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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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kanzler und den Kriegsminister geradezu unentbehrlich in allen den strittigen
Fragen, die sich auf den Angriff von Paris und auf Schwierigkeiten bei den
Friedensverhandlungen bezogen, namentlich auch, als es sich um Metz handelte.
Er genoß dabei das Vertrauen des Kaisers in hohem Grade. Nach dem drei¬
stündigen Conseil vom 26. Januar, bei dem es sich wesentlich um den militä¬
rischen Teil der Friedenspräliminarien handelte, sagte der Kaiser zum Großherzog,
"daß er alle Sorge nur dahin zu wenden habe, alle Köpfe unter einen Hut
zu bringen, da die politischen Interessen von militärischer Seite nicht verstanden
und die militärischen von der politischen Seite nicht gewürdigt würden".

Die segensreiche Tätigkeit des Großherzogs in Versailles bei allen diesen
Fragen im einzelnen zu schildern, wird dereinst eine dankbare Arbeit für einen
gewandten und patriotischen Biographen sein, dem sich die Quellen der Auf¬
zeichnungen und Archive erschließen. Diese Arbeit erhebt nur den bescheidnen
Anspruch, aus dem schon vorhandnen Material für weitere Kreise ein Bild seiner
hingebenden Tätigkeit zu geben, der es, wie Kaiser Wilhelm der Zweite jüngst
feierlich ausgesprochen hat, wesentlich zu danken ist, daß sich des Reichs
Standarte in den Lüften entrollt.




Luftreisen
Johannes poeschel von Nach Rußland

lieber ists eine köstliche Vollmondnacht, und wieder war un¬
günstiges Wetter vorausgegangen. Schwere Gewitter hatten sich
noch in der Nacht zuvor vom 3. zum 4. August entladen, auch
den Tag über war der Himmel bewölkt gewesen und hatte öfters
! Regenschauer entsandt. Aber je näher die Stunde der Auffahrt
kam, um so mehr bellte er sich auf, und der aufsteigende Vollmond brachte
völlige Klarheit. 11 Uhr 40 Minuten schwebte dieselbe dreiköpfige Reisegesell¬
schaft, die in der Pfingstwoche auf den Spicherer Höhen gelandet war, er¬
wartungsvoll über die Muldenaue bei Bitterfeld empor. Wohin wird diesesmal
der "Ernst" sie tragen? Der Wind hat mehrmals gewechselt, doch scheint der
West jetzt die Oberhand zu gewinnen, der hierzulande ja recht häufig weht,
vom Luftschiffer aber wenig geschätzt wird, zumal wenn eine Dauerfahrt geplant
ist- Etwa in Rußland niedergehn müssen, unter den jetzigen Verhältnissen,
Ueber nicht! Hoffen wir also, daß der Wind umschlügt, oder daß sich in höhern
Schichten die bekannte, in der Bewegung der Erde begründete Rechtsdrehung
recht kräftig geltend macht. Häufig wahrgenommner Luftzug bestärkt uns in
der Hoffnung auf einen Richtungswechsel.


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kanzler und den Kriegsminister geradezu unentbehrlich in allen den strittigen
Fragen, die sich auf den Angriff von Paris und auf Schwierigkeiten bei den
Friedensverhandlungen bezogen, namentlich auch, als es sich um Metz handelte.
Er genoß dabei das Vertrauen des Kaisers in hohem Grade. Nach dem drei¬
stündigen Conseil vom 26. Januar, bei dem es sich wesentlich um den militä¬
rischen Teil der Friedenspräliminarien handelte, sagte der Kaiser zum Großherzog,
„daß er alle Sorge nur dahin zu wenden habe, alle Köpfe unter einen Hut
zu bringen, da die politischen Interessen von militärischer Seite nicht verstanden
und die militärischen von der politischen Seite nicht gewürdigt würden".

Die segensreiche Tätigkeit des Großherzogs in Versailles bei allen diesen
Fragen im einzelnen zu schildern, wird dereinst eine dankbare Arbeit für einen
gewandten und patriotischen Biographen sein, dem sich die Quellen der Auf¬
zeichnungen und Archive erschließen. Diese Arbeit erhebt nur den bescheidnen
Anspruch, aus dem schon vorhandnen Material für weitere Kreise ein Bild seiner
hingebenden Tätigkeit zu geben, der es, wie Kaiser Wilhelm der Zweite jüngst
feierlich ausgesprochen hat, wesentlich zu danken ist, daß sich des Reichs
Standarte in den Lüften entrollt.




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Johannes poeschel von Nach Rußland

lieber ists eine köstliche Vollmondnacht, und wieder war un¬
günstiges Wetter vorausgegangen. Schwere Gewitter hatten sich
noch in der Nacht zuvor vom 3. zum 4. August entladen, auch
den Tag über war der Himmel bewölkt gewesen und hatte öfters
! Regenschauer entsandt. Aber je näher die Stunde der Auffahrt
kam, um so mehr bellte er sich auf, und der aufsteigende Vollmond brachte
völlige Klarheit. 11 Uhr 40 Minuten schwebte dieselbe dreiköpfige Reisegesell¬
schaft, die in der Pfingstwoche auf den Spicherer Höhen gelandet war, er¬
wartungsvoll über die Muldenaue bei Bitterfeld empor. Wohin wird diesesmal
der „Ernst" sie tragen? Der Wind hat mehrmals gewechselt, doch scheint der
West jetzt die Oberhand zu gewinnen, der hierzulande ja recht häufig weht,
vom Luftschiffer aber wenig geschätzt wird, zumal wenn eine Dauerfahrt geplant
ist- Etwa in Rußland niedergehn müssen, unter den jetzigen Verhältnissen,
Ueber nicht! Hoffen wir also, daß der Wind umschlügt, oder daß sich in höhern
Schichten die bekannte, in der Bewegung der Erde begründete Rechtsdrehung
recht kräftig geltend macht. Häufig wahrgenommner Luftzug bestärkt uns in
der Hoffnung auf einen Richtungswechsel.


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[0213] Luftreisen kanzler und den Kriegsminister geradezu unentbehrlich in allen den strittigen Fragen, die sich auf den Angriff von Paris und auf Schwierigkeiten bei den Friedensverhandlungen bezogen, namentlich auch, als es sich um Metz handelte. Er genoß dabei das Vertrauen des Kaisers in hohem Grade. Nach dem drei¬ stündigen Conseil vom 26. Januar, bei dem es sich wesentlich um den militä¬ rischen Teil der Friedenspräliminarien handelte, sagte der Kaiser zum Großherzog, „daß er alle Sorge nur dahin zu wenden habe, alle Köpfe unter einen Hut zu bringen, da die politischen Interessen von militärischer Seite nicht verstanden und die militärischen von der politischen Seite nicht gewürdigt würden". Die segensreiche Tätigkeit des Großherzogs in Versailles bei allen diesen Fragen im einzelnen zu schildern, wird dereinst eine dankbare Arbeit für einen gewandten und patriotischen Biographen sein, dem sich die Quellen der Auf¬ zeichnungen und Archive erschließen. Diese Arbeit erhebt nur den bescheidnen Anspruch, aus dem schon vorhandnen Material für weitere Kreise ein Bild seiner hingebenden Tätigkeit zu geben, der es, wie Kaiser Wilhelm der Zweite jüngst feierlich ausgesprochen hat, wesentlich zu danken ist, daß sich des Reichs Standarte in den Lüften entrollt. Luftreisen Johannes poeschel von Nach Rußland lieber ists eine köstliche Vollmondnacht, und wieder war un¬ günstiges Wetter vorausgegangen. Schwere Gewitter hatten sich noch in der Nacht zuvor vom 3. zum 4. August entladen, auch den Tag über war der Himmel bewölkt gewesen und hatte öfters ! Regenschauer entsandt. Aber je näher die Stunde der Auffahrt kam, um so mehr bellte er sich auf, und der aufsteigende Vollmond brachte völlige Klarheit. 11 Uhr 40 Minuten schwebte dieselbe dreiköpfige Reisegesell¬ schaft, die in der Pfingstwoche auf den Spicherer Höhen gelandet war, er¬ wartungsvoll über die Muldenaue bei Bitterfeld empor. Wohin wird diesesmal der „Ernst" sie tragen? Der Wind hat mehrmals gewechselt, doch scheint der West jetzt die Oberhand zu gewinnen, der hierzulande ja recht häufig weht, vom Luftschiffer aber wenig geschätzt wird, zumal wenn eine Dauerfahrt geplant ist- Etwa in Rußland niedergehn müssen, unter den jetzigen Verhältnissen, Ueber nicht! Hoffen wir also, daß der Wind umschlügt, oder daß sich in höhern Schichten die bekannte, in der Bewegung der Erde begründete Rechtsdrehung recht kräftig geltend macht. Häufig wahrgenommner Luftzug bestärkt uns in der Hoffnung auf einen Richtungswechsel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/213>, abgerufen am 29.04.2024.