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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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In der Residenz zu Meinhausen
Maina I^user von(Fortsetzung)

Mer Empfangstag im Schlosse war gekommen. Seit Tagen schon
hatte die Erregung deutlich auf allen Gesichtern gelegen --- war durch
die Straßen geschwirrt. Und alles war gebeten! Von den Spitzen
bis zu den Subalternen hinab! Das ließ bei den letzten die Wag¬
schale für den Herrn Minister Plötzlich schwer und voll herabsinken,
Ideuu augenscheinlich dankte man es doch ihm. Seine Durchlaucht
richtete sich in diesen Dingen ja eigentlich ganz nach seinem Rate. Da war er
doch mal wieder beamtenfreundlich gewesen! --

Ob ich mei Gelbs anzieh oder mei Roth? In ihrer Erregung vergaß sich
die Frau Amtssekretär so weit, hierüber die Frau Regierungsrat Klipfel zu fragen,
die sie auf der Straße flüchtig angeredet hatte.

Da müssen Sie sich an Ihre Rangklasse wenden -- die Rätinnen erscheinen
nach der Vorschrift!

Da hatte sich! Mit tränengewischten Augen kam sie nach Haus.

Ja, wie oft muß ichs dir noch sage, räsonierte ihr Mann, daß man sich nie
so weit vergesse soll!

Nun strahlte der weiße, vergoldete Rokokosaal in blendendem Lichterglanz. In
feierlicher Ordnung waren die Beamten aufgestellt. Daneben drängte sich flüsternd
die Reihe ihrer Frauen. Die Häßlichen ein bißchen mehr nach vorn, die Hübschern
etwas nach hinten gerückt -- man konnte nie wissen --

Befriedigt musterte der Herr Minister und Hofmarschall aus der Ferne seine
Anordnung.

Jösses Schmelzer! Dei Aufhünger steht dir naus! flüsterte erregt die dicke
Gattin des Herrn Bürgermeisters und Standesbeamten. Eilig wurde die schwarze
Öse unter den Rockkragen heruntergebogen.

Der hat halt auch mal was anders sehe wolle als die Bureautür! meinte einer,
und Murmelnder Beifall belohnte den Witz.

Nun, so fröhlich, meine Herren? Der Minister trat hinzu. In dunkelblauem
Stahlglanz ruhten seine Augen prüfend auf den Gesichtern, über die es plötzlich
wie Schatten herunterfiel. Aber er bemerkte es nicht. Mit einem bezaubernden
Lächeln um den kleinen Mund wandte er sich nun an die junge Assessorin nebenan.

Sie war die hübscheste unter den Frauen. Ein mächtiger dunkler Haarknoten
krönte das ovale blasse Gesichtchen. Jetzt aber übergoß es sich mit Purpurglut.

Auch Rosen blühen heute im Saal, sprach er leise, blühen und freuen sich
ihres Daseins! Darf man als Beglückter den Grund dieser Freude teilen?
----

Dem Herrn Bürgermeister sein Aufhänger ist hercmsgestandeu stammelte
die kleine Frau, und ein scheuer Blick zitterte aus deu dunkeln Augen in die seinen.
Er trat etwas seitwärts von den übrigen zurück, und unwillkürlich folgte sie ihm




In der Residenz zu Meinhausen
Maina I^user von(Fortsetzung)

Mer Empfangstag im Schlosse war gekommen. Seit Tagen schon
hatte die Erregung deutlich auf allen Gesichtern gelegen —- war durch
die Straßen geschwirrt. Und alles war gebeten! Von den Spitzen
bis zu den Subalternen hinab! Das ließ bei den letzten die Wag¬
schale für den Herrn Minister Plötzlich schwer und voll herabsinken,
Ideuu augenscheinlich dankte man es doch ihm. Seine Durchlaucht
richtete sich in diesen Dingen ja eigentlich ganz nach seinem Rate. Da war er
doch mal wieder beamtenfreundlich gewesen! —

Ob ich mei Gelbs anzieh oder mei Roth? In ihrer Erregung vergaß sich
die Frau Amtssekretär so weit, hierüber die Frau Regierungsrat Klipfel zu fragen,
die sie auf der Straße flüchtig angeredet hatte.

Da müssen Sie sich an Ihre Rangklasse wenden — die Rätinnen erscheinen
nach der Vorschrift!

Da hatte sich! Mit tränengewischten Augen kam sie nach Haus.

Ja, wie oft muß ichs dir noch sage, räsonierte ihr Mann, daß man sich nie
so weit vergesse soll!

Nun strahlte der weiße, vergoldete Rokokosaal in blendendem Lichterglanz. In
feierlicher Ordnung waren die Beamten aufgestellt. Daneben drängte sich flüsternd
die Reihe ihrer Frauen. Die Häßlichen ein bißchen mehr nach vorn, die Hübschern
etwas nach hinten gerückt — man konnte nie wissen —

Befriedigt musterte der Herr Minister und Hofmarschall aus der Ferne seine
Anordnung.

Jösses Schmelzer! Dei Aufhünger steht dir naus! flüsterte erregt die dicke
Gattin des Herrn Bürgermeisters und Standesbeamten. Eilig wurde die schwarze
Öse unter den Rockkragen heruntergebogen.

Der hat halt auch mal was anders sehe wolle als die Bureautür! meinte einer,
und Murmelnder Beifall belohnte den Witz.

Nun, so fröhlich, meine Herren? Der Minister trat hinzu. In dunkelblauem
Stahlglanz ruhten seine Augen prüfend auf den Gesichtern, über die es plötzlich
wie Schatten herunterfiel. Aber er bemerkte es nicht. Mit einem bezaubernden
Lächeln um den kleinen Mund wandte er sich nun an die junge Assessorin nebenan.

Sie war die hübscheste unter den Frauen. Ein mächtiger dunkler Haarknoten
krönte das ovale blasse Gesichtchen. Jetzt aber übergoß es sich mit Purpurglut.

Auch Rosen blühen heute im Saal, sprach er leise, blühen und freuen sich
ihres Daseins! Darf man als Beglückter den Grund dieser Freude teilen?
——

Dem Herrn Bürgermeister sein Aufhänger ist hercmsgestandeu stammelte
die kleine Frau, und ein scheuer Blick zitterte aus deu dunkeln Augen in die seinen.
Er trat etwas seitwärts von den übrigen zurück, und unwillkürlich folgte sie ihm


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[0115] [Abbildung] In der Residenz zu Meinhausen Maina I^user von(Fortsetzung) Mer Empfangstag im Schlosse war gekommen. Seit Tagen schon hatte die Erregung deutlich auf allen Gesichtern gelegen —- war durch die Straßen geschwirrt. Und alles war gebeten! Von den Spitzen bis zu den Subalternen hinab! Das ließ bei den letzten die Wag¬ schale für den Herrn Minister Plötzlich schwer und voll herabsinken, Ideuu augenscheinlich dankte man es doch ihm. Seine Durchlaucht richtete sich in diesen Dingen ja eigentlich ganz nach seinem Rate. Da war er doch mal wieder beamtenfreundlich gewesen! — Ob ich mei Gelbs anzieh oder mei Roth? In ihrer Erregung vergaß sich die Frau Amtssekretär so weit, hierüber die Frau Regierungsrat Klipfel zu fragen, die sie auf der Straße flüchtig angeredet hatte. Da müssen Sie sich an Ihre Rangklasse wenden — die Rätinnen erscheinen nach der Vorschrift! Da hatte sich! Mit tränengewischten Augen kam sie nach Haus. Ja, wie oft muß ichs dir noch sage, räsonierte ihr Mann, daß man sich nie so weit vergesse soll! Nun strahlte der weiße, vergoldete Rokokosaal in blendendem Lichterglanz. In feierlicher Ordnung waren die Beamten aufgestellt. Daneben drängte sich flüsternd die Reihe ihrer Frauen. Die Häßlichen ein bißchen mehr nach vorn, die Hübschern etwas nach hinten gerückt — man konnte nie wissen — Befriedigt musterte der Herr Minister und Hofmarschall aus der Ferne seine Anordnung. Jösses Schmelzer! Dei Aufhünger steht dir naus! flüsterte erregt die dicke Gattin des Herrn Bürgermeisters und Standesbeamten. Eilig wurde die schwarze Öse unter den Rockkragen heruntergebogen. Der hat halt auch mal was anders sehe wolle als die Bureautür! meinte einer, und Murmelnder Beifall belohnte den Witz. Nun, so fröhlich, meine Herren? Der Minister trat hinzu. In dunkelblauem Stahlglanz ruhten seine Augen prüfend auf den Gesichtern, über die es plötzlich wie Schatten herunterfiel. Aber er bemerkte es nicht. Mit einem bezaubernden Lächeln um den kleinen Mund wandte er sich nun an die junge Assessorin nebenan. Sie war die hübscheste unter den Frauen. Ein mächtiger dunkler Haarknoten krönte das ovale blasse Gesichtchen. Jetzt aber übergoß es sich mit Purpurglut. Auch Rosen blühen heute im Saal, sprach er leise, blühen und freuen sich ihres Daseins! Darf man als Beglückter den Grund dieser Freude teilen? —— Dem Herrn Bürgermeister sein Aufhänger ist hercmsgestandeu stammelte die kleine Frau, und ein scheuer Blick zitterte aus deu dunkeln Augen in die seinen. Er trat etwas seitwärts von den übrigen zurück, und unwillkürlich folgte sie ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/115>, abgerufen am 29.04.2024.