ trachtet und empfunden wird — es sei denn, man habe schon vor dem Eintritt zum Militärdienst die jungen Leute aufgestachelt, jedes kräftige oder scharfe Wort als „Beleidigung," jede Berührung ihrer Person als „Mißhandlung" an¬ zusehen. Solche Klagen erklingen dann im Reichstag oder in den Spalten des Vorwärts und machen im Lande Eindruck, aber sie entsprechen in keiner Weise dem wirklichen Leben und dem praktischen Militärdienst. Herr Bebel oder einer seiner verehrten Genossen sollten nur erst einmal eine Rekrutenabteilnng ausbilden, und dann wollten wir sie fragen, wie oft sie die Geduld verloren haben, wie oft ihnen ein Schimpfwort oder ein Fluch entfahren ist, wie oft sie einen dummen oder faulen Rekruten angefaßt haben, um ihm den erteilten Befehl verständlich zu macheu. Wir, die wir seit einer Reihe von Jahren verabschiedet sind, haben es gar nicht für möglich gehalten, daß man heutzutage dem Vorgesetzten jedes Schimpfwort und jede Hilfeleistung verbieten wolle; aber nach dem, was wir in der letzten Zeit gehört und gelesen haben, scheint es wirklich so zu sein. Es hat sich ja in der letzten kriegsgerichtlichen Verhandlung über den Unteroffizier Breitenbach der Leutnant von Hellermann förmlich gegen den Vorwurf verteidigen müssen, daß er bei der Ausbildung der Rekruten die Leute ab und zu angefaßt habe! Da hört eigent¬ lich alles ans! Wie soll zum Beispiel einem Rekruten das Reiten oder das Turnen beigebracht werden, wenn es dem Lehrer verboten ist, den Mann dabei anzufassen? Der junge Mann müßte dankbar sein, wenn ihm in dieser Weise geholfen wird; auch im Zivilverhältnisse wird kein Reit- und kein Turnlehrer ohne solche Hilfen auskommen können. Man wird uns hierauf vielleicht erwidern, daß es keinem Soldaten einfallen werde, sich über solche Hilfen zu beschweren, im Falle Heller¬ mann scheint es aber doch geschehen zu sein. Ebenso scheint mit den sogenannten Beleidigungen ein arger Unfug getrieben zu werden. Welchem jungen Mann in irgend einem bürgerlichen Berufe wird es als eine Sühne erheischende Beleidigung erscheinen, wenn ihn sein Dienstherr einmal bei einer Dummheit oder Nachlässig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/131>, abgerufen am 06.05.2024.