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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Aquila

deutungsvollen Platz in seiner Entwicklung als Dichter ein, sie haben auch
ihren großen, selbständigen Wert in der nationalen dänischen Erzählung.

Die Fehler in ihnen sind leicht zu erkennen: vor allem hat der Verfasser
immer zu viel mitnehmen wollen. Wenn er daran denkt, wieviel es ihn ge¬
kostet hat, sich die Schulweisheit anzueignen, daß er sie jetzt aber doch hat, so
muß das gezeigt, durch Latein und Gelehrsamkeit Schwarz auf Weiß gezeigt
werden. Er ist verhältnismäßig belesen in der fremden schönen Literatur -- er
war sein Leben lang ein "schneller" Leser --, und das muß durch Zitate doku¬
mentiert werden. Er besucht feine Gesellschaften und verkehrt ringsum auf den
adlichen Gütern -- es erscheint ihm noch immer wie ein Märchen, wie das
wunderbarste von allen, daß er das wirklich ist! --, und da muß er natürlich
durch seine Bücher der Welt zeigen, daß Schusters Marie ihr Hans Christian
jetzt bei den Großen ein und aus geht und das Leben in den höhern Sphären
kennt. Er hat sich ringsum in seinem Vaterlande umgesehen, ist in Jütland
und auf den Halligen gewesen -- die Eindrücke müssen mitgenommen werden.
Alles, was ihn selber im Augenblick amüsiert oder interessiert hat, und ihn
interessiert alles, weil ihm alles neu ist, muß mitgenommen werden. Die Ein¬
heit leidet natürlich hierunter, man merkt, daß er selbst dem Schlüsse zueilt,
und der Roman wird weniger eine abgeschlossene Komposition als ein buntes
Bilderbuch, etwas ähnliches wie der Wandschirm, den er sich in alten Zeiten
selbst gemacht hatte, und zu dem die Bilder überall ausgeschnitten und scheinbar
planlos zusammengekleistert, aber doch von genialer Hand geordnet waren.

Die Mängel waren leicht zu sehen, aber man sollte freilich meinen, daß
die Vorzüge noch mehr in die Augen gesprungen sein müßten. Da ist in allen
Romanen ein Reichtum an Motiven, die Dutzende von modernen Schriftstellern
versorgen könnten, da ist Frische und Originalität, da ist Gefühl und Laune,
da sind Figuren und Szenerie. Und dann die Naturschilderungen und die
Bilder! (Schluß folgt)




Aquila
von Alexander Rnmpelt

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VKomÄW MÄxiwaL all^Jmmen'.

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Mittelalter.cum ein Fürst eine bedeutende Anzahl seiner Untertanen, die Ritter
von beinahe hundert Burgen und die Bauern von ebensoviel
Dörfern und Weilern plötzlich zwingt, eine Stadt zu gründen und
sich als deren Bürger hinter festen Mauern anzusiedeln, so will
uns dies als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen, sogar im
Und doch ist dieses Wagnis geglückt, wenn auch nicht beim ersten,
so doch beim zweiten Versuch, und zwar mit Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen.


Aquila

deutungsvollen Platz in seiner Entwicklung als Dichter ein, sie haben auch
ihren großen, selbständigen Wert in der nationalen dänischen Erzählung.

Die Fehler in ihnen sind leicht zu erkennen: vor allem hat der Verfasser
immer zu viel mitnehmen wollen. Wenn er daran denkt, wieviel es ihn ge¬
kostet hat, sich die Schulweisheit anzueignen, daß er sie jetzt aber doch hat, so
muß das gezeigt, durch Latein und Gelehrsamkeit Schwarz auf Weiß gezeigt
werden. Er ist verhältnismäßig belesen in der fremden schönen Literatur — er
war sein Leben lang ein „schneller" Leser —, und das muß durch Zitate doku¬
mentiert werden. Er besucht feine Gesellschaften und verkehrt ringsum auf den
adlichen Gütern — es erscheint ihm noch immer wie ein Märchen, wie das
wunderbarste von allen, daß er das wirklich ist! —, und da muß er natürlich
durch seine Bücher der Welt zeigen, daß Schusters Marie ihr Hans Christian
jetzt bei den Großen ein und aus geht und das Leben in den höhern Sphären
kennt. Er hat sich ringsum in seinem Vaterlande umgesehen, ist in Jütland
und auf den Halligen gewesen — die Eindrücke müssen mitgenommen werden.
Alles, was ihn selber im Augenblick amüsiert oder interessiert hat, und ihn
interessiert alles, weil ihm alles neu ist, muß mitgenommen werden. Die Ein¬
heit leidet natürlich hierunter, man merkt, daß er selbst dem Schlüsse zueilt,
und der Roman wird weniger eine abgeschlossene Komposition als ein buntes
Bilderbuch, etwas ähnliches wie der Wandschirm, den er sich in alten Zeiten
selbst gemacht hatte, und zu dem die Bilder überall ausgeschnitten und scheinbar
planlos zusammengekleistert, aber doch von genialer Hand geordnet waren.

Die Mängel waren leicht zu sehen, aber man sollte freilich meinen, daß
die Vorzüge noch mehr in die Augen gesprungen sein müßten. Da ist in allen
Romanen ein Reichtum an Motiven, die Dutzende von modernen Schriftstellern
versorgen könnten, da ist Frische und Originalität, da ist Gefühl und Laune,
da sind Figuren und Szenerie. Und dann die Naturschilderungen und die
Bilder! (Schluß folgt)




Aquila
von Alexander Rnmpelt

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Mittelalter.cum ein Fürst eine bedeutende Anzahl seiner Untertanen, die Ritter
von beinahe hundert Burgen und die Bauern von ebensoviel
Dörfern und Weilern plötzlich zwingt, eine Stadt zu gründen und
sich als deren Bürger hinter festen Mauern anzusiedeln, so will
uns dies als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen, sogar im
Und doch ist dieses Wagnis geglückt, wenn auch nicht beim ersten,
so doch beim zweiten Versuch, und zwar mit Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen.


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[0040] Aquila deutungsvollen Platz in seiner Entwicklung als Dichter ein, sie haben auch ihren großen, selbständigen Wert in der nationalen dänischen Erzählung. Die Fehler in ihnen sind leicht zu erkennen: vor allem hat der Verfasser immer zu viel mitnehmen wollen. Wenn er daran denkt, wieviel es ihn ge¬ kostet hat, sich die Schulweisheit anzueignen, daß er sie jetzt aber doch hat, so muß das gezeigt, durch Latein und Gelehrsamkeit Schwarz auf Weiß gezeigt werden. Er ist verhältnismäßig belesen in der fremden schönen Literatur — er war sein Leben lang ein „schneller" Leser —, und das muß durch Zitate doku¬ mentiert werden. Er besucht feine Gesellschaften und verkehrt ringsum auf den adlichen Gütern — es erscheint ihm noch immer wie ein Märchen, wie das wunderbarste von allen, daß er das wirklich ist! —, und da muß er natürlich durch seine Bücher der Welt zeigen, daß Schusters Marie ihr Hans Christian jetzt bei den Großen ein und aus geht und das Leben in den höhern Sphären kennt. Er hat sich ringsum in seinem Vaterlande umgesehen, ist in Jütland und auf den Halligen gewesen — die Eindrücke müssen mitgenommen werden. Alles, was ihn selber im Augenblick amüsiert oder interessiert hat, und ihn interessiert alles, weil ihm alles neu ist, muß mitgenommen werden. Die Ein¬ heit leidet natürlich hierunter, man merkt, daß er selbst dem Schlüsse zueilt, und der Roman wird weniger eine abgeschlossene Komposition als ein buntes Bilderbuch, etwas ähnliches wie der Wandschirm, den er sich in alten Zeiten selbst gemacht hatte, und zu dem die Bilder überall ausgeschnitten und scheinbar planlos zusammengekleistert, aber doch von genialer Hand geordnet waren. Die Mängel waren leicht zu sehen, aber man sollte freilich meinen, daß die Vorzüge noch mehr in die Augen gesprungen sein müßten. Da ist in allen Romanen ein Reichtum an Motiven, die Dutzende von modernen Schriftstellern versorgen könnten, da ist Frische und Originalität, da ist Gefühl und Laune, da sind Figuren und Szenerie. Und dann die Naturschilderungen und die Bilder! (Schluß folgt) Aquila von Alexander Rnmpelt Oonvoi'äiÄ >M'Vi>,ö i'W ol'ösvUQt, VKomÄW MÄxiwaL all^Jmmen'. 5!aIIustins 0!Spus DU HstA Mittelalter.cum ein Fürst eine bedeutende Anzahl seiner Untertanen, die Ritter von beinahe hundert Burgen und die Bauern von ebensoviel Dörfern und Weilern plötzlich zwingt, eine Stadt zu gründen und sich als deren Bürger hinter festen Mauern anzusiedeln, so will uns dies als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen, sogar im Und doch ist dieses Wagnis geglückt, wenn auch nicht beim ersten, so doch beim zweiten Versuch, und zwar mit Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/40>, abgerufen am 07.05.2024.