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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna
Henry Harland von 1

SW>n Susannas zweiundzwanzigsten Geburtstag veranstaltete der Com-
mendatore Fregi, ihr Vormund, dessen Pflichten dem Testament ihres
Vaters entsprechend mit diesem Tage zu Ende gingen, ihr zu Ehren
ein großartiges Fest in seiner Villa zu Vallanza. Am Morgen waren
zweiundzwanzig Kanonenschüsse abgegeben worden, obgleich Susanna
! dagegen protestiert und erklärt hatte, sie sei erst einundzwanzig Jahre
alt und wolle nicht auf diese Weise öffentlich zur alten Jungfer gestempelt werden.
Am Nachmittag fand eine Regatta statt, an der sich sieben Segelboote -- die
ganze Flottille des Königlichen Jachtklubs von Jlaria -- beteiligte. Für jeden,
der die Insel Sampaolo und ihre Verhältnisse kennt, ist es selbstverständlich, daß
die ganz und gar englische, aus England stammende "Mermaid" des Marchese
Batto del Ponte mit Leichtigkeit den Sieg gewann und als erste einlief.

Am Abend folgte ein Festmahl nebst Ball und Feuerwerk im Garten.

Susanna bewohnte, obgleich ihr Geburtstag auf den siebzehnten April fiel,
schon den Sommerpalast auf der Isola Nobile, denn die heiße Jahreszeit hatte
schon begonnen. Als sich die letzten Gäste verabschiedet hatten, geleitete der
Commendatore sie und ihre Duenna, die Baronin Casaterrena, zum Hafen hinunter,
wo an seiner Privatlandestelle ein Boot ihrer harrte, das von zwei großen von
Fledermäusen umflatterten elektrischen Lichtern beleuchtet war. Aber als er ihr die
Hand bot, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein, trat sie rasch zur Seite und
sagte mit einer anmutig hindeutenden Kopfbewegung! Die Baronessa.

Natürlich gebührte von Gottes und Rechts wegen ihr selbst der Vortritt. Es
sah ihr so gleich und war so gut und nett von ihr, dachte der liebevolle alte Herr,
daß sie diese Rücksicht auf die ältere Dame nahm und bescheiden zurückstand.

So ließ er seine Unterstützung zuerst der etwas schwerfälligen und umständ¬
lichen Baronin zuteil werden. Als es dieser schließlich gelungen war, sich auf den
seidnen Polstern im Stern des Schiffes niederzulassen, wandte er sich um und
streckte seine hilfreiche Hand auch seinem bisherigen Mündel entgegen. Aber in
diesem Augenblick vernahm er ein glucksendes, Plätscherndes Geräusch und sah sich
rasch um.

Halt! Halt! stopp! rief er aufgeregt, denn das Boot mit der Baronin war
schon einige Meter vom Landeplatz entfernt, und man hörte die Baronin dem Mann
am Steuer aufgeregt zurufen: M! ?froh.! Forum!

Es ist alles in Ordnung, sagte Susanna mit ihrer etwas tiefen Stimme artig
und gelassen, es geschieht auf meinen Befehl!

Und unbeirrt hielt das Boot seinen Kurs nach der durch glühwurmartig
glänzende Lichter kenntlich gemachten Isola Nobile.

Der Commendatore war sprachlos.

Etwa fünf Sekunden lang starrte er mit gerunzelten Brauen und offnem
Munde bald auf Susanna, bald auf die entschwindenden Lichter des Bootes; in
der tiefen Stille war ringsum nichts zu hören als der schluchzende, jubelnde Sang
der Nachtigallen.




Gräfin Susanna
Henry Harland von 1

SW>n Susannas zweiundzwanzigsten Geburtstag veranstaltete der Com-
mendatore Fregi, ihr Vormund, dessen Pflichten dem Testament ihres
Vaters entsprechend mit diesem Tage zu Ende gingen, ihr zu Ehren
ein großartiges Fest in seiner Villa zu Vallanza. Am Morgen waren
zweiundzwanzig Kanonenschüsse abgegeben worden, obgleich Susanna
! dagegen protestiert und erklärt hatte, sie sei erst einundzwanzig Jahre
alt und wolle nicht auf diese Weise öffentlich zur alten Jungfer gestempelt werden.
Am Nachmittag fand eine Regatta statt, an der sich sieben Segelboote — die
ganze Flottille des Königlichen Jachtklubs von Jlaria — beteiligte. Für jeden,
der die Insel Sampaolo und ihre Verhältnisse kennt, ist es selbstverständlich, daß
die ganz und gar englische, aus England stammende „Mermaid" des Marchese
Batto del Ponte mit Leichtigkeit den Sieg gewann und als erste einlief.

Am Abend folgte ein Festmahl nebst Ball und Feuerwerk im Garten.

Susanna bewohnte, obgleich ihr Geburtstag auf den siebzehnten April fiel,
schon den Sommerpalast auf der Isola Nobile, denn die heiße Jahreszeit hatte
schon begonnen. Als sich die letzten Gäste verabschiedet hatten, geleitete der
Commendatore sie und ihre Duenna, die Baronin Casaterrena, zum Hafen hinunter,
wo an seiner Privatlandestelle ein Boot ihrer harrte, das von zwei großen von
Fledermäusen umflatterten elektrischen Lichtern beleuchtet war. Aber als er ihr die
Hand bot, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein, trat sie rasch zur Seite und
sagte mit einer anmutig hindeutenden Kopfbewegung! Die Baronessa.

Natürlich gebührte von Gottes und Rechts wegen ihr selbst der Vortritt. Es
sah ihr so gleich und war so gut und nett von ihr, dachte der liebevolle alte Herr,
daß sie diese Rücksicht auf die ältere Dame nahm und bescheiden zurückstand.

So ließ er seine Unterstützung zuerst der etwas schwerfälligen und umständ¬
lichen Baronin zuteil werden. Als es dieser schließlich gelungen war, sich auf den
seidnen Polstern im Stern des Schiffes niederzulassen, wandte er sich um und
streckte seine hilfreiche Hand auch seinem bisherigen Mündel entgegen. Aber in
diesem Augenblick vernahm er ein glucksendes, Plätscherndes Geräusch und sah sich
rasch um.

Halt! Halt! stopp! rief er aufgeregt, denn das Boot mit der Baronin war
schon einige Meter vom Landeplatz entfernt, und man hörte die Baronin dem Mann
am Steuer aufgeregt zurufen: M! ?froh.! Forum!

Es ist alles in Ordnung, sagte Susanna mit ihrer etwas tiefen Stimme artig
und gelassen, es geschieht auf meinen Befehl!

Und unbeirrt hielt das Boot seinen Kurs nach der durch glühwurmartig
glänzende Lichter kenntlich gemachten Isola Nobile.

Der Commendatore war sprachlos.

Etwa fünf Sekunden lang starrte er mit gerunzelten Brauen und offnem
Munde bald auf Susanna, bald auf die entschwindenden Lichter des Bootes; in
der tiefen Stille war ringsum nichts zu hören als der schluchzende, jubelnde Sang
der Nachtigallen.


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[0299] [Abbildung] Gräfin Susanna Henry Harland von 1 SW>n Susannas zweiundzwanzigsten Geburtstag veranstaltete der Com- mendatore Fregi, ihr Vormund, dessen Pflichten dem Testament ihres Vaters entsprechend mit diesem Tage zu Ende gingen, ihr zu Ehren ein großartiges Fest in seiner Villa zu Vallanza. Am Morgen waren zweiundzwanzig Kanonenschüsse abgegeben worden, obgleich Susanna ! dagegen protestiert und erklärt hatte, sie sei erst einundzwanzig Jahre alt und wolle nicht auf diese Weise öffentlich zur alten Jungfer gestempelt werden. Am Nachmittag fand eine Regatta statt, an der sich sieben Segelboote — die ganze Flottille des Königlichen Jachtklubs von Jlaria — beteiligte. Für jeden, der die Insel Sampaolo und ihre Verhältnisse kennt, ist es selbstverständlich, daß die ganz und gar englische, aus England stammende „Mermaid" des Marchese Batto del Ponte mit Leichtigkeit den Sieg gewann und als erste einlief. Am Abend folgte ein Festmahl nebst Ball und Feuerwerk im Garten. Susanna bewohnte, obgleich ihr Geburtstag auf den siebzehnten April fiel, schon den Sommerpalast auf der Isola Nobile, denn die heiße Jahreszeit hatte schon begonnen. Als sich die letzten Gäste verabschiedet hatten, geleitete der Commendatore sie und ihre Duenna, die Baronin Casaterrena, zum Hafen hinunter, wo an seiner Privatlandestelle ein Boot ihrer harrte, das von zwei großen von Fledermäusen umflatterten elektrischen Lichtern beleuchtet war. Aber als er ihr die Hand bot, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein, trat sie rasch zur Seite und sagte mit einer anmutig hindeutenden Kopfbewegung! Die Baronessa. Natürlich gebührte von Gottes und Rechts wegen ihr selbst der Vortritt. Es sah ihr so gleich und war so gut und nett von ihr, dachte der liebevolle alte Herr, daß sie diese Rücksicht auf die ältere Dame nahm und bescheiden zurückstand. So ließ er seine Unterstützung zuerst der etwas schwerfälligen und umständ¬ lichen Baronin zuteil werden. Als es dieser schließlich gelungen war, sich auf den seidnen Polstern im Stern des Schiffes niederzulassen, wandte er sich um und streckte seine hilfreiche Hand auch seinem bisherigen Mündel entgegen. Aber in diesem Augenblick vernahm er ein glucksendes, Plätscherndes Geräusch und sah sich rasch um. Halt! Halt! stopp! rief er aufgeregt, denn das Boot mit der Baronin war schon einige Meter vom Landeplatz entfernt, und man hörte die Baronin dem Mann am Steuer aufgeregt zurufen: M! ?froh.! Forum! Es ist alles in Ordnung, sagte Susanna mit ihrer etwas tiefen Stimme artig und gelassen, es geschieht auf meinen Befehl! Und unbeirrt hielt das Boot seinen Kurs nach der durch glühwurmartig glänzende Lichter kenntlich gemachten Isola Nobile. Der Commendatore war sprachlos. Etwa fünf Sekunden lang starrte er mit gerunzelten Brauen und offnem Munde bald auf Susanna, bald auf die entschwindenden Lichter des Bootes; in der tiefen Stille war ringsum nichts zu hören als der schluchzende, jubelnde Sang der Nachtigallen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/299>, abgerufen am 28.04.2024.