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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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wundes Geschichte der bildenden Künste

kommcmdcmtm (Hauptmann von Strmitz), der freilich über dieses Kommando
gar nicht erfreut war. So harrte alles mit Spannung der Dinge, die sich
da jenseits der blauen Bergkette begeben würden, viele noch immer voll fester
Zuversicht auf Benedek und seinen angeblichen Plan, die Preußen möglichst
tief nach Böhmen hineinzulocken und dann mit Übermacht zu veruichtcn-
Sollten doch manche Preußen selbst bedenkliche Gesichter gemacht haben, als
man ihnen die Berge zeigte und sie freundschaftlich belehrte, in welche Falle
sie dahineingingen. Inzwischen hatten sie freilich die Pässe schon ungehindert
überschritten und breiteten sich über die uordostböhmische Hochebene aus, die
ihnen bis zur Jser keine besondern natürlichen Hindernisse bot.




Wundes Geschichte der bildenden Künste

in 49. Heft des Jahrgangs 1904 haben wir über den ersten Band
von Wundes Völkerpsychologie berichtet, der von der Sprache
handelt. Wundt faßt diese neue Wissenschaft etwas anders auf
als ihre Begründer Lazarus und Steinthal. Er will weder die
Analogien zwischen dem Gemeinschaftsleben und den Vorgängen
in der Einzelseele nachweisen, noch die Charaktere der verschiednen Völker
schildern. Seine Wissenschaft soll vielmehr das Seelenleben beschreiben, soweit
es aus der Gemeinschaft der Menschen hervorgeht, soll nur solche psychische Vor¬
gänge behandeln, die der allgemeinen Entwicklung menschlicher Gemeinschaften
und der Entstehung gemeinsamer geistiger Erzeugnisse zugrunde liegen. Während
demnach Literatur, Kunst und Wissenschaft ausgeschlossen bleiben, weil deren Er¬
zeugnisse das Werk einzelner Personen sind, dürfen als Gegenstände der Völker¬
psychologie nur Sprache, Mythus und Sitte angesehen werden, die Erzeugnisse
nicht einzelner Individuen sondern der Gesamtheit sind. Erst von der Völker¬
psychologie aus, meint Wundt, könne das Seelenleben des Einzelnen, das sich
jn nur in der Gemeinschaft entfalte, ganz verstanden werden. Voriges Jahr
ist nun vom zweiten Bande des groß angelegten Werkes, der den Mythus und
die Religion behandeln soll, der erste Teilerschienen. Obgleich der Verfasser
hofft, daß seine Untersuchungen auch die Mythologie fördern werden, ist doch
sein nächster Zweck "nicht etwa der, die Mythologie durch die Psychologie zu
berichtigen, sondern der psychologischen Forschung die Quellen einer für das
Studium der Phantasievorgänge wie der Gemütsbewegungen unschätzbaren und
unersetzbaren Erkenntnis zuzuführen". Vor allem die Phantasietätigkeit wird



*) Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache,
Mythus und Sitte von Wilhelm Wundt. Zweiter Band! MuthuZ und Religion. Erster
Teil. Mit 58 Abbildungen im Text. Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1905.
wundes Geschichte der bildenden Künste

kommcmdcmtm (Hauptmann von Strmitz), der freilich über dieses Kommando
gar nicht erfreut war. So harrte alles mit Spannung der Dinge, die sich
da jenseits der blauen Bergkette begeben würden, viele noch immer voll fester
Zuversicht auf Benedek und seinen angeblichen Plan, die Preußen möglichst
tief nach Böhmen hineinzulocken und dann mit Übermacht zu veruichtcn-
Sollten doch manche Preußen selbst bedenkliche Gesichter gemacht haben, als
man ihnen die Berge zeigte und sie freundschaftlich belehrte, in welche Falle
sie dahineingingen. Inzwischen hatten sie freilich die Pässe schon ungehindert
überschritten und breiteten sich über die uordostböhmische Hochebene aus, die
ihnen bis zur Jser keine besondern natürlichen Hindernisse bot.




Wundes Geschichte der bildenden Künste

in 49. Heft des Jahrgangs 1904 haben wir über den ersten Band
von Wundes Völkerpsychologie berichtet, der von der Sprache
handelt. Wundt faßt diese neue Wissenschaft etwas anders auf
als ihre Begründer Lazarus und Steinthal. Er will weder die
Analogien zwischen dem Gemeinschaftsleben und den Vorgängen
in der Einzelseele nachweisen, noch die Charaktere der verschiednen Völker
schildern. Seine Wissenschaft soll vielmehr das Seelenleben beschreiben, soweit
es aus der Gemeinschaft der Menschen hervorgeht, soll nur solche psychische Vor¬
gänge behandeln, die der allgemeinen Entwicklung menschlicher Gemeinschaften
und der Entstehung gemeinsamer geistiger Erzeugnisse zugrunde liegen. Während
demnach Literatur, Kunst und Wissenschaft ausgeschlossen bleiben, weil deren Er¬
zeugnisse das Werk einzelner Personen sind, dürfen als Gegenstände der Völker¬
psychologie nur Sprache, Mythus und Sitte angesehen werden, die Erzeugnisse
nicht einzelner Individuen sondern der Gesamtheit sind. Erst von der Völker¬
psychologie aus, meint Wundt, könne das Seelenleben des Einzelnen, das sich
jn nur in der Gemeinschaft entfalte, ganz verstanden werden. Voriges Jahr
ist nun vom zweiten Bande des groß angelegten Werkes, der den Mythus und
die Religion behandeln soll, der erste Teilerschienen. Obgleich der Verfasser
hofft, daß seine Untersuchungen auch die Mythologie fördern werden, ist doch
sein nächster Zweck „nicht etwa der, die Mythologie durch die Psychologie zu
berichtigen, sondern der psychologischen Forschung die Quellen einer für das
Studium der Phantasievorgänge wie der Gemütsbewegungen unschätzbaren und
unersetzbaren Erkenntnis zuzuführen". Vor allem die Phantasietätigkeit wird



*) Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache,
Mythus und Sitte von Wilhelm Wundt. Zweiter Band! MuthuZ und Religion. Erster
Teil. Mit 58 Abbildungen im Text. Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1905.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/480>, abgerufen am 29.04.2024.