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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Junge Herzen

nicht anders sein konnte, mit Johannas glänzender Rehabilitierung endete. Dem
katholischen Frankreich ist jedoch bis zum heutigen Tage ein sehnlicher Wunsch
unerfüllt geblieben: die Kcmonisation oder die Beatifikation der Jungfrau. Der
diesem Wunsche ferner stehende kann ihn zwar begreifen, aber dem Ruhme,
der Johanna d'Ares Namen umstrahlt, kann die Kirche nur ihre besondre Weihe
erteilen; größer, leuchtender und fleckenloser kann sie ihn nicht machen.




Junge Herzen
Christoph er Boeck Erzählung von
(Fortsetzung)
32. Ein schwedisches Heim

clere erwachte, als ihr die Sonne in die Augen schien. Durch das
l offne Fenster hörte sie das Brausen des Gießbachs, und die wunder¬
barste Birkenluft drang zu ihr herein.

Sie sah nach der Uhr, die an der Wand hing.

Es war schon sieben, und um sechs Uhr hatte sie ausstehn wollen.
Schnell kleidete sie sich an.

Und dann auf den Balkon hinaus. In vollen Zügen sog sie den süßen Duft
ein. sie begrüßte Wald und Feld, Strom und Gießbach und die roten Häuser und
Höfe, die hier und dort hervorlugten. Und da war die Kirche wieder -- die Kirche!

Ja -- das Opfer mußte gebracht werden.

Zu Träumereien war keine Zeit; jetzt sollte ihr Arbeitstag beginnen.

Sie schlich auf den Boden hinaus, ganz leise, um niemand zu wecken. Da
strauchelte sie über eine Reihe Schuhe, die vor der Schlafstube der Familie stand.

Helene! rief Frederikke von innen, bist du es? Dann komm nur herein! Gustav
ist schon im Krankenhaus!

Helene öffnete die Tür und trat ein.

Da saß Frederikke, frisch und kräftig, ihre mütterlichen Arme um die beiden
Kinder schlingend, die sie auf dem Schoße hielt.

Helene küßte sie und die Kinder und sagte: Gute" Morgen, Frederikke!

Was meinst dn, daß die Uhr ist?

Die Uhr da drinnen zeigte auf sieben!

Da lachte Frederikke mit ihrem frischen, ansteckenden Lachen: Die geht ganz
falsch; aber nun soll sie gestellt werden!

Helene eilte nach der Tür.

Es eilt gar nicht. Wir frühstücken erst um neu" Uhr. Um sieben bekomme
ich meinen dänischen Tee hier herauf, den kann ich nicht gut entbehren. Wir wollten
dich nicht wecken, aber du kannst dir den Tee auch des Morgens heraufbringen lassen.

Das fehlte gerade noch, daß ich mir aufwarten ließe; nein, dann will ich selbst
den Tee machen.

Ja, das tu nur; denn ich habe immer so viel mit diesen beiden unruhigen
Köpfen zu schaffen, daß ich selten vor neun hinunterkomme.

Wo liegt das Staubtuch und der Wedel?

Frage Harun! Ich habe ihr deinen Wunsch schon mitgeteilt.

Die alte Hurra war im Begriff, das Speisezimmer zu fegen, als Helene um
die Sachen bat.

Ja, das ist schön! sagte Kamm und reichte ihr mit freundlichem Lächeln das
Gewünschte. ^ °


Junge Herzen

nicht anders sein konnte, mit Johannas glänzender Rehabilitierung endete. Dem
katholischen Frankreich ist jedoch bis zum heutigen Tage ein sehnlicher Wunsch
unerfüllt geblieben: die Kcmonisation oder die Beatifikation der Jungfrau. Der
diesem Wunsche ferner stehende kann ihn zwar begreifen, aber dem Ruhme,
der Johanna d'Ares Namen umstrahlt, kann die Kirche nur ihre besondre Weihe
erteilen; größer, leuchtender und fleckenloser kann sie ihn nicht machen.




Junge Herzen
Christoph er Boeck Erzählung von
(Fortsetzung)
32. Ein schwedisches Heim

clere erwachte, als ihr die Sonne in die Augen schien. Durch das
l offne Fenster hörte sie das Brausen des Gießbachs, und die wunder¬
barste Birkenluft drang zu ihr herein.

Sie sah nach der Uhr, die an der Wand hing.

Es war schon sieben, und um sechs Uhr hatte sie ausstehn wollen.
Schnell kleidete sie sich an.

Und dann auf den Balkon hinaus. In vollen Zügen sog sie den süßen Duft
ein. sie begrüßte Wald und Feld, Strom und Gießbach und die roten Häuser und
Höfe, die hier und dort hervorlugten. Und da war die Kirche wieder — die Kirche!

Ja — das Opfer mußte gebracht werden.

Zu Träumereien war keine Zeit; jetzt sollte ihr Arbeitstag beginnen.

Sie schlich auf den Boden hinaus, ganz leise, um niemand zu wecken. Da
strauchelte sie über eine Reihe Schuhe, die vor der Schlafstube der Familie stand.

Helene! rief Frederikke von innen, bist du es? Dann komm nur herein! Gustav
ist schon im Krankenhaus!

Helene öffnete die Tür und trat ein.

Da saß Frederikke, frisch und kräftig, ihre mütterlichen Arme um die beiden
Kinder schlingend, die sie auf dem Schoße hielt.

Helene küßte sie und die Kinder und sagte: Gute» Morgen, Frederikke!

Was meinst dn, daß die Uhr ist?

Die Uhr da drinnen zeigte auf sieben!

Da lachte Frederikke mit ihrem frischen, ansteckenden Lachen: Die geht ganz
falsch; aber nun soll sie gestellt werden!

Helene eilte nach der Tür.

Es eilt gar nicht. Wir frühstücken erst um neu» Uhr. Um sieben bekomme
ich meinen dänischen Tee hier herauf, den kann ich nicht gut entbehren. Wir wollten
dich nicht wecken, aber du kannst dir den Tee auch des Morgens heraufbringen lassen.

Das fehlte gerade noch, daß ich mir aufwarten ließe; nein, dann will ich selbst
den Tee machen.

Ja, das tu nur; denn ich habe immer so viel mit diesen beiden unruhigen
Köpfen zu schaffen, daß ich selten vor neun hinunterkomme.

Wo liegt das Staubtuch und der Wedel?

Frage Harun! Ich habe ihr deinen Wunsch schon mitgeteilt.

Die alte Hurra war im Begriff, das Speisezimmer zu fegen, als Helene um
die Sachen bat.

Ja, das ist schön! sagte Kamm und reichte ihr mit freundlichem Lächeln das
Gewünschte. ^ °


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[0277] Junge Herzen nicht anders sein konnte, mit Johannas glänzender Rehabilitierung endete. Dem katholischen Frankreich ist jedoch bis zum heutigen Tage ein sehnlicher Wunsch unerfüllt geblieben: die Kcmonisation oder die Beatifikation der Jungfrau. Der diesem Wunsche ferner stehende kann ihn zwar begreifen, aber dem Ruhme, der Johanna d'Ares Namen umstrahlt, kann die Kirche nur ihre besondre Weihe erteilen; größer, leuchtender und fleckenloser kann sie ihn nicht machen. Junge Herzen Christoph er Boeck Erzählung von (Fortsetzung) 32. Ein schwedisches Heim clere erwachte, als ihr die Sonne in die Augen schien. Durch das l offne Fenster hörte sie das Brausen des Gießbachs, und die wunder¬ barste Birkenluft drang zu ihr herein. Sie sah nach der Uhr, die an der Wand hing. Es war schon sieben, und um sechs Uhr hatte sie ausstehn wollen. Schnell kleidete sie sich an. Und dann auf den Balkon hinaus. In vollen Zügen sog sie den süßen Duft ein. sie begrüßte Wald und Feld, Strom und Gießbach und die roten Häuser und Höfe, die hier und dort hervorlugten. Und da war die Kirche wieder — die Kirche! Ja — das Opfer mußte gebracht werden. Zu Träumereien war keine Zeit; jetzt sollte ihr Arbeitstag beginnen. Sie schlich auf den Boden hinaus, ganz leise, um niemand zu wecken. Da strauchelte sie über eine Reihe Schuhe, die vor der Schlafstube der Familie stand. Helene! rief Frederikke von innen, bist du es? Dann komm nur herein! Gustav ist schon im Krankenhaus! Helene öffnete die Tür und trat ein. Da saß Frederikke, frisch und kräftig, ihre mütterlichen Arme um die beiden Kinder schlingend, die sie auf dem Schoße hielt. Helene küßte sie und die Kinder und sagte: Gute» Morgen, Frederikke! Was meinst dn, daß die Uhr ist? Die Uhr da drinnen zeigte auf sieben! Da lachte Frederikke mit ihrem frischen, ansteckenden Lachen: Die geht ganz falsch; aber nun soll sie gestellt werden! Helene eilte nach der Tür. Es eilt gar nicht. Wir frühstücken erst um neu» Uhr. Um sieben bekomme ich meinen dänischen Tee hier herauf, den kann ich nicht gut entbehren. Wir wollten dich nicht wecken, aber du kannst dir den Tee auch des Morgens heraufbringen lassen. Das fehlte gerade noch, daß ich mir aufwarten ließe; nein, dann will ich selbst den Tee machen. Ja, das tu nur; denn ich habe immer so viel mit diesen beiden unruhigen Köpfen zu schaffen, daß ich selten vor neun hinunterkomme. Wo liegt das Staubtuch und der Wedel? Frage Harun! Ich habe ihr deinen Wunsch schon mitgeteilt. Die alte Hurra war im Begriff, das Speisezimmer zu fegen, als Helene um die Sachen bat. Ja, das ist schön! sagte Kamm und reichte ihr mit freundlichem Lächeln das Gewünschte. ^ °

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/277>, abgerufen am 07.05.2024.