Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.Das Bild in der Dichtung Erhebung nicht sofort ablegen mochten. Und ebensowenig schloß ein Her¬ Die Söhne und Enkel der Reichsstände, die im Jahre 1742 das bürger¬ Das Bild in der Dichtung >le Kraft des dichterischen Genius zeigt sich am stärksten in der Das Bild in der Dichtung Erhebung nicht sofort ablegen mochten. Und ebensowenig schloß ein Her¬ Die Söhne und Enkel der Reichsstände, die im Jahre 1742 das bürger¬ Das Bild in der Dichtung >le Kraft des dichterischen Genius zeigt sich am stärksten in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301157"/> <fw type="header" place="top"> Das Bild in der Dichtung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2662" prev="#ID_2661"> Erhebung nicht sofort ablegen mochten. Und ebensowenig schloß ein Her¬<lb/> kommen oder gar ein Neichsgesetz die Ehe eines Reichsgrafen mit einer Dame<lb/> des niedern Adels aus. Ansätze zu größerer Strenge finden sich wohl hin<lb/> und wieder in hausgesetzlichen Bestimmungen oder Familienvertrügen. So<lb/> haben auch die beiden Brüder, von denen die gräflichen Linien Lippe-Biester¬<lb/> feld und Weißenfeld abstammen, im Jahre 1749 einen Vergleich geschlossen,<lb/> wodurch sie ihre Nachkommenschaft verpflichteten, nur Personen gräflichen oder<lb/> mindestens freiherrlichen Standes zu heiraten. Doch bezieht sich diese Be¬<lb/> schränkung der Erbfolge, wie schon durch den Schiedsgerichtsspruch des Königs<lb/> von Sachsen vom Jahre 1897 festgestellt worden ist, nur auf das damals<lb/> beiden Linien in Lippe noch zustehende Paragium — gewisse Güter und<lb/> Ämter mit einigen Hoheitsrechten —, nicht ans das jetzige Fürstentum selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_2663"> Die Söhne und Enkel der Reichsstände, die im Jahre 1742 das bürger¬<lb/> liche Element so schroff von sich gewiesen hatten, mußten sechzig Jahre später<lb/> den Sohn eines Gastwirts als Genossen in ihre Mitte aufnehmen. Drei<lb/> Monate nachdem Murat Großherzog von Kleve und Berg geworden war,<lb/> wurde der Rheinbund geschlossen, Kaiser Franz der Zweite legte die Kaiser¬<lb/> krone nieder, die souverän gewordnen Fürsten, die Abkömmlinge der edelsten<lb/> deutschen Geschlechter, die Wittelsbacher, die Zühringer und die Württemberger,<lb/> erstarken in Demut vor dem neuen Imperator an der Seine und knüpften,<lb/> halb freiwillig, halb gezwungen, mit seinem Hause Familienverbindungen an.<lb/> Der, der ihm am freiesten und fürstlichste!: gegenübertrat und auch ihm selbst<lb/> am ehrwürdigsten erschien, war seltsamerweise der „Vater Franz", der Enkel<lb/> der Dessauer Apothekerstochter.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Bild in der Dichtung</head><lb/> <p xml:id="ID_2664" next="#ID_2665"> >le Kraft des dichterischen Genius zeigt sich am stärksten in der<lb/> Schönheit und Tiefe seiner Metaphern. Die Bildlichkeit des<lb/> Ausdrucks ist auch ein Spiegel der geheimsten Individualität, so¬<lb/> gar der künstlerischen Kultur der ganzen Zeit und der Rasse und<lb/> ! gibt wichtige Materialien zur Einzel- und Völkerpsychologie. Aus<lb/> welchen Kreisen und in welcher Art ein Dichter seine Bilder wählt, daran er¬<lb/> kenne ich, wo seine Gedanken vorzugsweise Hausen, wie seine Erziehung, Bildung,<lb/> Lebensweise war, welche plastische Kraft ihm innewohnt. Auch die nationale<lb/> Physiognomie zeigt sich nirgends so prägnant wie in der sprachlichen Symbolik.<lb/> Der Orientale, der Inder, der Semne hat andre Bilder als der Westländer;<lb/> die grandiose Phantastik des Mahabharata kontrastiert seltsam mit der exakten<lb/> und doch eleganten Metaphorik Homers und der Griechen; doch ergeben sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0658]
Das Bild in der Dichtung
Erhebung nicht sofort ablegen mochten. Und ebensowenig schloß ein Her¬
kommen oder gar ein Neichsgesetz die Ehe eines Reichsgrafen mit einer Dame
des niedern Adels aus. Ansätze zu größerer Strenge finden sich wohl hin
und wieder in hausgesetzlichen Bestimmungen oder Familienvertrügen. So
haben auch die beiden Brüder, von denen die gräflichen Linien Lippe-Biester¬
feld und Weißenfeld abstammen, im Jahre 1749 einen Vergleich geschlossen,
wodurch sie ihre Nachkommenschaft verpflichteten, nur Personen gräflichen oder
mindestens freiherrlichen Standes zu heiraten. Doch bezieht sich diese Be¬
schränkung der Erbfolge, wie schon durch den Schiedsgerichtsspruch des Königs
von Sachsen vom Jahre 1897 festgestellt worden ist, nur auf das damals
beiden Linien in Lippe noch zustehende Paragium — gewisse Güter und
Ämter mit einigen Hoheitsrechten —, nicht ans das jetzige Fürstentum selbst.
Die Söhne und Enkel der Reichsstände, die im Jahre 1742 das bürger¬
liche Element so schroff von sich gewiesen hatten, mußten sechzig Jahre später
den Sohn eines Gastwirts als Genossen in ihre Mitte aufnehmen. Drei
Monate nachdem Murat Großherzog von Kleve und Berg geworden war,
wurde der Rheinbund geschlossen, Kaiser Franz der Zweite legte die Kaiser¬
krone nieder, die souverän gewordnen Fürsten, die Abkömmlinge der edelsten
deutschen Geschlechter, die Wittelsbacher, die Zühringer und die Württemberger,
erstarken in Demut vor dem neuen Imperator an der Seine und knüpften,
halb freiwillig, halb gezwungen, mit seinem Hause Familienverbindungen an.
Der, der ihm am freiesten und fürstlichste!: gegenübertrat und auch ihm selbst
am ehrwürdigsten erschien, war seltsamerweise der „Vater Franz", der Enkel
der Dessauer Apothekerstochter.
Das Bild in der Dichtung
>le Kraft des dichterischen Genius zeigt sich am stärksten in der
Schönheit und Tiefe seiner Metaphern. Die Bildlichkeit des
Ausdrucks ist auch ein Spiegel der geheimsten Individualität, so¬
gar der künstlerischen Kultur der ganzen Zeit und der Rasse und
! gibt wichtige Materialien zur Einzel- und Völkerpsychologie. Aus
welchen Kreisen und in welcher Art ein Dichter seine Bilder wählt, daran er¬
kenne ich, wo seine Gedanken vorzugsweise Hausen, wie seine Erziehung, Bildung,
Lebensweise war, welche plastische Kraft ihm innewohnt. Auch die nationale
Physiognomie zeigt sich nirgends so prägnant wie in der sprachlichen Symbolik.
Der Orientale, der Inder, der Semne hat andre Bilder als der Westländer;
die grandiose Phantastik des Mahabharata kontrastiert seltsam mit der exakten
und doch eleganten Metaphorik Homers und der Griechen; doch ergeben sich
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