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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz


In dieser Form passen die Glieder der Melodie so viel besser ans die Rhythmen
der Textzeilen als in der rhythmisch kompliziertem, vorher mitgeteilten Form,
daß wir glauben müssen, mit der soeben erschloßnen Form den originalen Verlauf
der Melodie besser getroffen zu haben. Der in der andern Rhythmisierung über¬
gespannte musikalisch eigenwillige Melodierahmen hängt dort damit zusammen,
daß das Lied mit ihm in die gelehrte mehrstimmige Mensuralmusik einbezogen
worden war, die inzwischen im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts erblüht
war: in der Tat ist diese rhythmisch kompliziertere Melodie nur in mehrstimmigen
Sätzen des Liedes überliefert ^^sz folgt) .




Wanderungen in der Niederlausitz
Otto Ldnard Schmidt von
6. Graf Brühl und seine Schlösser
(Schlich)

ufolge der Verwüstungen des Schlosses und eines zweiten Brandes
!vom Jahre 1783 ist in Grochwitz aus der Brühlschen Zeit fast nichts
mehr vorhanden. Das jetzige Schloß, im Besitze des Landrath Frei¬
herrn von Palombini, ist ein nüchterner Bau aus der Zeit nach dem
zweiten Brande. Und doch erkennt man noch aus der ganzen An¬
klage und einigen kümmerlichen Resten die heitere Bauweise Knöffels:
noch sind die steinernen Pfeiler zu beiden Seiten des Gartentores mit antikisierenden
Trophäen und fruchtgefüllten Amphoren gekrönt, noch stehn hinter dem Zaune rechts
und links vom Schlosse die beiden Kavalierhäuser, allerdings in weit bescheidnerer
Ausführung als in Pforten, noch läßt der Park mit seinem lauschigen Teiche, dessen
Dämme einst dem Grafen Brühl sehr große Summen gekostet haben, unter hohen
Wipfeln die alte Herrlichkeit ahnen, aber keine Statue, keine Vase belebt mehr das
dunkle Grün. Die alten Schmuckstücke sind von den preußischen Soldaten verschleppt
und zerschlagen worden. Trotzdem war König Friedrichs Rachedurst noch nicht ge¬
stillt. Am 12. Dezember 1757 schrieb er, aufgebracht über Verwüstungen, die sich
französische Truppen in Hannover erlaubt hatten, an den Prinzen Ferdinand von
Braunschweig, daß er Repressalien üben werde gegen die königlichen Schlösser und
die der Minister in Sachsen. Und an demselben Tage schickte er dem in Chemnitz
stehenden Feldmarschall Keith die Order, er solle den Oberst von Mavr, einen be¬
rüchtigten Freischarenführer, gegen die in der Umgegend von Leipzig oder von
Rossen gelegnen Landgüter Brühls schicken, um dort "etwas Unruhe" (oustaM


Wanderungen in der Niederlausitz


In dieser Form passen die Glieder der Melodie so viel besser ans die Rhythmen
der Textzeilen als in der rhythmisch kompliziertem, vorher mitgeteilten Form,
daß wir glauben müssen, mit der soeben erschloßnen Form den originalen Verlauf
der Melodie besser getroffen zu haben. Der in der andern Rhythmisierung über¬
gespannte musikalisch eigenwillige Melodierahmen hängt dort damit zusammen,
daß das Lied mit ihm in die gelehrte mehrstimmige Mensuralmusik einbezogen
worden war, die inzwischen im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts erblüht
war: in der Tat ist diese rhythmisch kompliziertere Melodie nur in mehrstimmigen
Sätzen des Liedes überliefert ^^sz folgt) .




Wanderungen in der Niederlausitz
Otto Ldnard Schmidt von
6. Graf Brühl und seine Schlösser
(Schlich)

ufolge der Verwüstungen des Schlosses und eines zweiten Brandes
!vom Jahre 1783 ist in Grochwitz aus der Brühlschen Zeit fast nichts
mehr vorhanden. Das jetzige Schloß, im Besitze des Landrath Frei¬
herrn von Palombini, ist ein nüchterner Bau aus der Zeit nach dem
zweiten Brande. Und doch erkennt man noch aus der ganzen An¬
klage und einigen kümmerlichen Resten die heitere Bauweise Knöffels:
noch sind die steinernen Pfeiler zu beiden Seiten des Gartentores mit antikisierenden
Trophäen und fruchtgefüllten Amphoren gekrönt, noch stehn hinter dem Zaune rechts
und links vom Schlosse die beiden Kavalierhäuser, allerdings in weit bescheidnerer
Ausführung als in Pforten, noch läßt der Park mit seinem lauschigen Teiche, dessen
Dämme einst dem Grafen Brühl sehr große Summen gekostet haben, unter hohen
Wipfeln die alte Herrlichkeit ahnen, aber keine Statue, keine Vase belebt mehr das
dunkle Grün. Die alten Schmuckstücke sind von den preußischen Soldaten verschleppt
und zerschlagen worden. Trotzdem war König Friedrichs Rachedurst noch nicht ge¬
stillt. Am 12. Dezember 1757 schrieb er, aufgebracht über Verwüstungen, die sich
französische Truppen in Hannover erlaubt hatten, an den Prinzen Ferdinand von
Braunschweig, daß er Repressalien üben werde gegen die königlichen Schlösser und
die der Minister in Sachsen. Und an demselben Tage schickte er dem in Chemnitz
stehenden Feldmarschall Keith die Order, er solle den Oberst von Mavr, einen be¬
rüchtigten Freischarenführer, gegen die in der Umgegend von Leipzig oder von
Rossen gelegnen Landgüter Brühls schicken, um dort „etwas Unruhe" (oustaM


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[0470] Wanderungen in der Niederlausitz [Abbildung] In dieser Form passen die Glieder der Melodie so viel besser ans die Rhythmen der Textzeilen als in der rhythmisch kompliziertem, vorher mitgeteilten Form, daß wir glauben müssen, mit der soeben erschloßnen Form den originalen Verlauf der Melodie besser getroffen zu haben. Der in der andern Rhythmisierung über¬ gespannte musikalisch eigenwillige Melodierahmen hängt dort damit zusammen, daß das Lied mit ihm in die gelehrte mehrstimmige Mensuralmusik einbezogen worden war, die inzwischen im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts erblüht war: in der Tat ist diese rhythmisch kompliziertere Melodie nur in mehrstimmigen Sätzen des Liedes überliefert ^^sz folgt) . Wanderungen in der Niederlausitz Otto Ldnard Schmidt von 6. Graf Brühl und seine Schlösser (Schlich) ufolge der Verwüstungen des Schlosses und eines zweiten Brandes !vom Jahre 1783 ist in Grochwitz aus der Brühlschen Zeit fast nichts mehr vorhanden. Das jetzige Schloß, im Besitze des Landrath Frei¬ herrn von Palombini, ist ein nüchterner Bau aus der Zeit nach dem zweiten Brande. Und doch erkennt man noch aus der ganzen An¬ klage und einigen kümmerlichen Resten die heitere Bauweise Knöffels: noch sind die steinernen Pfeiler zu beiden Seiten des Gartentores mit antikisierenden Trophäen und fruchtgefüllten Amphoren gekrönt, noch stehn hinter dem Zaune rechts und links vom Schlosse die beiden Kavalierhäuser, allerdings in weit bescheidnerer Ausführung als in Pforten, noch läßt der Park mit seinem lauschigen Teiche, dessen Dämme einst dem Grafen Brühl sehr große Summen gekostet haben, unter hohen Wipfeln die alte Herrlichkeit ahnen, aber keine Statue, keine Vase belebt mehr das dunkle Grün. Die alten Schmuckstücke sind von den preußischen Soldaten verschleppt und zerschlagen worden. Trotzdem war König Friedrichs Rachedurst noch nicht ge¬ stillt. Am 12. Dezember 1757 schrieb er, aufgebracht über Verwüstungen, die sich französische Truppen in Hannover erlaubt hatten, an den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, daß er Repressalien üben werde gegen die königlichen Schlösser und die der Minister in Sachsen. Und an demselben Tage schickte er dem in Chemnitz stehenden Feldmarschall Keith die Order, er solle den Oberst von Mavr, einen be¬ rüchtigten Freischarenführer, gegen die in der Umgegend von Leipzig oder von Rossen gelegnen Landgüter Brühls schicken, um dort „etwas Unruhe" (oustaM

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/470>, abgerufen am 28.04.2024.